Hassan Ruhani Foto: EPA

Mit dem Kompromiss von Genf wird einer der weltweit gefährlichsten Konflikte entschärft, der den Nahen und Mittleren Osten in einen großen Krieg hätte stürzen können.

Ja, es ist ein Wendepunkt. Mit dem Kompromiss von Genf wird einer der weltweit gefährlichsten Konflikte entschärft, der den Nahen und Mittleren Osten in einen großen Krieg hätte stürzen können. Das Atomprogramm, das die Führung in Teheran noch bis vor wenigen Monaten in dreister Starrköpfigkeit und unter Missachtung internationaler Warnungen vorangetrieben hat, wird mit einem Federstrich in wesentlichen Teilen gekappt. Hassan Ruhani, erst vor wenigen Monaten zum iranischen Präsidenten gewählt, hat seinen Worten Taten folgen lassen. Mit ihm erscheint der Mullah-Staat auf einmal friedlicher, der Welt zugewandt.

Der Sinneswandel in Teheran bringt jedenfalls allerhand in Bewegung, er entfaltet eine Dynamik, deren Konsequenzen heute noch gar nicht absehbar sind. Der Durchbruch im Atomstreit zeigt auch, über welches Gestaltungspotenzial die Großmächte verfügen, wenn sie an einem Strick ziehen. Erst vor wenigen Wochen haben sie im Syrien-Konflikt als Friedensstifter entschlossen eingegriffen. Keine Frage, die internationale Diplomatie hat ihre oft bezweifelte Durchsetzungsfähigkeit bewiesen. Das ist gewiss eine gute Nachricht.

Ätzende Kritik aus Israel

Man mag darüber den Kopf schütteln, dass Israel die Einigung von Genf so gar nicht gutheißen will – in der Tat darf man die ätzende Kritik von Regierungschef Benjamin Netanjahu („ein historischer Fehler“) als unkontrollierten Wutausbruch bezeichnen. Gleichwohl ist Verständnis angebracht. Die Drohungen und die Vernichtungsankündigungen, mit denen der Iran den jüdischen Staat über viele Jahre überzogen hat, kann kein israelischer Politiker vergessen. Das Verhältnis zwischen Jerusalem und Teheran ist zerrüttet, und daran ändert sich so schnell nichts. US-Präsident Barack Obama wird viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um die berechtigten Ängste in Israel zu dämpfen. Wobei freilich nicht ganz ausgeschlossen werden kann, dass es Netanjahu mit seinen scharfen Tönen auch darauf anlegt, den Preis für ein Stillhalten nach oben zu treiben.

Eine Motivation, von der möglicherweise auch Riad geleitet ist. Die eifersüchtigen Saudis fürchten, nicht zu Unrecht, einen weiteren Machtzuwachs des Iran, ja eine grundlegende Neuausrichtung der Kräfteverhältnisse in der Region. Nicht von ungefähr kursierte vor wenigen Tagen die Nachricht, Pakistan könnte Saudi-Arabien nuklear bewaffnen. Mag dies auch reine Spekulation sein: Sicher ist, dass den konservativen sunnitischen Golfstaaten eine die Region dominierende, auf einmal gemäßigt agierende und mit 75 Millionen hauptsächlich schiitischen Einwohnern Dynamik entfaltende Islamische Republik nicht ins Konzept passt. Doch eine Alternative zu dem Abkommen mit dem Iran gibt es nicht.

Teheran kommt günstig davon

Der Deal lohnt sich für alle Seiten: Teheran kann mit einer Lockerung der Sanktionen rechnen – und das zu einem insgesamt günstigen Preis. Die Zugeständnisse der Teheraner Unterhändler in Genf muten ja nur deswegen so beeindruckend an, weil Ruhanis Amtsvorgänger, Mahmud Ahmadinedschad, das Nuklearprogramm zuvor nach Kräften ausgebaut hat. Die staatliche Repression im Iran war ohnehin kein Thema in Genf. Wie auch immer: Die anderen Vertragspartner haben den Weg dafür bereitet, den atomaren Versuchungen des Iran ein für alle Mal Einhalt zu gebieten.

Entscheidend aber ist, dass der Iran jetzt Anreize hat, ein verlässlicher und konstruktiver Mitspieler auf der internationalen Bühne zu werden. Sollte Teheran tatsächlich bereit sein, diese Rolle auszufüllen, und dabei beispielsweise seine Unterstützung für nahöstliche Extremisten aufgeben, würde davon am Ende auch Israel profitieren.

w.weithofer@stn.zgs.de