Hübsch illuminiert: das Landratsamt. Der Stromverbrauch der Behörde steigt. Foto: Rath

Kritik aus dem Kreistag: Fortschritt oder gescheitert? EDV frisst Strom. Mit Kommentar

Kreis Freudenstadt - Es klingt auf den ersten Blick paradox: Der Landkreis investiert viel Arbeitszeit und Geld, um seinen Energieverbrauch zu drosseln. Trotzdem benötigt er mehr Heizwärme und Strom. Die Verwaltung sieht sich dennoch auf dem rechten Weg – aber aus dem Kreistag kam teils beißende Kritik.

Den Energiebericht, jährliche Wasserstandsmeldung über die Entwicklungen, legten Pascal Burkhardt und Martin Heer am Montag dem technischen Ausschuss des Kreistags vor. Burkhardt ist Amtsleiter Immobilienmanagement im Landratsamt, Herr Geschäftsführer der Energieagentur Horb, die den Kreis fachlich unterstützt.

Zwölf Immobilien, die zusammen 99 Prozent aller Räume des Landkreises beherbergen, nehmen sie seit Jahren unter die Lupe. Dazu zählen das Landratsamt, Schulen, das Kreishaus der VHS und Hallen. Ihr Fazit: 2017 gingen 7,2 Millionen Kilowattstunden Heizenergie, 1,73 Millionen Kilowattstunden Strom und rund 12 600 Kubikmeter Wasser durch. Der Bedarf für Heizenergie stieg trotz aller Sparmaßnahmen um 1,9 Prozent, was die beiden damit begründeten, dass der Landkreis mehr Raumfläche hat als noch vor einem Jahr. Dafür seien die Kosten um 15 Prozent und der Ausstoß von Kohlendioxid seit 2015 um zehn Prozent gesenkt worden. "Das ist als Erfolg zu verbuchen", so Heer. Dass der Kreis seine Heizenergie mittlerweile zur Hälfte aus umweltfreundlichen Quellen wie Holz und Nahwärme bezieht, sei eine "sehr, sehr gute Tendenz".

Laut Burkhardt könne sich der Kreis auch im Vergleich zu anderen sehen lassen. Mit Ausnahme der Gewerbeschule Horb lägen alle Gebäude mit ihren Verbräuchen unterhalb der Referenzwerte, teils sogar deutlich. Dass die Horber Berufsschule hier schlechter abschneidet, liege am Ausfall des Blockheizkraftwerks. Nächstes Jahr werde die Schule aber an das neue Nahwärmenetz angeschlossen. Damit würden zwischen 86 und 144 Tonnen Kohlendioxid eingespart.

Auch sonst will der Kreis nicht nachlassen, um Energiefresser aufzuspüren und nach Möglichkeit auszuschalten. Dabei setze der Kreis da an, wo am meisten Energie verbraucht werde. Denn hier sei auch das Einsparpotenzial am größten. So sollen 2019 "Sanierungsfahrpläne" für das Berufsschulzentrum Freudenstadt, die Gewerbliche und Hauswirtschaftliche Schule Horb und das Landratsamt erstellt werden. Beim Landratsamt ließen sich durch neue Server und Klimageräte 20 000 bis 30 000 Kilowattsunden Strom pro Jahr sparen. 820 000 Euro, so viel wie noch nie, will der Kreis nächstes Jahr in die energetische Sanierung seiner Gebäude investieren. Laut Reinhard Geiser, Erster Landesbeamter, hat der Landkreis eben "viele alte Gebäude". Er sei aber auf einem guten Weg. "Der Trend geht in die richtige Richtung", sagte Geiser.

Geht er nicht, hielt ihm FDP-Kreisrat Ernst Wolf entgegen. Die Bilanz sei "so nicht hinnehmbar", die Vorstellung eine "peinliche Veranstaltung". Er sei die "Ausreden" leid. Dann mäßigte Wolf seine Wortwahl. Immerhin seien die Zahlen "ehrlich". Was ihn ärgert: Dass trotz aller Investitionen der Energieverbrauch steige. Er empfahl, Anreize beim Nutzerverhalten zu setzen. "Es muss nicht sein, das Schüler bei minus zehn grad Außentemperatur im T-Shirt in den Klassenzimmern sitzen." Er regte eine Umfrage an den Schulen an, ob sie dazu bereit wären, die Temperatur in den Klassenräumen um zwei Grad runterzudrehen.

Wolfgang Kronenbitter (FWV) nannte das Ergebnis "unbefriedigend", Walter Trefz sagte, er sei "überhaupt nicht zufrieden". Der Kreis müsse seinen Co²-Ausstoß "drastisch reduzieren". Außerdem solle der Kreis seine Zielvorgabe erfüllen und 100 Prozent zertifizierten Ökostrom beziehen. Aktuell liegt die Markte bei etwa 70 Prozent. Trefz fand die Umfrage an der Schule offenbar ebenfalls charmant, auch durch die Bewusstseinsbildung, die so erzeugt werden könne. Das persönliche Verhalten des Einzelnen sei genauso wirksam wie Investitionen in Energiespartechnik.

Armin Jöchle (CDU) monierte, es mache wenig Sinn in der Gesamtbilanz, wenn Kreis und Kommunen "jedes Gramm Co² mit hohen Investitionen einsparen", gleichzeitig jeder mit seinem Geländewagen zum Bäcker fahre. Dass der Stromverbrauch im Landratsamt und an Schulen eher steigt als zu sinken, obwohl beispielsweise LED-Lampen eingebaut wurden, erklärte Landrat Klaus Michael Rückert so: "Computer laufen nun mal mit Strom. Durch die fortschreitende Digitalisierung wird der Strombedarf zunehmen."

Kommentar: Jeder für sich

Von Volker Rath

So leidenschaftlich sieht man den Kreistag selten über Umweltschutz diskutieren – wenn man Walter Trefz mal außen vor lässt. Der Sommer 2018 mit Dauerhitze und Trockenheit hat Spuren hinterlassen. Und die Debatte zeigt, dass Klimaveränderungen – ob nun vom Menschen gemacht oder nicht – kein isoliertes Thema sind, sondern Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft haben. Das trifft nicht nur die Bauern, Waldbesitzer und Tourismus, sondern auch die Industrie. Alle. Die Kommunalpolitik kommt kaum hinterher, muss gegen Hochwasser genauso aufrüsten wie vielleicht bald gegen Flächenbrände. Armin Jöchle hat in einem Punkt recht: Was soll die ganze Anstrengung, solange alle im dicken Geländewagen zum Bäcker um die Ecke fahren, die sich’s leisten können. Dort sei anzusetzen. Kann man so sehen. Oder so: Das eine tun, das andere nicht lassen.