Recep Tayyip Erdoğan bietet sich im Nahost-Konflikt als Vermittler an. Foto: AFP/ADEM ALTAN

Vizekanzler Robert Habeck reist zu Gesprächen nach Ankara. Dabei wird es auch um die türkische Vermittlerrolle zwischen Israel und der Hamas gehen. Die Türkei will ihre guten Hamas-Kontakte nutzen.

Die türkische Regierung will ihre Kontakte zur Hamas nutzen, um westliche Geiseln freizubekommen. Sein Land sei bereit, zwischen der Hamas und Israel zu vermitteln, sagte Vizepräsident Cevdet Yilmaz vor einigen Tagen. Das gelte auch für einen Gefangenenaustausch. Yilmaz gehört zu den Gesprächspartnern von Vizekanzler Robert Habeck, der am Mittwoch zu einem dreitägigen Besuch in Ankara eintrifft. Offiziell soll es um Wirtschafts- und Klimafragen gehen, doch der neue Nahost-Krieg und das Schicksal der acht deutschen Hamas-Geiseln dürften ebenfalls zur Sprache kommen.

Hamas-Funktionäre in Istanbul

Kurz vor Habecks Besuch tauchen nun Hinweise auf enge Kontakte zwischen der türkischen Regierung und der Hamas auf. Hamas-Chef Ismail Haniyeh und andere führende Funktionäre der militanten Palästinensergruppe verfolgten den Beginn des Angriffes auf Israel am 7. Oktober nach türkischen und arabischen Medienberichten von der Türkei aus. Die türkische Internetplattform Medyafaresi meldete, Haniyeh habe sich mit anderen Hamas-Mitgliedern am Morgen des Angriffs bei einem Dankgebet in Istanbul filmen lassen. Die auf den Nahen Osten spezialisierte Internetseite Al-Monitor berichtete, die türkische Regierung habe Haniyeh und die anderen Hamas-Funktionäre daraufhin diskret gebeten, das Land zu verlassen. Ankara habe den Eindruck vermeiden wollen, die Hamas-Führung zu beherbergen, während ihre Kämpfer israelische Zivilisten massakrierten, berichtete die Nachrichtenplattform Middle East Eye.

Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützt die Muslim-Bruderschaft, eine internationale Bewegung des politischen Islam, zu der die Hamas gehört. Hamas-Mitglieder lebten in den vergangenen Jahren mit Billigung von Erdogans Regierung in der Türkei. Nun will der türkische Präsident seine Kontakte nutzen. Erdogan hat mehrfach mit israelischen, arabischen und westlichen Spitzenpolitikern telefoniert. Voriges Wochenende sprach er am Telefon mit Haniyeh über die türkischen Vermittlungsbemühungen.

Die westlichen Bitten um die Hilfe der Türkei in der Geisel-Frage seien für Erdogan eine Gelegenheit, „die Rolle zu spielen, der er sich erhofft hat“, kommentierte Al-Monitor. Der Präsident hatte im vergangenen Jahr als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine international Ansehen erworben.

Auch im neuen Nahost-Krieg ist Ankara ein wichtiger Ansprechpartner für westliche Staaten. Die Bundesregierung hatte vorige Woche die Türkei und Ägypten gebeten, bei der Freilassung der ausländischen Hamas-Geiseln zu helfen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach mit ihrem türkischen Kollegen Hakan Fidan, der als ehemaliger Geheimdienstchef gut vernetzt ist.

Erdogan sucht das Gespräch

Fidan bestätigte nach seinem Treffen mit Baerbock, dass die Türkei mit der Hamas über die Geiseln spricht: „Unsere Bemühungen, besonders um die Freilassung von Ausländern, Frauen und Kindern, gehen weiter“, sagte der türkische Minister bei einem Besuch im Libanon. „Eine Reihe von Ländern“ hätten die Türkei um Hilfe gebeten. Fidan besuchte in den vergangenen Tagen den Iran, den wichtigsten Unterstützer der Hamas, und traf Präsident Ebrahim Raisi.

Noch steht nicht fest, ob die Türkei bei der Hamas viel für die westlichen Gefangenen ausrichten kann. Bei der Freilassung von bisher vier Geiseln der Hamas wirkte Katar als Vermittler, nicht die Türkei. Die Regierung von Katar war zuversichtlich, dass bald auch andere Geiseln freikommen werden.

Dagegen gibt es zwischen der Türkei und der Hamas offenbar Spannungen. Die regierungsnahe türkische Zeitung „Hürriyet“ meldete, die türkische Regierung habe in ihren Gesprächen mit der Hamas die Massaker an israelischen Zivilisten kritisiert. Laut Al-Monitor beklagten sich Hamas-Vertreter, Ankara gehe in öffentlichen Äußerungen zu schonend mit Israel um. Sinem Adar, Türkei-Expertin bei der Stiftung Politik und Wissenschaft in Berlin, schrieb auf Twitter, der Einfluss der Türkei auf die Hamas werde überschätzt.

Habeck will am Mittwochabend in Ankara eintreffen und in der türkischen Hauptstadt an Tagungen einer Gemeinsamen Wirtschafts- und Handelskommission sowie eines Energieforums teilnehmen. Der Vizekanzler wolle mit Vizepräsident Yilmaz und türkischen Ministern auch über aktuelle Themen sprechen, erklärte sein Ministerium.