"Letzte Nachricht?" lautet die Frage, mit der Sigmund Villing (von links), Leiter Straßenmeisterei Schramberg, Klaus Geisen, ehrenamtlicherMitarbeiter, Ewald Ulmschneider, Leiter Straßenmeisterei Rottweil, Artur Rieger, Vorsitzender Kreisverkehrswacht Rottweil, und Ulrich Effenberger, Leiter Polizeirevier Oberndorf, auf das Thema Ablenkung aufmerksam machen wollen. Foto: Seiss

Warnschilder am Straßenrand sollen zum Überdenken des eigenen Verhaltens anregen.

Kreis Rottweil - Vor der Epfendorfer Volksbank steht eine Polizeistreife. Eine Autofahrerin – sie hat ihr Handy am Ohr – fährt vorbei. Als sie später angehalten wird, gibt sie zu, dass ihr die kontrollierenden Beamten nicht aufgefallen sind. Das kann fatale Folgen haben.

Immer wieder sieht man sie: Autofahrer, die mit dem Smartphone in der Hand telefonieren oder den Blick auf den kleinen Bildschirm gerichtet haben, um "schnell" eine Nachricht zu schreiben. Ihre Aufmerksamkeit gilt nicht dem Straßenverkehr, sondern der Freundin, dem Bruder oder gar dem Chef. Dabei sollte die volle Aufmerksamkeit dem Geschehen auf der Straße gelten, um Unfällen vorzubeugen.

Denn wer selbst eine Polizeistreife nicht sieht, wird auch kaum ein Kind wahrnehmen, das unvermittelt auf die Straße läuft, befürchtet Ulrich Effenberger, Leiter des Polizeireviers Oberndorf. "Was da passieren kann, ist ja klar", stellt Artur Rieger, Vorsitzender der Kreisverkehrswacht Rottweil trocken fest.

"Uns allen ist die Verkehrssicherheit ein Anliegen", betont Rieger. Bereits vor über 20 Jahren, 1997, kam die Idee, den Verkehrsteilnehmern mithilfe von eigenen Warnschildern eine Art Spiegel vorzuhalten, sie auf ihr Verhalten im Straßenverkehr aufmerksam zu machen. Und zwar mit menschlich-ethischen Motiven, schildert Klaus Geisen, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Projekts. "Es geht um das menschliche Grundverhalten", erklärt er, "darum zu überlegen: Was mache ich da?"

Seither haben sich Vertreter von Kreisverkehrswacht, Polizei und Straßenmeisterei, bis 2014 auch das Religionspädagogische Institut Rottweil, elf Motive für Warnschilder einfallen lassen. Im Streifenwagen geht es dann zum neusten Motiv: Es befasst sich mit dem Thema Ablenkung. "Ablenkung wird als Unfallursache oft unterschätzt", schildert Rieger auf dem Weg. Das Schild steht an der Bundesstraße  462 zwischen Zimmern/Autobahnanschlussstelle Rottweil und Dunningen Mitte. "Letzte Nachricht?", fragen leuchtend rote Buchtaben.

Zu sehen ist die Situation aus Sicht eines Fahrers, der bei Tempo 120 eine Nachricht schreibt. Ein Auto kommt entgegen. "Mögliche Folgen dieser Ablenkung sind auf dem Bild und im Titel angedeutet: Das eigene Leben und das anderer stehen auf dem Spiel", fasst Geisen die Intention zusammen.

Unfallrisiko steigt durch das Schreiben von Textnachrichten am Steuer um das 23-fache

Laut Europäischem Verkehrssicherheitsrat steigt das Unfallrisiko durch das Schreiben von Textnachrichten am Steuer um das 23-fache. Eine einfache Rechnung macht deutlich, wie gefährlich die Ablenkung durch das Smartphone beim Autofahren wirklich ist. "Nur zwei Sekunden bei Tempo 50 aufs Handy zu blicken, bedeuten 28 Meter im Blindflug", liest Rieger aus einer Statistik vor. Bei Tempo 100 entsprechen zwei Sekunden Ablenkung sogar über 50 Meter zurückgelegter Strecke im Blindflug. Nicht zu vergessen bleibt dabei, dass beim Erkennen einer Gefahrensituation nach dem "Blindflug" zusätzliche Zeit zum Reagieren eingerechnet werden müsse.

An ausgewählten Standorten, an denen es in den vergangenen Jahren häufig zu Unfällen kam, sind die Schilderpaare aufgestellt.

Fünf davon sind es derzeit im Landkreis Rottweil. Neben dem Motiv "Letzte Nachricht?", gibt es weitere an der B  27 zwischen Rottweil und Deißlingen sowie ebenfalls an der B  27 zwischen Rottweil und Schömberg. Aufgrund von Unfallhäufungen hat die Straßenmeisterei auch an der Landesstraße  410 zwischen Dornhan und Bettenhausen sowie an der Kreisstraße  5545 zwischen Wellendingen und Neufra Fundamente für die Schilderpaare gelegt und diese dort in beide Fahrtrichtungen aufgestellt.

Mit im Boot ist mittlerweile auch der Landkreis Tuttlingen. Auf dem Autobahnanschluss der B  523 zwischen Tuttlingen und Tuningen beziehungsweise Schwenningen kam es ebenfalls immer wieder zu schweren Unfällen. "Die Straßenmeisterei in Spaichingen hat die Schilder schon. Es müssen nur noch die Standorte festgelegt werden", erklären Ewald Ulmschneider, Leiter Straßenmeisterei Rottweil und Sigmund Villing, Leiter Straßenmeisterei Schramberg. Geplant sei, so die fünf Männer, künftig weitere Motive zu entwickeln, die zum Nachdenken und Überdenken des eigenen Verhaltens anregen sollen. Jedes Jahr werden die Motive an den entsprechenden Standorten ausgetauscht, um einer Abstumpfung vorzubeugen.

6003 Handyverstöße registriert das Polizeipräsidium Tuttlingen im Jahr 2017

Von den Fahrern auf der B 462 hat an diesem Vormittag keiner ein Handy in der Hand. Dass Ablenkung im Straßenverkehr ein dauerhaft präsentes Thema ist, belegt Rieger daher mit aktuellen Zahlen: Allein in den Monaten Januar und Februar dieses Jahres seien bei gezielter Überwachung der Verkehrspolizei im Landkreis Rottweil rund 130 Handyverstöße festgestellt worden. Im vergangenen Jahr seien im Polizeipräsidium Tuttlingen, das für die Landkreise Rottweil, Tuttlingen, Schwarzwald-Baar-Kreis, Freudenstadt und Zollernalbkreis zuständig ist, 6003 Handyverstöße registriert worden. "Das sind pro Stunde mindestens zwei bis drei Verstöße", bricht Rieger die Anzahl herunter. »Wenn man das hochrechnen würde«, weist er auf die unbekannte Dunkelziffer hin.

Wie passend also, dass auf dem Weg zurück in die Redaktion ein Passant mit Handy in der Hand und den Blick nach unten auf den Bildschirm gerichtet über den Zebrastreifen läuft. Und zwar nicht gerade, sondern in Richtung des Kreisverkehrs driftend. Wie die Männer der Verkehrswacht bereits sagten: "Das Ganze kann nur funktionieren, wenn es in den Köpfen der Menschen ankommt." In diesem Fall: Das Handy im Straßenverkehr zu benutzen ist kein Kavaliersdelikt. Das verdeutlichen nicht zuletzt die neuen Regelsätze im Bußgeldkatalog.