Es ist kein Geheimnis: Vieles im Laden wird gerade deutlich teurer. Aber das liegt nicht nur an den steigenden Rohstoff-Preisen in der Produktion. Die Waren müssen auch von A nach B kommen - und zwar verpackt. Die Verpackungsindustrie ist eine in ihrer Wichtigkeit oft unterschätzte Branche.
Über Transport-Verpackungen wird gerne geschimpft. Je weniger, desto besser, schließlich leidet sonst die Umwelt. Gleichzeitig lässt sich eins nicht leugnen: Ware muss von der Produktionsstätte zum Verbraucher Wege zurücklegen. Auf denen muss sie vor Beschädigung und Umwelteinflüssen geschützt sein. Selbst zum Unverpacktladen, wo alles umweltfreundlich in eigene Boxen gefüllt werden kann - die Produkte kommen erst einmal verpackt zum Laden. Und wo auch immer diese Ware produziert wird, es werden dafür Maschinen gebraucht, die zuvor ihrerseits verpackt zum Hersteller geliefert wurden.
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Gunther Merz drückt es so aus: "Verpackungen will man nicht. Aber man braucht sie." Er ist Diplom-Ingenieur für Verpackungstechnik. Sein Unternehmen Pacced in Balingen entwickelt individuelle Verpackungen, zum Beispiel für die Maschinenbau-Branche, für Großhandel oder Logistiker. Für ihn als Entwickler sei entscheidend, Verpackungen so zu entwerfen, dass sie möglichst materialsparend sind. Ein bisschen wie Tetris spielen sei das, vergleicht er. Je mehr letztendlich in den Lastwagen passe, umso besser, denn das wirke sich wiederum positiv auf die CO2-Bilanz der Unternehmen aus, für die er die Verpackungen entwerfe. Und dennoch, ganz ohne Material gehe Verpacken nicht.
Zu Beginn der Corona-Pandemie, als die Welt lahmgelegt wurde, seien Hersteller von Wellpappe (das klassische Verpackungsmaterial) als systemrelevant eingestuft worden und haben weiterarbeiten dürfen. Ebenso wie Gesundheits- und Pflegepersonal. "Der Regierung war klar, dass ohne Verpackung nichts geht", sagt Merz. Ohne sie bleiben die Produkte im Lager des Herstellers liegen und kommen nicht im Geschäft an.
Verpackung wichtig wie nie - Rohstoffe knapp wie nie
"Man muss bedenken, wenn man sich zum Beispiel ein Auto kauft, wurde jedes Knöpfchen und jeder Schalter irgendwo hergestellt und kam dann auf einer Palette verpackt zum Werk, wo alles zusammengebaut wurde." In Transportverpackungen fließen Rohstoffe und Energie, auf die die Branche angewiesen ist. "Nahezu jedes Stück Kunststoff wird auf Erdölbasis gemacht", erklärt Merz.
"Die Kunststoffindustrie bezieht hierzulande etwa 50 Prozent von ihrem nötigen Gas und Erdöl aus Russland", so der Verpackungs-Experte. Und nicht nur das: Knapp 50 Prozent der Holzpaletten, die in so gut wie jeder Produktion gebraucht werden, kommen ebenfalls aus Russland, Belarus und der Ukraine. Hier liege die Preissteigerung inzwischen bei 100 Prozent. Durch die Abhängigkeit leide die Verpackungsindustrie aktuell enorm unter den wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs.
Und die verschärft genau genommen nur die ohnehin schwere Lage. In den vergangenen Jahren sei vieles unnötig aufwändig verpackt worden, erklärt der Ingenieur. "Lange Zeit waren Rohstoffe einfach verfügbar und die Industrie hat sich keine Gedanken darüber gemacht, dass sie eines Tages knapp werden." Der Nachhaltigkeitsgedanke habe sich inzwischen verstärkt. Auch aus der Not heraus: "Schon letztes Jahr sind die Preise für die Rohstoffe durch die Corona-Krise um 50 bis 70 Prozent gestiegen." Die Nachfrage sei plötzlich enorm gewachsen, weil viele Hygiene-Artikel hergestellt und verpackt werden mussten. Und im medizinischen Sektor sei mit Recycling nur wenig machbar, weil das Material für besonders hygienische, sterile Verpackungen neu sein muss. Gleichzeitig habe der Online-Handel geboomt, wodurch ebenfalls mehr für Transporte verpackt worden sei.
Kunststoff aus Mais?
Die Pandemie habe also bereits für Rohstoffknappheit gesorgt. Nun spitzt sich die Lage weiter zu. An Alternativen arbeite die Wissenschaft schon fleißig, sie seien aber noch nicht ausgereift. Die Forschung gehe immer mehr in Richtung Bio-Kunststoffe, die nicht auf der Basis von Erdöl, sondern auf Stärkebasis hergestellt werden. Aber damit sei das Problem gewissermaßen nur verlagert. "Das verbraucht zwar weniger Erdöl, es geht aber Fläche verloren, auf der man zum Beispiel Mais anpflanzen muss, um die Stärke daraus zu gewinnen." Außerdem sei die Produktion drei mal teurer, als die von normalem Kunststoff und der Kunststoff weniger robust.
Dass sich die Preise für Rohstoffe im Februar vergangenen Jahres innerhalb von sieben Wochen verdoppelt haben, ist auch Jürgen Spletzer, Geschäftsleiter von Zeus Packeging in Rottenburg, noch gut in Erinnerung. Das Unternehmen mit mehreren Standorten weltweit beliefert Unternehmen aus Industrie, Handel und Gewerbe mit Verpackungsprodukten.
Was dabei vor allem zu Buche schlägt, ist die Logistik. "Das Granulat, also das Rohmaterial für zum Beispiel Kunststofffolie, kommt zum Beispiel aus Amerika oder Saudi Arabien", eso Spletzer. "Eine Fabrik in Portugal kauft es zu übersteigerten Preisen und macht Folie daraus. Dann exportiert die Firma ihre Folie nach Deutschland und packt den Zuschlag für die steigenden Energiekosten noch obendrauf. Dann landet die Folie bei uns im Lager. Der Transport dorthin ist aber auch teurer geworden", erkärt er, wie sich die steigenden Preise in der gesamten Lieferkette niederschlagen. "Die Preise für Containerfrachten haben sich in kurzer Zeit vervielfacht. Aber Rohstoffe, die weltweit gehandelt werden, kommen nun einmal auf Containern." Und dann sei da natürlich noch die Papierknappheit, die hinzukomme. Denn die Folie sei auf einen Pappkern aufgewickelt.
Preise noch nie so schnell gestiegen
Folie komme im Agrarbereich viel zum Einsatz. Aber Spletzers Arbeitgeber handelt auch mit Kartonage, die in der Herstellung massive Energiekosten verursache. "Einige Hersteller überlegen gerade, den Betrieb deswegen einzustellen", so Spletzer. "Es gab im Jahr 2021 europaweit nur noch drei Hersteller von Bierdeckel-Pappe", nennt er ein Beispiel. "Einer, der im Artal war, hat kürzlich aufgegeben. Die anderen beiden müssen das nun auffangen."
Ganz schlecht seien also Unternehmen dran, die nicht breit aufgestellt seien, was die Produktpalette angehe. Denen breche die schnelle, massive Preissteigerung als erstes das Genick. Der Firma Zeus gehe es noch recht gut, weil sie breit aufgestellt sei und Kunden aus der Pharmaindustrie habe. Und dennoch: "Man kommt nicht hinterher damit, die Preise anzupassen. Mit jedem Kunden muss man nachverhandeln. Und bis die die neuen Preise akzeptieren, kann es drei Monate dauern. In der Zwischenzeit droht den Unternehmen die Insolvenz." Schwankungen habe es immer gegeben, aber dass die Preise so schnell so drastisch steigen, sei neu. Und Spletzer sieht den Grund dafür nicht einzig in den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges.
"Es steckt auch viel Psychologie dahinter. Die Rohölpreise sind lange noch lange nicht auf einem Allzeithoch. 2009, in der Wirtschaftskrise, waren sie höher", erinnert sich der Geschäftsleiter. "Aber die Spritpreise sind jetzt auf einem Allzeithoch. Gut 50 Cent pro Liter teurer als damals." Der Rohstoffhersteller sage sich: Es wird sowieso alles teurer und wir müssen die Preise anheben. Warum also nicht gleich so stark, dass wir profitieren? Die Ausrede sei schließlich gegeben. "Die Global Players sind mit die Treiber der starken Preissteigerungen. Es gibt immer welche, die von Krisen profitieren. Ich bin mir sicher, dass die Erträge von Esso, Shell und Co. bald exorbitant steigen werden."