Zähflüssige Debatte im Kreistag. Hoffnung auf Telekom stirbt zuletzt. Risikoanalyse kommt.

Kreis Freudenstadt - Die Pläne für den Aufbau eines flächendeckenden Glasfasernetzes im Landkreis sind einen entscheidenden Schritt weiter. Der Auftrag für einen Generalunternehmer wird ausgeschrieben. Aber noch immer gibt es Zweifel im Kreistag – und die vage Hoffnung, dass doch jemand anderes investiert.

Mehr als eine Stunde lang käute die Runde das Thema am Montag wieder, debattierte an Details und auf Seitenwegen herum. Aber am Ende fiel der Beschluss bei vier Enthaltungen mit klarer Mehrheit. Ergänzt wird die Ausschreibung auf Antrag der CDU um zwei Aspekte: Der Generalunternehmer soll beweglich sein, wenn sich neue Technologien auftun, wenn doch noch ein Investor auftaucht oder wenn sich die politischen Rahmenbedingungen verändern, etwa durch neue Zuschüsse vom Bund. Außerdem soll die Komm.Pakt.Net eine Risikoanalyse für das geplante Backbonenetz erstellen, um abzuschätzen, ob sich die Investitionen des Landkreises jemals rechnen (Info). CDU-Sprecher Armin Jöchle schob nach, es sei nicht die Absicht seiner Fraktion, mit dem Antrag das Verfahren zu verhindern oder zu verzögern. Landrat Klaus Michael Rückert erklärte, mit dem CDU-Antrag könne er leben, sofern er das Verfahren nicht verzögere.

Gescheitert ist die FDP-Fraktion, die noch immer hofft, die Telekom könnte den Landkreis doch noch auf eigene Rechnung mit Glasfaser versorgen. Ihr Sprecher Ernst Wolf wollte die Wirtschaftlichkeitsberechnung dahingehend erweitern, obendrein zu prüfen, ob ein Aufbau des Netzes über einen Privatanbieter für den Kreis nicht günstiger wäre. Darüber hinaus wiederholte er seine alte Forderung, doch noch wie der Kreis Rottweil einen Zwischenschritt mit Vectoring-Technik einzulegen, um das bestehende Netz kurzfristig leistungsfähiger zu machen. "Es ist dem Landkreis nicht zumutbar, noch zwei Jahre lang mit zwei Mbit rumzukrebsen", so Wolf. Die Mehrheit im Kreistag wollte sich mit der Grundsatzdebatte aber nicht mehr aufhalten. Den Verweis, diese Frage sei politisch längst beantwortet, ließ Wolf nicht gelten: Bei einer Summe von 35 Millionen Euro alleine für den Landkreis dürfe man gerne eine halbe Stunde länger debattieren. "Über Kleinbeträge wird hier ewig diskutiert, die teuren Entscheidungen werden gerne mal einfach durchgewunken", so Wolf.

Wenngleich es beim Beschluss in erster Linie um das Glasfaser-Hauptnetz durch das gesamte Kreisgebiet ging, an das sich dann die jeweiligen Ortsnetze anschließen, debattierte die Runde viele Einzelheiten. Auf Nachfrage von Siegfried Blickle in der Bürgerfragestunde erklärte Planer Jürgen Deller, dass das Backbone-Netz bei einem Stromausfall noch "eine gewisse Zeit" funktionsfähig bleibe. Selbstverständlich gebe es die Möglichkeit, zusammen mit dem Glasfaser gleich andere Leitungen mitzuverlegen, etwa Stromstrippen für Elektromobilität. Dass die Straßen ohnehin aufgerissen werden, werde anderen Versorgungsdienstleistern automatisch mitgeteilt.

Landrat Rückert erklärte zum Thema Rentabilität des Kreis-Backbones, er sei schon zufrieden, wenn sich die Investition mittelfristig amortisiere. Wie berichtet, will der Kreis sein Netz an Betreiber verpachten. Die Abschreibung des Kreisnetzes sei auf 40 Jahre angelegt, die der Ortsnetze auf 20 Jahre. Wolfgang Kronenbitter (Freie Wähler) orakelte, dass sich die Investition nicht tragen werde. Die Frage sei, ob ein Privathaushalt überhaupt mehr Leistung brauche; schon aktuell seien die Hälfte aller Haushalte im Kreis mit Übertragungsraten von 50 bis 100 Mbit versorgt. Neue Gewerbegebiete hätten längst Glasfaser. Der Kreis sei "spät dran" mit seiner Investition, viele Kommunen nicht mehr darauf angewiesen. Deshalb sei auch er für eine Risikoanalyse.

Rückert schenkt der Expertise der FH Furtwangen Vertrauen, wonach Glasfaser die Zukunftstechnologie ist und die Datenmengen so steigen werden, dass bald jeder Haushalt die 100 Mbit brauche. Planer Deller erklärte, seine Familie mit zwei Kindern reize die Strippe mit 130 Mbit schon heute aus.

Dieter Bischoff (FWF) sagte, seine Gemeinde Pfalzgrafenweiler habe bereits einen Zuschussbescheid vom Land vorliegen, die Gemeinde müsse noch dieses Jahr mit der Umsetzung beginnen, damit die Förderung nicht verfalle. Dies müsse in der Planung berücksichtigt werden. Rückert sagte, das "Feintuning" erfolge intern, das müsse nicht der Kreistag tun. Wenn die Runde so weiterdiskutiere, dauere die Beratung "noch ein paar Stunden". Auf dieselbe Frage zum Thema Vectoring könne er stets nur "dieselbe Antwort" geben: Sein Ansatz sei dies nicht, Vectoring im Übrigen auch eher eine Frage der Ortsnetze, weniger des Backbones. Auch Reiner Ullrich (SPD) fiel es schwer, der Debatte noch zu folgen. Es würden zu viele Ebenen miteinander vermischt. Dabei gehe es heute um einen Grundsatzbeschluss. Im Übrigen sei der Kreis Freudenstadt vielleicht spät dran mit dem Thema Glasfaser, "aber nicht zu spät". Bärbel Altendorf-Jehle (Frauenliste) war offenbar ebenfalls genervt von der Zähflüssigkeit der Debatte. Breitband sei schon länger Thema, als sie überhaupt im Kreistag sitze: "Aber manche Kollegen hier sind ja auch in einem gewissen Alter. Da kann man schon mal was vergessen, Demenz und so", stichelte sie. Jetzt sei der Kreis auf dem richtigen Weg. Ihr Standpunkt: "Nichts weniger als Glasfaser." Auf Nachfrage von Walter Trefz (Grüne) erklärte Deller, dass das Backbone keine Lücken habe, die mit strahlungsintensiver Funklösung überbrückt werden müssten, was Ernst Wolf zur Gegenrede provozierte: Der Kreis brauche Funklösungen, es gebe schließlich auch Tablets und Smartphones, auf die keiner mehr verzichten wolle.

Am Ende blieb es beim Alten. Rückert sagte zu, das Backbonenetz werde beim Aufbau auf die Ortsnetze abstimmt, sodass der Kreis nicht an "falschen Stelle" beginne. Fünf Monate daure die Ausschreibung. In dieser Zeit können die Kommunen ihre Ortsnetze planen und sich an die Ausschreibung andocken.