Tanken hinterm eigenen Haus: Die Zahl der Elektrofahrzeuge im Kreis steigt, ist bislang aber im Marginalen – noch? Foto: Rath

Aktuell sind 241 rein elektrisch betriebene Fahrzeuge im Kreis zugelassen. Handel rechnet mit Wandel.

Kreis Freudenstadt - Klimaschutz, Verkehrswende, Elektromobilität – das Paket prägt derzeit die politische Debatte. Wie sieht es im Landkreis Freudenstadt aus? Die Zahl der "Stromer" auf den Straßen zwischen Neckar, Kinzig, Nagoldtalsperre und Schwarzwaldhochstraße steigt – aber in sehr homöopathischen Dosen. Experten glauben, dass sich das bald ändert.

241. Das ist die Summe aller rein elektrisch betriebenen Fahrzeuge, ob mit zwei oder vier Rädern, die zum Stichtag 4. November beim Landratsamt Freudenstadt zugelassen waren. Zum Vergleich: Im Dezember 2016 betrug die Anzahl der Elektrofahrzeuge im Kreis noch 91, und sie steigt seither stetig. "Der Trend zum reinen Elektroantrieb nimmt daher zu", folgert das Landratsamt.

Das Plus von 265 Prozent in knapp drei Jahren kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Stromer" noch Exoten sind, wenngleich das Netz öffentlicher Ladestationen allmählich wächst. Denn im gleichen Zeitraum sind auch die Gesamtzulassungszahlen im Kreis gestiegen, von 91 303 auf aktuell rund 97 500 Kraftfahrzeuge. Macht einen aktuellen Anteil von 0,25 Prozent von batteriebetriebenen Autos und Motorrädern.

Das wird sich schon bald ändern, glaubt Holger Eberle. Er ist Spartenleiter Vertrieb neue Automobile und Vertrieb an Großkunden BMW/Mini bei der AHG Autohandelsgesellschaft in Horb, größter Fahrzeughändler der Region. "Die Bedürfnisse und Ansprüche der Menschen an Mobilität verändern sich", so Eberle. Elektromobilität und digitale Transformation sind für ihn die Stichworte. Dies stelle bisherige Konzepte und Geschäftsmodelle infrage. Die AHG, die als Verbund zu den zehn größten Händlern in Deutschland zählt, sehe sich deshalb als "Mobilitätsdienstleister" und wolle "den Weg konsequent mitgehen".

Ganz neue Lehrinhalte

Mit dem Bau eigener Ladestationen im gesamten Geschäftsgebiet wolle die Gesellschaft die Elektromobilität vorantreiben. Auch das eigene Personal macht die AHG fit. Ausgebildet werden mittlerweile auch Kfz-Mechatroniker in der Fachrichtung System- und Hochvolttechnik. E-Fahrzeuge stellten ganz neue Anforderungen an Komponenten und Systeme, und damit auch an Service- und Werkstattpersonal.

"Wir befinden uns aktuell in einer Markthochlaufphase", sagt der Vertriebschef, "die Weichen für einen erfolgreichen Einstieg in den Massenmarkt der Elektromobilität sind grundlegend gestellt." Er erwartet für die nächsten Jahre eine Modelloffensive der Hersteller, mit reinen Stromern und Plug-in-Hybriden.

Aktuell ist die breite Masse der Autokäufer offenbar noch skeptisch. Die AHG rechnet für 2019 mit einem Absatz von rund 5700 BMW-Neufahrzeugen, davon etwa 390 Stromer (sieben Prozent). John-Paul Wackenhut, Filialleiter Verkauf bei der AHG, beschreibt die Stimmung der Kundschaft so: Es gebe durchaus gezielte Nachfragen nach reinen E-Fahrzeugen, aber es seien vergleichsweise wenige. Höher sei das Interesse an Hybrid-Fahrzeugen, also Verbrenner mit kombiniertem E-Antrieb. "Aufgrund der hohen Anschaffungskosten fällt die Entscheidung letztlich in der Regel für ein Hybrid-Fahrzeug", sagt Wackenhut. Hauptsächlich Firmenkunden interessierten sich für E-Fahrzeuge. Bei der Alltagstauglichkeit setze oft nicht das Fahrzeug die Grenzen, sondern die Ladeinfrastruktur. Für wen sich ein Stromer lohne, müsse jeder anhand seines "Mobilitätsprofils" selbst ausrechnen. Aber lange eingeübte Verhaltensmuster lösen sich offenbar auch nicht über Nacht auf. Ein Autokauf sei nach wie vor "eher eine emotionale Entscheidung, weniger eine wirtschaftliche".

Holger Eberle geht davon aus, dass sich die Gewichte weiter verschieben, denn ohne Elektrofahrzeuge ließen sich die Klimaziele nicht erreichen. Dass es rein auf die Batterietechnik hinausläuft, glaubt er nicht. "Die Hersteller werden weiterhin an alternativen Antrieben wie Wasserstoff und der Brennstoffzelle arbeiten, um diese künftig in einen Massenmarkt zu bringen", so Eberle. "Der konventionelle Antrieb durch Verbrenner-Motoren wird aber dennoch nicht ersatzlos gestrichen werden können und uns weiterhin erhalten bleiben."

Interview: Ein ganz anderes Fahren

Kreis Freudenstadt - Ernst Wolf, Ingenieur und Unternehmer aus Freudenstadt, ist bekennender Anhänger von Elektroautos. Seit drei Jahren hat er einen Stromer und spult damit jährlich 11 000 Kilometer ab. Er kennt die Vorzüge – und die Nachteile.

Sie haben sich ein E-Fahrzeug angeschafft. Was gab den Ausschlag dafür?

Die "Einstiegsdroge" war für mich ein Hybrid. Da bin ich mal im Ausland mit einem Taxi mitgefahren, und die Technik hat mich sofort interessiert. Dann habe ich mir einen Hybrid gekauft und schnell einen sportlichen Ehrgeiz entwickelt, möglichst viel Strecke elektrisch zurückzulegen. Das macht echt süchtig. Seit drei Jahren habe ich ein reines E-Fahrzeug und bin total begeistert. Die Beschleunigung ist eine ganz andere, das ist überhaupt ein völlig anderes Fahren. Mein Auto hat einen sogenannten Range-Extender, einen Reichweiten-Verlängerer, einen Zwei-Zylinder-Verbrennermotor mit einem Neun-Liter-Tank. Der rettet einen im Notfall und bringt einen heim. Leider ist der Range-Extender nicht mehr im Angebot, sonst hätte ich mir schon ein neues Auto gekauft. So fahre ich halt den alten weiter.

Wo und wie setzen Sie den Wagen ein?

Ich würde sagen, für 80 Prozent aller Fahrten. Gut, der Kofferraum ist klein, und es passen maximal vier Leute rein. Aber die Kinder sind ja aus dem Haus.

Aus Sicht eines Geschäftsmanns: Ab wann lohnt sich ein E-Auto?

Ich bin der Meinung, finanziell lohnt es sich heute schon durch die Prämien, die es gibt. Genau ausgerechnet habe ich das aber nicht. Mittlerweile gibt es auch günstige E-Modelle. Aber wenn ich mich auf den Straßen und Parkplätzen so umschaue, habe ich ohnehin nicht den Eindruck, dass ökonomische Vernunft das Argument für die breite Masse beim Autokauf ist.

Ist der Wagen alltagstauglich?

Für meine Zwecke schon. Zumindest weitestgehend. Ein Drittel aller Autos ist täglich nur auf Kurzstrecke unterwegs. Da ist ein E-Antrieb meiner Meinung nach besser. Wäre ich Vertreter und müsste täglich 300 Kilometer fahren, würde ich mir einen Diesel anschaffen. Mit der Reichweite wird es bei der Elektromobilität schwierig. Ich halte auch nichts davon, Riesen-Akkus mit 700 Kilometern Reichweite einzubauen.

Klappt das auch im harten Schwarzwälder Winter?

Ich habe noch keine Probleme festgestellt. Allerdings lade ich mein Auto langsam und damit akkuschonend über Nacht. Was Schnellladetechnik angeht, sind noch viele Fragen offen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile?

Ein E-Auto macht Spaß, und es fühlt sich gut an, für den Range-Extender an der Tankstelle den Tank für zehn Euro vollzumachen. Der Wartungsaufwand ist deutlich geringer. Allerdings geht die starke Beschleunigung ganz schön auf die Reifen. Der Nachteil ist die Ladeinfrastruktur. Was ich da schon erlebt habe, ist echt frustrierend. Mal funktioniert die Ladesäule vor dem Hotel nicht, dann kann man nur mit einer Karte eines bestimmten Anbieters laden. Das kann schon nervig sein. Warum gibt es kein digitales System, das meinen Wagen erkennt und mir einfach automatisch eine Rechnung nach Hause schickt? Derzeit diskutiert die Politik über den Ausbau der Infrastruktur. Das hätte sie schon vor zehn Jahren machen sollen, dann gäbe es heute bereits ein funktionierendes System.

Überzeugen Sie mich bitte davon, meine Diesel-Familienkutsche abzugeben.

Elektroautos machen einfach Spaß. Sie sind leise und bieten ein tolles Fahrerlebnis. Ich glaube nicht, dass die E-Mobilität auf absehbare Zeit alle Verbrenner-Fahrzeuge ersetzt, aber ganz sicher einen Teil davon. Zu Ihrer Frage: Viele Familien haben ja zwei Autos, oft ist eins davon ein kleinerer Wagen. Ersetzen Sie doch das kleinere durch einen Stromer und fahren Sie weiterhin mit der Diesel-Familienkutsche in den Urlaub.