Viele Zuhörer zieht eine Lesung von Matthias Quent aus seinem Buch "Deutschland rechts außen" an. Fotos: Hübner Foto: Schwarzwälder Bote

Lesung: Matthias Quent berichtet in seinem Buch von Kindheitserinnerungen mit Rechtsradikalen

Königsfeld (hü). Auf Einladung der Buchhändlerin Stephanie Richter hielt Matthias Quent eine Lesung aus seinem Buch "Deutschland rechts außen", berichtete von Kindheitserinnerungen mit Rechtsradikalen und beantwortete Fragen.

Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Landeszentrale für politische Bildung und der evangelischen Brüdergemeine. Quents Vorwort zum Buch habe sie schockiert, so Richter. Er sei schon als 14-Jähriger massiv mit rechter Gewalt konfrontiert worden. Eine Aussage sei, dass es in Deutschland nie die Stunde Null gegeben habe, den Bruch mit antisemitischem Denken.

Quent beklagte ein "großes Schweigen" angesichts 198 Toten die seit 1990 rechter Gewalt zum Opfer fielen. Häufig handle es sich bei staatlichen Gegenmaßnahmen um Symbolpolitik, wie das NPD-Verbotsverfahren.

"Nicht die Rechtsradikalen sind am Zug, sondern wir Demokraten", so Quent. Es gebe die fatale Konsequenz, dass sich Menschen aus Angst zurückzögen.

Quent kritisierte die "verharmlosende Verwendung" von Begriffen Wie "Rechtsnationaler" oder "Rechtspopulismus." Rechte schauten nicht auf wahre Ursachen für Probleme sondern machten diese an Abstammung oder Kultur fest.

Thilo Sarazin beispielsweise habe entsprechende politische Umstände zum Teil selbst mitverantwortet. Rechte und Anhänger der "konservativen Revolution" lehnten Errungenschaften der französischen Revolution ab. AfD-Chef Jörg Meuten nenne 1968 "den Ursprung des links-grün versifften Deutschlands." Rechte hätten keine sachbezogenen Zukunftspläne und seien nichts ohne ein Feindbild an dem sie sich abarbeiten könnten.

Die Frage, ob tatsächlich alles schlimmer geworden ist verneinte Quent aber eher. Es werde nur sichtbar was man lange ignoriert habe. Studien zeigten, dass nur eine Minderheit der Bevölkerung gegen liberale Fortschritte sei. Noch nie sei die Bevölkerung so wenig rassistisch eingestellt gewesen wie heute.

Als ein Problem für Ostdeutschland sah Quent die Abwanderung der Köpfe und immer noch vorhandene ökonomische Ungleichheit. Auch sei faschistisches Gedankengut in der DDR massiv verbreitet gewesen, aber nicht als solches bezeichnet worden.

Das Beschwören von Niedergang, Verfall und Dekadenz sei Wesensmerkmal faschistischer Bewegungen. Es gebe einen rassistischen Kulturpessimismus, Zukunftsangst sei das zentrale Unterscheidungskriterium zwischen Anhängern demokratischer Parteien und der AfD.

Quent sprach in Bezug auf Rechte heute von einem "radikalisierten Widerstand der Privilegierten, eines chauvinistischen Mittelstands." Bedroht sei die männlich-weiße Vorherrschaft. Chancengleichheit sei für sie eine Bedrohung. Ein weiterer Punkt sei die Kränkung des Glaubens an den Rechtsstaat. Der Machtgewinn Rechtsradikaler sei aber immer auch auf das Versagen von Politik und Gesellschaft zurückzuführen.

Gefragt wurde nach Auswirkungen der NSU-Aufdeckung. Laut Quent gab es eine Verunsicherung der Akteure, sie seien aber nicht verschwunden, Netzwerke bekannt, Verbrechen weder aufgeklärt noch Täter verfolgt. In Hessen zeige sich deutlich, wie nah der Verfassungsschutz an einem Attentat gewesen sei.

Quent berichtete von Kindheitserinnerungen und "beängstigen Situationen", denen "nicht zu entgehen war." Er warnte, dass Rechtsradikale auf die Verunsicherung der "Freunde der Demokratie" hinarbeiteten. Man könne aber viel tun. Als Beispiele nannte er Spenden an Aktive, eigene Aktionen oder Leserbriefe an Abgeordnete, um sich gegen Koalitionen mit der AfD auszusprechen. Größte Gefahr sei die Normalisierung solcher Verbindungen. Auch brauche es eine wirkliche Umverteilung und eine stärkere Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft. Dabei merkte Richter an, dass vom Gemeinderat nur Jens Hagen vor Ort war.