Der Kreis Freudenstadt will sein Kinderbetreuungsangebot ausbauen. (Symbolbild) Foto: dpa

Betreuungsqoten angehoben. Lankreis will sich vor Klagen von Eltern wegen fehlender Plätze schützen.

Kreis Freudenstadt - Politisches Reise-nach-Jerusalem-Spiel: Der Landkreis Freudenstadt schraubt die Ausbauquoten für Kleinkindbetreuung und Ganztagsangeboten für Drei- bis Sechsjährige in den nächsten drei Jahren nach oben. Damit schützt er sich vor Klagen und Anträgen von Eltern auf Kostenerstattung für Tagesbetreuung, die zuletzt "vermehrt" beim Landratsamt eingegangen seien. Den Anspruch garantiert der Bund, umsetzen müssen die Vorgaben die Städte und Gemeinden. Wie viele Plätze wo überhaupt gebraucht werden, dazu gehen die Meinungen auseinander.

Die Ausbauquoten steigen in den kommenden drei Jahren jeweils zum 1. März – im U3-Bereich von 28,4 auf zunächst 29 und dann auf 30,1 Prozent, bezogen auf alle Kleinkinder, die im Kreis leben. Bei den Angeboten der Ganztagsbetreuung von Kindern zwischen drei und sechs Jahren steigen die Quoten auf 19,3 auf 20,1 und schlussendlich auf 21,1 Prozent. Dafür sprach sich der Jugendhilfeausschuss am Montag aus. Der Kreistag muss das noch absegnen. Das Landratsamt geht davon aus, dass die Städte und Gemeinden investieren müssen. Wie viel und in welchem Bereich, kann sich von Kommune zu Kommune unterscheiden.

Ein Blick in die Statistiken zeigt, wie mühselig es für die Rathäuser ist, ein zumindest weitgehend passendes Angebot vorzuhalten. In Grömbach und Horb standen 2019 beispielsweise im U3-Bereich Kinder auf der Warteliste, obwohl es in beiden Kommunen unbelegte Plätze gibt. Sie deckten sich offenbar nicht mit den jeweiligen Wünschen und Anforderungen der Familien. Fast in allen Kommunen gab es hier unbelegte Plätze. Mittlerweile haben zwölf der 16 Städte und Gemeinden im Landkreis aber die Empfehlung des Jugendamts beherzigt und gehen besser auf die Wünsche der Eltern ein, was unterm Strich zu einer besseren Auslastung des teuren Angebots führen soll. Dazu zählt die Möglichkeit, dass sich Familien einen Platz und damit die monatlichen Elternbeiträge teilen. Ferner wurden vielerorts flexible Buchungsmodelle eingeführt.

Statistisch genug Plätze

Unterm Strich gibt es statistisch genug Betreuungsplätze, vielleicht nicht überall und zu den gewünschten Zeiten. Und Familienwünsche ändern sich oft schneller, als die Kommunen ihr Angebot anpassen können. Alleine Personal- und Raumplanung brauchen Vorlauf. In diesem und im vorigen Jahr konnten die Städte und Gemeinden den Bedarf der Eltern "überwiegend erfüllen". Allerdings habe es "häufiger Beschwerden" gegeben, wenn Eltern abgewiesen worden seien oder keine verlässliche Betreuungszusage erhalten hätten. Das Landratsamt müsse den Druck auf die Kommunen erhöhen, weiß aber auch, was das bedeutet: "Die Frage ist: Wie können kleine Gemeinden das schultern? Ein Problem ist die schwierige Planbarkeit", so Jugendamtsleiterin Charlotte Orzschig.

Den zuletzt 3310 Kleinkindern im Landkreis standen 1080 Betreuungsplätze gegenüber, ein Plus von rund 20 Plätzen, was jetzt einer Quote von 32,6 Prozent entspricht – vermutlich. Denn bei Kleinkind-Plätzen in altersgemischten Gruppen seien Plätze teils doppelt gezählt worden. Bedarf an weiteren Plätzen ist aus Sicht des Landratsamts theoretisch da, weil mehr Kinder geboren worden seien. Außerdem schaffe Angebot erfahrungsgemäß Nachfrage. Die Kommunen hingegen sagen, sie rechnen mit einer sinkenden Nachfrage.

Deutlich mehr Ganztagsplätze wurden für Drei- bis Sechsjährige geschaffen. 899 Plätze (plus 80) stehen für die knapp 4000 Kinder dieser Altersgruppe zur Verfügung, 100 davon durch Tagesmütter. 90 Plätze waren offen. Der Kreis rechnet hier erst ab 2022 wieder mit einem steigenden Bedarf. Bei der Ganztagsbetreuung an den Schulen gibt es keine Quoten. Mit 4043 Plätzen kann derzeit theoretisch jedem zweiten Kind im Alter von sieben bis 14 Jahren im Kreis ein Platz angeboten werden. Allerdings nicht überall und an allen Schularten. Die tatsächliche Betreuungsquote lag laut Jugendamt bei unter 40 Prozent. Viele Gemeinden erklärten, es sei "fast unmöglich, einen Bedarf für die nächsten Jahre zu schätzen".

Angebot passt oft nicht

Hier zu viel, dort zu wenig Angebot, und alles ist im Fluss: Das Landratsamt empfiehlt, den Überhang von 425 offenen Kindergartenplätze abzubauen, in dem sie in Ganztagesplätze umgebaut werden. Außerdem sollen die Gemeinden elektronische Vormerklisten führen, um Doppelanmeldungen und damit künstlich hohen Bedarf zu vermeiden. Hier soll es am 15. November eine Schulung zu einem System geben. Ansonsten wiederholt das Jugendamt sein Mantra: flexiblere Modelle, flexiblere Modelle, flexiblere Modelle. Bei der Planung helfe eine weitere Erfahrung: Eltern, die ihre Kinder schon im Kleinkindalter in die Ganztagsbetreuung gegeben haben, nutzen das Angebot meist weiterhin.

Elternbeiträge steigen wohl

Außerdem steigen die Elternbeiträge bald. So wird empfohlen, die Preise auf die von Kirchen und kommunalen Landesverbänden vorgeschlagenen Richtwerte von 292,50 Euro pro Monat zu erhöhen. Der Richtwert bezieht sich auf ein Modellfall mit einem Kind, das 30 Stunden pro Woche im Kindergarten betreut wird. Die Städte und Gemeinden können dabei unterschiedliche Tarife und Staffelungen anbieten. Dass es tendenziell teurer wird, lässt sich aber aus der Sitzungsvorlage ablesen: "Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird auf 1. Januar 2020 verändert, da den Eltern eine weit zurückberechnete Erhöhung des Kostenbeitrags nicht zugemutet werden sollte." Zuletzt stiegen die Richtwerte in 2018 zweimal: im Januar auf 277,50, im September auf 285 Euro.