Lesegalerie zeigt bis September Radierungen von Gotthard Glitsch
Von Stephan Hübner
Königsfeld. Eine Ausstellung mit Radierungen von Gotthard Glitsch öffnete am Wochenende in der Lesegalerie. Organisator war der Verein "kukuk kunstkultur königsfeld", der künftig einmal vierteljährlich eine Ausstellung organisieren will, wie Manfred Molicki erklärte. Entgegen der Vorankündigung werden die Radierungen bis Anfang September gezeigt.
Radierungen seien nicht Vehikel der Vervielfältigung sondern der Variation mit denen er die Genese eines Werkes darlege, so Glitsch. Die Bilder zeigten nebeneinander vollkommen verschiedene Zustandsarten ein und derselben Druckplatte. Hergestellt in linearer Strich- und Flächenätzung, zeige die partielle Einfärbung endlose Variationen, akzentuiere den sich wandelnden Aspekt.
Die Bilder zeigten Landschaften im Werden, in der Balance mit innerer Landschaft, nicht real wiedergegebene Natur. Sie erwüchsen aus Strukturgeflechten, die sich Landschaften annäherten. Eine gewisse Rolle spiele für seine Motive die "blaue Mauer der Alb".
Mit der Frage "Wo ist der Ort des Bildwerkers, wo findet er sich, seinem Tun gemäß, in der Frühe des Morgens?" wandte sich Glitsch zur Vernissage an die Gäste. Unter der Wucht des kosmischen Lichtschlages erglühten jäh Bergflanken, Kalkabbrüche, Karsthalden, Schroffen und Schrunden. Der Griffelkünstler graviere das sphärische Geschehen in sein Zinkplättchen, geklärt und verknappt zu chiffrehafter Lineatur. Erst in der Ätzschale erfahre die erbeutete Notation jene alchimistische Wandlung, die den Druckstock befähige, das helldunkle Welttheater im Papierabzug widerzuspiegeln. Als einzige bildnerische Disziplin erfahre die Radierung in der Ionenwanderung des Ätzens schaubar den Beistand der Elementarmächte, die den gesamten Kosmos durchwalteten.
Wie aus Furchen eines gepflügten Ackers locke und läutere der Ätzkünstler, dem Ritual des Tiefdrucks ergeben, die Gestaltung aus den Kerben des Metalls empor ins Licht der sichtbaren Erscheinung. Das beschwörende Handanlegen entfalte anfangs die karge Szenerie einer fahlen Vorzeitferne, einer dämonisch vertieften Schattenwelt, eines Altraumareals, geschuldet der Vorliebe für das Schwarz als konstitutive Farbe des Metiers.
Ein anderer Aspekt erzwinge die Hinwendung zur realen Farbe. Durch die Wandlung des Druckstocks oder die Variation des Farbklangs werde die Radierplatte zur notierten Partitur, die stets wechselnd instrumentiert durch jeden Druckvorgang anders interpretiert werde. In gereimter Form beendete Glitsch seine Ausführungen. Für die musikalische Umrahmung sorgte Flötistin Agnes Suszter.