Matthias Kleinert war Vorsitzender bei der Gründung des deutsch-ukrainischen Forums. Es war 1999 ins Leben gerufen worden, um die deutsch-ukrainischen Beziehungen zu fördern. Foto: Lichtgut/Michael Latz

Ex-Daimler-Manager Matthias Kleinert war lange Jahre Vorsitzender des deutsch-ukrainischen Forums. Er warnt im Gespräch mit unserer Zeitung vor den Folgen für den Westen, wenn Putin gewinnt.

Herr Kleinert. Was bedeutet dieser Krieg für die deutsch-ukrainischen Beziehungen?

 

Die Beziehungen werden auf ukrainischer Seite durch verständliche Enttäuschung belastet. Aber sie werden gleichzeitig durch die große solidarische Bereitschaft der Deutschen auch wieder stabilisiert. Es hängt alles davon ab, ob ein Zeitpunkt kommt, an dem man wieder von einer sich selbst bestimmenden Ukraine reden kann. Wenn der Zeitpunkt nicht kommt, ist das nicht wiedergutzumachen. Dann hat Europa und der Westen einen Verlust hinzunehmen, den zu tragen auch wieder Folgen für die eigene Freiheit hier hat.

Inwiefern?

Wir werden immer eine beklemmende Atmosphäre in unserer Gesellschaft haben, weil immer diese Furcht besteht, es könne uns ähnlich gehen.

Welche Fehler hat die EU im Umgang mit Putin gemacht?

Ich glaube, man hat verkannt, dass sich unter der Regentschaft von Putin etwas aufgetan hat, was man immer verharmlost hat. Man hat nicht erkannt, dass hier ein Großmachtdenken existierte. Der Westen hat das, was eine wehrhafte Demokratie auch im Dialog mit anderen vertreten muss, versäumt.

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Welche Lehren ziehen Sie zu diesem frühen Zeitpunkt?

Für uns bleibt die Erkenntnis, dass man glaubwürdig eine wehrhafte Demokratie aufbauen muss. Bleiben wird auch, dass ein geschichtlicher Prozess, den man startet, nicht automatisch läuft, sondern dass man den immer und immer wieder im offenen und kritischen Dialog begleiten muss.

Hätte man das, was nun geschieht, denn vorhersehen können?

Bundeskanzler Helmut Kohl hat in einer Rede im Jahr 1996 der Ukraine einen „festen Platz in der Familie der freien europäischen Völker“ zugestanden. Niemand könne die Unabhängigkeit und Integrität der Ukraine infrage stellen, ohne zugleich die Stabilität und Sicherheit des ganzen europäischen Hauses infrage zu stellen, sagte er damals. Ich habe schon damals geglaubt, dass für uns daraus eine Verantwortung entsteht, diesen Prozess zu begleiten.

Was müssen Deutschland und die EU nun für die Ukraine tun?

Wenn dieser brutale Angriffskrieg überstanden sein sollte, muss die Hilfe, die jetzt menschlich gegeben wird, in eine Aufbauhilfe in allen Bereichen übergehen.