Kreis Rottweil - Wenn es um die Wahl der richtigen weiterführenden Schule geht, hat Schulamtsdirektor Günter Herz durchaus Vertrauen in die Eltern: "Ich bin sicher, dass jeder bestrebt ist, die richtige Entscheidung zu treffen". Doch er warnt auch davor, über das Ziel hinaus zu schießen.

An 53 Grundschulen im Landkreis Rottweil stehen in diesen Tagen die Empfehlungsgespräche für die Eltern der Viertklässler an. "Die Beratung erfolgt qualifiziert", betont Günter Herz, der Direktor des Staatlichen Schulamts Donaueschingen. Und die Erfahrung habe gezeigt, dass die Eltern das Ergebnis dieser Gespräche ernst nehmen – auch wenn die Entscheidung letztlich ganz bei ihnen liegt. "Die Bandbreite von Möglichkeiten ist mittlerweile enorm", räumt Günter Herz ein, der jedoch im Hinblick auf den Wunsch aller Eltern, das "Beste" zu tun, vor übersteigerten Erwartungen an das eigene Kind warnt: "Wenn Kinder durch die Schulwahl in eine Überforderung hineingeraten, kann das Schaden anrichten", so der Schulamtsdirektor. Frühe Misserfolge wirkten sich auf das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen und die eigene Identität überaus negativ aus. "Das kann einen Knacks geben, der später nur durch viel pädagogische Arbeit wieder behoben werden kann", sagt Herz.

"Die Bandbreite von Möglichkeiten ist mittlerweile enorm"

Er rät Eltern deshalb, nicht aus dem Blick zu verlieren, dass gerade auch die Werkrealschulen mit hervorragende pädagogische Konzepten arbeiten – und sehr differenzierte Anschlussmöglichkeiten bieten. "Ich verwahre mich dagegen, dass ein Abschluss ein Ende der Biografien darstellt". Soll heißen: Einem Werkrealschulabsolventen stehen danach viele weitere Türen offen.

Sandra Huß aus Rötenberg: "Wir haben mit den Lehren unseres Sohnes Marvin schon im Dezember des vergangenen Jahres das Gespräch darüber geführt, welche weiterführende Schule für ihn in Frage kommt. Damit wurde unsere Einschätzung bestätigt, dass Marvin auf das Gymnasium gehen wird. Für uns war klar: Wir legen sehr großen Wert darauf, wie die Lehrer die schulische Leistung unseres Sohnes beurteilen, schließlich erleben sie ihn jeden Tag im Unterricht. Mit dem Thema Gemeinschaftschule haben wir uns deshalb nicht beschäftigt. Jetzt müssen wir uns noch zwischen dem Gymnasium in Alpirsbach und dem in Schramberg entscheiden."

Eine Umfrage des Kultusministeriums bei den Schulämtern im Land hat ergeben, dass Grundschulempfehlungen für das Gymnasium oder die Realschule fast immer von den Eltern befolgt werden, während eine Empfehlung für die Haupt- oder Werkrealschule oft auf geringere Akzeptanz stößt.

Werkrealschulabsolventen stehen viele weitere Türen offen

Viele Werkrealschulen im Kreis versuchen, dem Trend mit vielen Informationen und tollen Angeboten weit über das geforderte Maß hinaus entgegenzuwirken. Vielerorts geben Schnuppertage den Eltern in den nächsten Wochen Gelegenheit, sich vor Ort zu informieren. Und schon in der Einladung wird da manchmal deutlich, in welcher Situation sich die Schulart befindet: "Es gibt uns noch: Die bewährte Werkrealschule, in der niemand auf der Strecke bleibt", wirbt beispielsweise die Werkrealschule Bösingen um Fünftklässler.

Neu im Rennen sind die beiden Gemeinschaftsschulen im Kreis, Schramberg und Dunningen, die ihrerseits Vorbehalte gegen das neue Unbekannte ausräumen müssen. Doch Schulamtsdirektor Herz weiß, dass sich die Kollegien intensiv auf die neue Herausforderung vorbereitet haben. Nicht zuletzt seien vor der Genehmigung alle Konzeptbereiche wie die differenzierten Lernangebote, die konkrete pädagogische Arbeit, die Umsetzung der geforderten Inklusion und die des Ganztagsangebots auf Herz und Nieren geprüft worden. "Die Lehrer haben sich außerdem durch freiwillige Fortbildungen umfassend vorbereitet", so Herz.

An der neuen Gemeinschaftsschule in Dunningen, der Eschachschule, spricht man denn auch von "Aufbruchsstimmung" und einem starken Korpsgeist. Dennoch stellt man auch hier fest, dass bei vielen Eltern trotz aller Information noch recht "diffuse Vorstellungen" herrschen, wie die Gemeinschaftsschule in der Praxis aussehen wird. Den Anmeldezahlen sieht die Schulleitung gespannt entgegen. Das erste Jahr jedoch sei mit Sicherheit "nicht repräsentativ".

Eine Prognose für die diesjährigen Zahlen kann und will auch Schulamtsdirektor Günter Herz nicht abgeben. Dafür gebe es einfach zu viele Variablen. Im Landkreis Rottweil stehen 1272 Entscheidungen an – genau so viele Viertklässler gibt es. Man darf gespannt sein. Doch eins steht jetzt schon fest: Die Gymnasien müssen sich über zu geringe Anmeldezahlen wohl keine Gedanken machen. 

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- Weiterführende Schulen im Kreis Rottweil Teil 1

- Weiterführende Schulen im Kreis Rottweil Teil 2

Seite 2: Wie geht’s weiter? Stimmen von Eltern

Markus Fischinger, Klassenlehrer einer vierten Klasse in Vöhringen, schildert seine Sicht: "Die Eltern begrüßen die Schulwahl. Jedoch sind sie gegenüber der letztjährigen Euphorie vorsichtiger geworden. Sie wägen genauer ab. Nach wie vor nehmen Eltern die Empfehlung an, jetzt aber als Richtwert."

Eine Mutter aus Vöhringen meint: "Grundsätzlich ist es positiv, dass die Eltern entscheiden können. Man hat jetzt mehr Möglichkeiten. Durch die Erfahrung mit meinen anderen Kindern kann ich sagen, dass die Grundschulempfehlung immer richtig war. Das Beratungsgespräch mit den Lehrern habe ich als sehr hilfreich empfunden. Wir zu Hause sehen das Kind von anderer Seite als die Lehrer in der Schule. Aber beide Beobachtungen zusammen ergeben ein realistisches Bild. Unser Kind hat ADS, deshalb ist für uns wichtig, wo fühlt sich unser Kind am wohlsten und wo wird es am besten gefördert, das kann auch die Werkrealschule sein.

Eine weitere Mutter aus Vöhringen ergänzt: "Unser Kind ist ein ›Kann-Kind‹, das heißt von den Noten her liegt es an der Grenze zwischen Realschule und Gymnasium. Im Beratungsgespräch ist uns wichtig, was ausschlaggebend ist für die Note. Könnte es dem Gymnasium gerecht werden oder ist es überfordert? Zu Hause vergleichen wir mit der älteren Schwester, die auf das Gymnasium geht. Wir beobachten unser Kind genau. Kritisch sehen wir die großen Klassen. Wir haben noch keine Entscheidung getroffen, denn wir wollen unser Kind mit seinem Wunsch miteinbeziehen.

Anja Flakowski aus Aichhalden: "Unsere zehnjährige Tochter Elisa besucht momentan die vierte Klasse der Grundschule der GWRS Aichhalden. Wir haben uns dafür entschieden, dass sie nach den Sommerferien in die fünfte Klasse des Gymnasiums kommt. Elisa hat sehr gute Noten in der Schule, auch Elisas Lehrer haben uns bestätigt, dass sie aufs Gymnasium gehört. Diese Lehrereinschätzung war uns sehr wichtig. Das Konzept der Gemeinschaftsschule finde ich prinzipiell sehr gut, aber ob sich die Theorie auf den Schulalltag übertragen lässt, bleibt abzuwarten."

Sandra Huß aus Rötenberg: "Wir haben mit den Lehren unseres Sohnes Marvin schon im Dezember des vergangenen Jahres das Gespräch darüber geführt, welche weiterführende Schule für ihn in Frage kommt. Damit wurde unsere Einschätzung bestätigt, dass Marvin auf das Gymnasium gehen wird. Für uns war klar: Wir legen sehr großen Wert darauf, wie die Lehrer die schulische Leistung unseres Sohnes beurteilen, schließlich erleben sie ihn jeden Tag im Unterricht. Mit dem Thema Gemeinschaftschule haben wir uns deshalb nicht beschäftigt. Jetzt müssen wir uns noch zwischen dem Gymnasium in Alpirsbach und dem in Schramberg entscheiden."

Sybille Braitsch aus Aichhalden: "Welche weiterführende Schule unser neunjähriger Sohn Laurin besuchen wird, haben wir noch nicht entschieden. Im März wollen wir die jeweiligen Informationsveranstaltungen der Realschule und des Gymnasiums besuchen, zwischen diesen beiden werden wir uns dann entscheiden. Die Gemeinschaftsschule kam für uns nicht in Frage, weil wir nicht wollten, dass Laurin an drei Nachmittagen in die Schule muss. Wenn sich die Frage nach einer weiterführenden Schule in zwei Jahren für unsere Tochter stellt, wollen wir uns mit dem Thema Gemeinschaftsschule intensiver beschäftigen. Denn dann liegen auch Erfahrungswerte vor, ob sich das Konzept in der Praxis bewährt hat."

Andreas Pfaff aus Schramberg: "Unser Sohn Simon ist Viertklässler der Berneckschule und gehört zu den besten Schülern der Klasse. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, dass er das Gymnasium besuchen wird, auch wenn wir die Einführung des G8 und den damit erhöhten Leistungsdruck für die Schüler skeptisch sehen. Simons Klassenlehrerin hat uns in unserer Einschätzung bestätigt und uns den Besuch des Gymnasiums nahegelegt. Seine sehr guten Noten stimmen uns zuversichtlich. Aus Interesse und Neugier haben wir die Informationsveranstaltung besucht, während der die Gemeinschaftsschule vorgestellt wurde, die Entscheidung über die weiterführende Schule hatten wir da aber schon getroffen. Dieses Modell muss sich erst in der Praxis bewähren."

Kerstin Reßin aus Rottweil: "Unsere Tochter wird auf jeden Fall ein Gymnasium besuchen. Sie würde gerne auf das Leibniz-Gymnasium gehen, hat es sich aber noch nicht angeschaut. Ihre Noten sind gut, und mir persönlich ist ein höherer Schulabschluss auch wichtig. Auf eine Gemeinschaftsschule würde ich meine Tochter auf gar keinen Fall schicken, denn das kann doch niemals funktionieren. Die stärkeren Schüler bleiben auf der Strecke, und die schwächeren werden noch schwächer. Es gibt bisher kein ordentliches Konzept und ohne mehr Lehrer wird das mit der individuellen Förderung nicht funktionieren."

Birgit Marte aus Dunningen: "Meine Tochter hat schon vor längerer Zeit den Wunsch geäußert, das Leibniz-Gymnasium in Rottweil besuchen zu dürfen. Das liegt daran, dass sie mathematisch sehr interessiert ist. Von der Begabung her war das nie ein Thema, sie hat eine Gymnasialempfehlung erhalten, und der Wunsch ist deshalb auch realistisch. Wenn sie auf die Realschule hätte gehen wollen, wäre auch die neue Gemeinschaftsschule in Dunningen infrage gekommen, so aber haben wir uns zugunsten des Gymnasiums entschieden."

Sabine Schlechta aus Rottweil: "Meine Tochter Emily wird nach der Grundschule auf das Droste-Hülshoff-Gymnasium gehen. Das hat sie sich selbst ausgesucht. Der Notendurchschnitt ist gut, und sie hat auch die Gymnasialempfehlung erhalten. Wenn die Lehrer eine andere Schulart, etwa die Realschule, empfohlen hätten, hätten wir uns aber daran gehalten. Ich denke auch, dass meine Tochter gut auf dem G8 zurechtkommen wird. Das Prinzip der Gemeinschaftsschule finde ich nicht schlecht, weil es für die Schüler nach der Mittelstufe einfacher ist, auf ein Gymnasium zu wechseln. Emily besucht die Grundschule Göllsdorf, wo die ersten beiden Klassen gemeinsam unterrichtet werden; das hat ja auch gut geklappt."