In den fünf Landkreisen rund um die Landeshauptstadt Stuttgart werden am Sonntag die Kreistage und die Gemeinderäte neu gewählt. Foto: Archivfoto

Vor allem über zwei Bereiche wird vor der Wahl am Sonntag in den fünf Landkreisen der Region heiß diskutiert: Es geht um umstrittene Groß-Krankenhäuser und um Stillstand im Straßenbau.

Vor allem über zwei Bereiche wird vor der Wahl am Sonntag in den fünf Landkreisen der Region heiß diskutiert: Es geht um umstrittene Groß-Krankenhäuser und um Stillstand im Straßenbau.

Esslingen

Aktuell dreht sich im Kreis Esslingen viel um den geplanten Zusammenschluss der Kreiskliniken mit dem Klinikum der Stadt Esslingen. Die Pläne sind nicht vom Tisch, auch wenn das Kartellamt die Fusion ver-boten hat – in Sachen Großklinikum hinkt der Landkreis hinterher. Aber nur in diesem Punkt. Entlang der Neckarschiene und auf den Fildern stehen viele florierende Unternehmen, die Branchen sind vielfältig und beschränken sich längst nicht mehr auf Automobil- und Maschinenbau. Kein Wunder, dass der Siedlungsdruck extrem und die Immobilienpreise besonders hoch sind. Die Autofahrer in einem der am dichtesten besiedelten Landkreise der Republik kämpfen regelmäßig mit dem Verkehrskollaps.

Auf der Autobahn, der B 10 und B 27 stehen die Räder häufig still. Enttäuschend deshalb für viele, dass der versprochene sechsspurige Ausbau der B  27 keine Priorität mehr hat. Trotz der zunehmenden Versiegelung dient die abwechslungsreiche Landschaft von Schurwald bis Schönbuch vielen Menschen – auch aus Stuttgart – als Naherholungsraum. Fast die Hälfte der Markungsfläche steht unter Natur- oder Landschaftsschutz. An Selbstbewusstsein jedenfalls mangelt es dem Landkreis Esslingen nicht: Landrat Heinz Eininger porträtiert ihn oft so: „Wir sind zwar nicht der Nabel der Welt, liegen aber dicht daneben.“

Böblingen

Auch dem Kreistag von Böblingen bescheren seine Krankenhäuser eine bewegte Zeit. Das liegt vor allem daran, dass der Klinikverbund Südwest, den er 2006 zusammen mit der Stadt Sindelfingen und dem Landkreis Calw gegründet hat, alles andere als schwarze Zahlen schreibt. Mehr als 20 Millionen Minus allein 2013 setzen die Sparpolitik im Bereich der Krankenhäuser Böblingen, Sindelfingen, Leonberg und Herrenberg automatisch nach oben auf der Tagesordnung.

Seit dem vergangenen Jahr setzt der Kreistag immer mehr auf eine neue Großklinik mit bis zu 800 Betten auf dem Flugfeld mit abgespeckten Außenstellen in Leonberg und Herrenberg. Insbesondere im nördlichen Landkreis schlagen die Wogen seitdem hoch, auch nachdem das Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus den Flirt mit Leonbergs OB Bernhard Schuler beendet hat. Die Kliniken werden den Kreistag auch über die kommende Amtszeit hinaus beschäftigen.

Das wird beim größten Straßenbauprojekt ebenso der Fall sein: Der sechsspurige Ausbau der A 81 zwischen Böblingen-Hulb und Sindelfingen-Ost mit 850-Meter-Einhausung dort, wo die Wohnbebauung nahe an die Autobahn reicht, liegt seit 2007 auf Eis. Aktuell lässt die Unterzeichnung der Finanzierungsvereinbarung für den 68-Millionen-Euro-Deckel auf sich warten, die eigentlich seit Dezember in trockenen Tüchern ist. Hier ist der Landkreis mit 7,4 Millionen dabei und spricht folglich auch ein gewichtiges Wörtchen mit.

Das größte ÖPNV-Projekt, das ansteht, ist die Elektrifizierung der Schönbuchbahn, die allerdings noch im Stadium der frühen Planung ist. Außerdem geht es um die Reaktivierung der Schwarzwaldbahn zwischen Calw und Weil der Stadt oder Renningen, die vom Landkreis Calw vehement vorangetrieben, vom Kreis Böblingen und dem Verband Region Stuttgart jedoch kritisch betrachtet wird.

Ludwigsburg

Vom Wohl und Wehe seiner Autozulieferer und Maschinenbauer lebt der Landkreis Ludwigsburg, der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen hat den Nordwesten der Region zum mit über 520 000 Menschen einwohnerstärksten Landkreis im Speckgürtel von Stuttgart gemacht. Eine Folge der immer dichter werdenden Besiedlung ist , dass der Verkehr zu den wichtigsten politischen Themen zählt: Die Freigabe der Standspur auf der A 81, der Berufsverkehr auf der B 27 und die fehlende Querverbindung in den Rems-Murr-Kreis brennen ebenso auf den Nägeln wie der Lärmschutz und der Zwang, mit Umweltzonen auf die Feinstaubbelastung zu reagieren.

Apropos Verkehr: Nach „LEO“ für den Altkreis Leonberg und dem für Backnang geltenden „BK“ kehrt wohl auch im Kreis Ludwigsburg eine altbekannte Buchstabenkombination auf die Auto-Nummernschilder zurück: Vermutlich nach der Sommerpause werden wieder Autos mit dem Kennzeichen „VAI“ für den Altkreis Vaihingen unterwegs sein. Der Landkreis tat sich lange schwer, die Rückkehr zur alten Nummer zu unterstützen. Erst nach und nach setzte sich im starken bürgerlichen Block die Erkenntnis durch, dass das alte Kennzeichen nicht an der Identität kratzt.

Rems-Murr-Kreis

Seit der von der damaligen Landesregierung verfügten Fusion der Altkreise Backnang und Waiblingen zum neuen Rems-Murr-Kreis vor 41 Jahren fühlt sich der nördliche Bereich immer mal wieder über den Tisch gezogen. Erst vor wenigen Tagen beklagte ein Leserbriefschreiber in der „Backnanger Kreiszeitung“, dass man die „Remstalübermacht“ nicht weiter akzeptieren könne und „endlich mal richtig auf den Putz hauen“ müsse.

Vor allem der baldige Verlust des Krankenhauses hat die Bürger im Raum Backnang bis nach Großerlach und Spiegelberg schwer getroffen. Dass nun nach mehrfachen Wasserschäden die neue Kreisklinik in Winnenden mit Verzögerung erst im Juli eröffnet wird, zudem fast 300 Millionen Euro kostet und außerdem das Defizit der bestehenden Krankenhäuser auf 30 Millionen Euro pro Jahr angewachsen ist, sorgt für weiteren Zündstoff. Kein Wunder, dass sich das seit Dezember 2013 wieder eingeführte BK-Kennzeichen im Backnanger Raum durchaus großer Beliebtheit erfreut – OB Frank Nopper fährt mit BK – WN 1 durch die Gegend.

Ebenso wenig Begeisterung löst aus, dass der weitere Ausbau der B 14 von Nellmersbach nach Backnang in weite Ferne gerückt ist. Trotz diverser Scharmützel ist die Atmosphäre im Rems-Murr-Kreistag zumeist recht sachlich. Interessant wird sein, wer diesmal Stimmenkönig wird: Neben dem Waiblinger OB Andreas Hesky (Freie Wähler) und seinem Backnanger Amtskollegen Frank Nopper (CDU) soll nun erstmals auch der Schorndorfer OB Matthias Klopfer für die SPD Stimmen sammeln. Eine wichtige Aufgabe des neuen Kreistags ist die Wahl des Nachfolgers von Landrat Johannes Fuchs (FDP), der demnächst 64 wird.

Göppingen

Der Landkreis Göppingen ist der einzige in der Region Stuttgart, der nicht über die S-Bahn an den VVS angebunden ist. Die Verlängerung der S 1 bis Geislingen war 2009 noch das große Ziel von Landrat Edgar Wolff. Jetzt hat dieser Traum einen Dämpfer bekommen. Eine aktuelle Studie des Regionalverbands sieht keine Wirtschaftlichkeit für die Linie. Allerdings gelten inzwischen VVS-Tageskarte und -Studiticket – der Kreis Göppingen rückt dadurch sozusagen näher an seine Nachbarn heran.

Die beäugen inzwischen mit Interesse die erfolgreichen Anstrengungen, als touristisches Ziel zu punkten. Mit seinen Kurorten Bad Boll, Bad Ditzenbach und Bad Überkingen ist der Kreis längst Anlaufstelle für Erholungssuchende und Reha-Patienten. Jetzt wirbelt die Erlebnisregion Schwäbischer Albtrauf und rückt die landschaftliche Schönheit noch mehr in den Fokus. Der einst für seine an der Fils gelegenen Industriebetriebe bekannte Landkreis hat jetzt eine ganz andere Nische gefunden und baut die Themen Gesundheit, Naturprodukte, Freizeit und Tourismus aus. Für Radfahrer sind eine Reihe attraktiver Routen geschaffen worden.