Der Wald - spätestens seit der Corona-Pandemie ist er Zufluchts- und Naherholungsort geworden. Doch geht es dort nicht nur romantisch zu. Zuweilen kommt es zu Konflikten. Oder alte brechen auf - wie im Jagdbezirk Stallberg/Altenberg.
Rottweil - Wo anfangen, wo enden? Vielleicht mitten in der Geschichte. Wilhelm Mayers Familie ist seit Jahrzehnten Pächter des Jagdreviers am Stallberg/Altenberg. Schon der Urgroßvater von Mayer senior hat sich dort auf die Pirsch gelegt. Jagen war früher ein Hobby, ein ernsthaftes zwar, aber immer noch ein Hobby. Inzwischen ist es zu etwas sehr Ernstem, etwas Todernstem geworden.
Der Wildverbiss in den Wäldern ist ein Problem, der zu finanziellen Lasten der Jäger geht. Mayers Jagdrevier im Rottweiler Stadtwald ist in der höchsten Verbissstufe eingruppiert: 3. Die Ursache: zu viel Wild, es müsste mehr erlegt werden. Da der Pächter über den Pachtvertrag hinaus einen Zuschuss zu den Kosten für Verhütungsmaßnahmen gegen Wildschäden zu leisten hat, muss Pächter Mayer rund 1100 Euro jährlich zusätzlich bezahlen.
Das neueste forstliche Gutachten zum Rehwildabschussplan spricht Mayer Mut zu: Seit der letzten Erhebung sei die Verbissbelastung abnehmend, heißt es in dem Schreiben. Nach wie vor gebe es eine hohe Verbissbelastung. Daher: "Dran bleiben!", lauten die aufmunternden Worte in dem Schreiben an Mayer.
Reiter verlassen die Wege
Dranbleiben. Das ist manches Mal besser gesagt als getan. Denn in den Augen von Jäger Mayer wird es ihm nicht einfach gemacht. Das hat aus seiner Sicht auch mit dem in der Nähe liegenden Reiterhof von Gerhard Bihler zu tun.
Mayer äußert im Gespräch mit unserer Zeitung, dass Reiter, die ihre Pferde vom Bihlerhof aus ausritten, immer wieder die Wege verließen, querfeldein ritten, zu Jagdzeiten auftauchten, frei laufende Hunde mit sich führten und so die Jagdausübung störten.
Der Reiterhof Bihler war nicht immer ein Reiterhof. Doch Streit mit dem Jagdpächter gebe es schon lange, eigentlich schon immer, erinnert sich Gerhard Bihler gegenüber dem Schwarzwälder Bote. Er sei nun 60 Jahre alt und seitdem er zwölf Jahre alt sei, gebe es Ärger zwischen ihnen und den Mayers.
Früher hätten sie Kühe gehalten, 1985 hätten sie auf Pferde umgestellt. 60 Pferde seien untergestellt. Die Reiter wüssten, wo sie reiten dürften. Konflikte gebe es immer dann, wenn die Reiter den Weg über die Wiesen am Waldrand nähmen, doch diese gehörten ihm. "Der will uns vertreiben", so Bihler.
Vereinbarung von 2008 auf die Probe gestellt
Mitunter nimmt der Konflikt groteske Züge an. Zuletzt gab es eine Auseinandersetzung zwischen einer Reiterin und dem Jäger. Die Reiterin warf Mayer vor, im August 2019 ihre Hündin angefahren zu haben. Sie forderte ihn neun Monate später auf, die Behandlungskosten in Höhe von 34 Euro zu begleichen. Wilhelm Mayer denkt nicht daran. Er wiederum wies die Reiterin an, sich an die Vereinbarung mit dem Reiterhof Bihler zu halten.
Die Vereinbarung stammt aus dem Jahr 2008. Es ist ein Schlüsseldokument zur Befriedung der Situation.
Dem Vertrag gehen lange Gespräche voran. Beteiligt sind neben den beiden Konfliktparteien der damalige Forstdirektor, der damalige Hegeringleiter, der Revierleiter und ein Mitarbeiter des Eigenbetriebs Stadtbau Rottweil, zuständig für Liegenschaften und Forst.
Die Vereinbarung legt die Wege fest, die die Reiter im Jagdbezirk Stallberg/Altenberg benutzen können. "Somit sind die Belange der Jagdausübung und der Reiterbetriebs einvernehmlich geregelt." Bihlers Aufgabe sei es, allen Reitern des Reiterhofs die entsprechende Lagepläne auszuhändigen. "Im Übrigen haben beide Parteien jederzeit möglichst einfühlsam und wechselseitig aufeinander Rücksicht zu nehmen."
Ob dies immer der Fall ist? Mayer jedenfalls glaubt, dass Bihler die Reiter nicht ausreichend instruiert, Bihler wiederum sagt, doch, das tue er.
Bürgermeister will das Gespräch suchen
Angesprochen auf den Konflikt äußert die Stadtverwaltung, dass es im Bereich des Rottweiler Stadtwaldes immer wieder zu Zielkonflikten der unterschiedlichen Nutzer- und Interessenslagen: Waldwirtschaft, Jagd, Spaziergänger, Hundehalter, Jogger, Radfahrer. "Unsere Wälder sind Wirtschaftsbetrieb, Jagdrevier und Naherholungsgebiet gleichermaßen". so Bürgermeister Christian Ruf.
Grundsätzlich sei das Reiten im Wald auf allen geeignete Waldwegen gestattet. Als geeignet gelten alle befestigten, breiten Waldwege mit drei Metern Breite und mehr. Darauf weist auch Forstamtsleiter Frank Kapahnke hin. Auf privaten Wiesen und Feldern bedürfe es der Zustimmung des jeweiligen Eigentümers oder Pächters.
Um mehr gegenseitige Rücksichtnahme zu erreichen, habe man sich Ende 2008 getroffen und die Vereinbarung geschlossen, so Ruf. An den Grundbedingungen habe sich nichts geändert. Die Vereinbarung gelte daher auch heute noch.
"Das Thema ist hier bekannt. Allerdings gab es in diesem Zusammenhang bei uns zuletzt vor über vier Jahren, im Mai 2017, eine Beschwerde. Wir haben daraufhin das Gespräch mit den Parteien gesucht und um gegenseitige Rücksichtnahme geworben. Seither waren bei uns keine Beschwerden mehr eingegangen", sagt Ruf.
Er wolle unsere Anfrage zum Anlass nehmen, nochmals das Gespräch mit den Parteien zu suchen und an die gemeinsame Vereinbarung zu erinnern und die bereits 2008 vereinbarte Rücksichtnahme anzumahnen. "Eine Kommune kann hier nur versuchen, zu vermitteln", so Ruf.