52 Mal griff das Jugendamt 2014 zur Ultima Ratio – und nahm gefährdete Kinder vorübergehend aus den Familien. Foto: Archiv

Mit Hausbesuchen "stramm zu tun". 247 Überprüfungen von möglicher Kindeswohlgefährdung im Jahr 2014.

Kreis Freudenstadt - Der Kreis Freudenstadt gehört zu den kleineren Landkreisen. Und weist in Sachen Kindeswohlgefährdung dennoch "beachtliche Fallzahlen" auf. So lautete das Fazit von Landrat Klaus Michael Rückert, nachdem Jugendamtsleiterin Charlotte Orzschig dem Jugendhilfeausschuss die neuesten Zahlen präsentiert hatte.

15 Sozialarbeiter stehen derzeit in Diensten des Jugendamts. Allein 2014 prüften sie 247 Fälle von möglicher Kindeswohlgefährdung. Die wurden dem Amt zuvor gemeldet: etwa von Schulen und Kindertagesstätten, von Ärzten oder der Polizei. In selteneren Fällen wendete sich ein Elternteil an das Jugendamt, in noch selteneren Fällen waren es die Nachbarn, die Alarm schlugen. Eines zeigt das Zahlenwerk deutlich: Wer sich in solchen Fällen an das Amt wendet, tut dies häufig inkognito. Im vergangenen Jahr gingen dem Jugendamt rund 26 Prozent der Meldungen anonym zu.

In 172 Fällen bestand zu der betroffenen Familie bereits Kontakt, 42 Mal stellten die Sozialarbeiter eine tatsächliche Gefährdung des Kindeswohls fest. 52 Mal griff das Amt zur Ultima Ratio und nahm die Kinder vorübergehend aus den Familien. Eine Zahl, die im laufenden Jahr bereits annähernd erreicht ist.

Doch dafür muss das Amt eine akute Gefährdung nachweisen können. Was, wie Orzschig durchblicken ließ, nicht unbedingt die leichteste Übung ist. Schon allein wegen der juristischen Termini. Denn laut Definition liegt eine Kindeswohlgefährdung dann vor, wenn das Kind "... gravierende Beeinträchtigungen erleidet, die dauerhafte oder zeitweilige Schädigungen in der Entwicklung des Kindes zur Folge haben, beziehungsweise haben können". Das, stellte die Amtsleiterin nüchtern fest, "fasst alles und nichts".

Ihre Behörde sieht Orzschig gut aufgestellt: "Wir haben stramm zu tun mit den Besuchen, aber wir sind personell so aufgestellt, dass wir sagen können, es geht im Moment." Geht beim Jugendamt eine Meldung über Kindeswohlgefährdung ein, landet diese direkt auf dem Schreibtisch des zuständigen Mitarbeiters. In Freudenstadt, so Orzschig, verzichte man bewusst auf eine zwischengeschaltete Clearingstelle, die alle Meldungen zentral bearbeite. Auch sei bei den Kontrollbesuchen der betroffenen Familien in der Regel nur ein Mitarbeiter vor Ort. Zwei Mitarbeiter, so die Jugendamtsleiterin, würden von den Familien häufig als Bedrohung wahrgenommen. Drei Monate nach der ersten Kontrolle steht ein zweiter Hausbesuch an. Da, so Orzschig, stelle sich die Situation dann häufig anders dar als noch beim ersten Besuch. Jede Kontrolle wird in einem fünfseitigen Fragebogen dokumentiert. In dem wird unter anderem erfasst, wie es um Kleidung und Ernährung des einzelnen Kindes bestellt ist. Aber auch die Einkommens- und Wohnsituation der Familie oder die Kooperationsbereitschaft der Eltern wird darin festgehalten.

Darüber hinaus ist das Jugendamt breit vernetzt, kooperiert unter anderem mit Kinderklinik, Psychiatrie, Polizei, Familiengericht und dem Schulamt in Rastatt.

Einen Fall wie den des in Lenzkirch mutmaßlich durch Misshandlungen des Stiefvaters umgekommenen Dreijährigen soll es im Kreis jedenfalls nicht geben. Man werde weiterhin alles tun, damit kein Kind zu Schaden komme, versicherte Rückert.