Sabeth Mühleisen wollte wegen der guten Pädagogik in ein skandinavisches Land, weshalb sie an den Kindergarten der Deutschen Schule in Helsinki ging. Foto: privat Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: EU-Förderprogramm Erasmus+ eröffnet Möglichkeiten / Zinzendorfschulen pflegen Kontakt zu Partnereinrichtungen

Immer mehr Schüler der Fachschulen für Sozialwesen und Sozialpädagogik nutzen das Angebot der Zinzendorfschulen, einen Teil ihrer Ausbildung im europäischen Ausland zu absolvieren.

Immer mehr Schüler der Fachschulen für Sozialwesen und Sozialpädagogik nutzen das Angebot der Zinzendorfschulen, einen Teil ihrer Ausbildung im europäischen Ausland zu absolvieren.

Königsfeld. Es gibt immer mehr Länder, in denen die Zinzendorfschulen Partnereinrichtungen für das EU-Förderprogramm Erasmus+ gefunden haben, das vor drei Jahren mit Partnern in Spanien, Italien und Rumänien an den Start ging.

Violetta Mronz, Victoria Schlegel und Sabeth Mühleisen sind drei der Reisenden, die gerade die Hälfte ihres Anerkennungsjahres in Polen, Rumänien und Finnland absolvieren. Sie sind in ihren Einrichtungen gut eingebunden und können sehr selbstständig Verantwortung übernehmen. Die angehende Jugend- und Heimerzieherin Violetta Mroncz ist derzeit im Schul- und Kindergartenkomplex in Nadrybie, kurz vor der ukrainischen Grenze im Osten Polens. Sie hat Verwandte in Polen und hatte sich schon als Kind vorgenommen, irgendwann für ein Jahr dort hinzuziehen. "Durch das Erasmus-Projekt konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: in Polen leben und meine Ausbildung beenden", freut sie sich.

Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse konnte sie sich gleich zu Anfang mit der Leiterin der Einrichtung über die Unterschiede im Bildungssystem austauschen. Der Kindergarten in Nadrybie ist in drei verschiedene Altersgruppen unterteilt, die Zwei- bis Dreijährigen, die Vier- bis Fünfjährigen und die Sechsjährigen, zum gleichen Komplex gehört eine Schule mit den Klassenstufen 1 bis 8. "Jede Gruppe befindet sich in einem anderen Lern- und Spielstadium", schreibt sie. Violetta hat abwechselnd in den drei Gruppen gearbeitet, bis die Corona-Einschränkungen das nicht mehr erlaubten.

"In den Kindergarten-Gruppen beobachtete ich, spielte und lernte mit den Kindern und durfte sogar selber ein paar Angebote machen. Dadurch lernte ich nicht nur das polnische Bildungssystem kennen, sondern die Erzieherinnen erhielten auch einen kurzen Einblick in meine Arbeitsweise." Seit der strengeren Pandemie-Einschränkungen wurde sie der ersten Klasse der Grundschule zugeteilt, wo sie zwei behinderte Mädchen in ihrem Schulalltag unterstützt.

Auch Victoria Schlegel arbeitet in der ersten Klasse einer Grundschule. Sie ist noch bis Ende Februar für insgesamt ein halbes Jahr an der Deutschen Schule in Bukarest, die nach dem baden-württembergischen Bildungsplan unterrichtet. Die meisten der 22 Kinder, mit denen sie arbeitet, sprechen ausschließlich Rumänisch, ein kleiner Teil ist bilingual aufgewachsen und zwei Kinder sprechen ausschließlich Deutsch.

Im Präsenzunterricht durfte Victoria in Absprache mit ihrer Praxisanleiterin eigene Ideen einbringen und vereinzelt sogar ganze Schulstunden selbst übernehmen. "Ich war besonders für die Vermittlung und Erklärung deutscher Traditionen und Werte verantwortlich."

Eigene Freizeitangebote

Nachmittags machte sie verschiedene Freizeitangebote, die sie frei gestalten durfte, in den Teamsitzungen und zum Teil auch den Lehrerkonferenzen bekam sie Einblick in die Strukturen der Schule und Schulsozialarbeit.

Seit Ende Oktober gibt es keinen Präsenzunterricht mehr. Victoria unterrichtet im wöchentlichen Wechsel jeweils die Hälfte der Klasse vorwiegend in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachkunde. Die angehende Jugend- und Heimerzieherin hatte sich bewusst für die Stelle in Bukarest beworben, weil sie mit älteren Kindern arbeiten wollte, was an der Deutschen Schule gegeben ist. "Rumänien war für mich ein völlig neues Land, von dem ich recht wenig wusste. Es hat mich gereizt, dies zu ändern." 

Vorkenntnisse in Rumänisch hatte sie nicht, sich aber per App schnell die wichtigsten Wörter beigebracht. "Ich lerne die Sprache hier durch Alltagssituationen, zum Beispiel im Supermarkt oder durch Werbeschilder, aber vor allem durch meine Schüler. Diese helfen sich gegenseitig, wenn ein Kind ein Wort nicht auf Deutsch weiß. So höre ich es und lerne ganz nebenbei mit." Ansonsten kommt sie auch mit Englisch gut weiter.

Sprachkurs belegt

Finnisch erschließt sich einem deutschen Muttersprachler nicht so leicht, weshalb Sabeth Mühleisen erstmal einen Sprachkurs belegte, als sie nach Helsinki ging. Dort arbeite sich am Kindergarten der Deutschen Schule. "Dass ich nach Finnland gegangen bin, war eher Zufall", sagt sie. "Ich wollte aufgrund der guten Pädagogik in ein nordisches Land." Auch sie kann ihre eigenen Ideen einbringen und Verantwortung übernehmen. Vormittags arbeitet sie in einer Gruppe mit Vier-, nachmittags mit Fünfjährigen.

Während Sabeth und Victoria an ihren Praktikumsstellen in ihrer Freizeit viel Kontakt zu anderen Deutschen haben, ist Violetta sehr stark in die polnische Gemeinschaft integriert. Sie konnte ein Zimmer im Haus einer polnischen Angestellten der Schule und deren Mutter mieten. "Es ist fast schon eine familiäre Stimmung", berichtet sie. "Ich bin froh, dass ich bei ihr untergekommen bin, dadurch fühlt man sich nicht so alleine." 

Eltern bedanken sich

Nicht nur bei der Arbeit, sondern auch im Alltag konnten die Erasmus-Praktikantinnen ihren Horizont erweitern. Victoria hat viel über die rumänische Geschichte gelernt und zugleich die Chance ergriffen, durch Reisen im Inland und durch Besuche des Stadtrandes auch die Schwierigkeiten und Probleme des Landes zu erkennen. In Polen stellte Violetta fest, dass sie sofort Kaffee oder Tee angeboten bekommt, wenn sie jemanden besucht. "Außerdem kommt immer Kuchen, Kekse oder eine ganze Mahlzeit auf den Tisch. Man fühlt sich sehr willkommen." Sabeth beobachtete in Finnland, dass die Menschen dort sehr höflich sind. "Die Eltern bedanken sich bei den Erziehern, wenn sie ihre Kinder abholen. Dies wär etwas, das ich in Deutschland ebenfalls gern hätte."

Wenn die drei demnächst zurückkommen, bringen sie eine Fülle von Eindrücken mit nach Hause.

An den Zinzendorfschulen haben die Schüler der Fachschulen für Sozialpädagogik und Sozialwesen an zwei Stellen ihrer Ausbildung die Möglichkeit, mit einem Erasmus+ Stipendium ins europäische Ausland zu gehen. Im ersten Jahr für sieben Wochen oder im Anerkennungsjahr, das zwischen der schulischen Ausbildung und der staatlichen Anerkennung liegt, für einen Zeitraum zwischen sechs und zwölf Monaten. Wer sich für eine Ausbildung zum Erzieher, beziehungsweise Jugend- und Heimerzieher interessiert, sollte die virtuelle Infoveranstaltung der Fachschulen für Sozialpädagogik und Sozialwesen besuchen. Am 20. März um 12 Uhr gibt es alle Infos unter www.zinzendorfschulen.de.