Im dritten Anlauf will das parteifreie Bündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) in Fraktionsstärke in den neuen Stuttgarter Gemeinderat einziehen. Um fünf Sitze zu erringen, müssten die 60 Bewerber aber das Ergebnis von 2009 glatt verdoppeln, rund eine Million Stimmen sammeln.
Stuttgart - So hoch greift keiner: Im dritten Anlauf will das parteifreie Bündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) in Fraktionsstärke in den neuen Gemeinderat einziehen. Um fünf Sitze zu erringen, müssten die 60 Bewerber aber das Ergebnis von 2009 glatt verdoppeln, rund eine Million Stimmen sammeln.
Stadtrat Hannes Rockenbauch, in der politisch-programmatischen Fraktions-Zweckgemeinschaft von SÖS und Linker einer der Sprecher, gibt die eigene Fraktion gar als „Minimalziel“ aus. Nach zehn Jahren im Stadtparlament sieht er mehr als zehn Prozent der Wählerstimmen in greifbarer Nähe. „Das taktische Element der OB-Wahl fällt weg, eine Stimme für uns ist keine verschenkte Stimme. Wer Rockenbauch will, der sollte unsere Liste komplett ankreuzen“, schaltet der junge Architekt am Rande der Montagsdemo in den Wahlkampfmodus.
Fünf Jahre ackerte Rockenbauch, der zunächst Jugendrat war, ab 2004 als Einzelkämpfer im Plenum. 7439 Stimmen reichten ihm damals für den Einzug ins Rathaus. Weniger hatte kein Stadtrat. 2009 katapultierten die Wähler ihn mit 32 494 Stimmen ins Parlament und setzten ihm Gangolf Stocker, Urgestein des Stuttgart-21-Widerstands, und die italienischstämmige Fachdozentin Maria-Lina Kotelmann zur Seite. Weil auch die Linke von einem auf zwei Sitze zulegte, reichte es zur Fraktionsgemeinschaft. Die sichert SÖS seitdem eine solide Büro-Infrastruktur, die Abdeckung der Ausschüsse und Sitze in den Bezirksbeiräten und Aufsichtsräten und damit viel mehr Mitsprache und Mitentscheidung.
Oft genug brachten Grüne und SPD im Rat ihre Vorstellungen nur mit Hilfe der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke durch. Zum Start der Ratsperiode 2009 zeigte sich die neue Mehrheit einig, ging Schulhaussanierungen und Kindertagesstätten-Ausbau forsch an, erhöhte dafür auch die Grundsteuer, strich Baugebiete auf Baumwiesen.
Stuttgart Ökologisch Sozial versteht sich aber nicht ausdrücklich als Mehrheitsbeschaffer. Bei der Verabschiedung des Haushalts Ende 2013, bei der Milliardenspritze für die Landesbank (LBBW) und zuletzt der Koppelung von Stuttgarter Stadtwerken und Energie Baden-Württemberg für die Strom- und Gaskonzession verweigerten die Parteifreien ihre Zustimmung. „SÖS ist kein taktisches, sondern ein politisches Projekt“, so der Fraktionssprecher. Man nimmt sich die Freiheit, auch mal kompromisslos zu sein und auf eigenen Standpunkten zu beharren.
Das brachte altgediente Räte wie Manfred Kanzleiter von der SPD auf Touren. Die Mitstreiter am linken Rand seien unzuverlässig, unfähig zur Zusammenarbeit und zum Kompromiss, ja populistisch, ätzte er. Auch Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold ging beim Thema Energiekonzession auf die Palme. „Das ist Mist, was Sie von sich geben“, fiel er Rockenbauch barsch ins Wort.
Die Verbalattacken nimmt der 33-jährige SÖS-Vormann, der im Gemeinderat wunderbar provozieren, aber auch gut argumentieren kann, locker: „Bei denen liegen halt jetzt die Nerven blank, die SPD ist bei der Energiekonzession weit hinter ihren eigenen Vorstellungen zurückgeblieben“, sagt Rockenbauch. Und dass Grüne und SPD „uns noch brauchen werden“.
Während selbst bei den Grünen das Bahnprojekt Stuttgart 21 nicht mehr auf Plakate findet, will SÖS nicht von der Fundamentalkritik lassen. „Wir kommen aus dem Protest gegen Stuttgart 21 und brauchen uns nicht zu verstecken“, sagt Rockenbauch. Am Tiefbahnhof allein arbeitet sich das Personenbündnis aber nicht mehr ab. Das Programm umfasst fast 50 inhaltsschwere Seiten und beschreibt die Vision Stuttgart 2050.
Bei der OB-Wahl 2012 erzielte Rockenbauch 10,4 Prozent. Das ist die Zielmarke.
668 Frauen und Männer wollen in den Gemeinderat der Landeshauptstadt, um dort über die Stadtpolitik mitzubestimmen. Wir porträtieren die zwölf Listen. Heute Folge 3: SÖS.