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Geistige Nothilfe gibt Programm für 2021 heraus / Leiter Reinhard Becker macht auf die Nöte der Kulturbranche aufmerksam

Während die Kulturszene derzeit stillsteht, hat die Geistige Nothilfe aus Königsfeld ihr Musikprogramm für dieses Jahr herausgegeben. Der künstlerische Leiter Reinhard Becker ist überzeugt: Mit guten Hygienekonzepten könnten die Konzerte dennoch stattfinden.

Königsfeld. Die Stühle bleiben leer, die Bühnen still, die Musik bleibt aus. Seit Monaten schon dürfen keine Konzerte mehr stattfinden – davon ist auch die Geistige Nothilfe betroffen. Der Verein, der seit Jahrzehnten klassische Kammermusik in den Kirchensaal der evangelischen Gesamtgemeinde bringt, lässt sich davon nicht entmutigen – und hat dennoch sein Programm für 2021 herausgegeben.

"Wir können ja nicht sagen, wir machen gar nichts. Wir brauchen ein attraktives Programm. Wie viel wir dann davon umsetzen können, liegt nicht in unserer Hand", sagt Reinhard Becker, der künstlerische Leiter des Vereins. Das erste Konzert musste jetzt aber schon abgesagt werden, bedauert er.

Aufgrund der durch die Corona-Pandemie verursachten Reiseprobleme habe man umdisponieren müssen: "Bis zum Sommer sind nur Konzerte von Künstlern geplant, die auch in Deutschland ansässig sind", erklärt Becker. Eigentlich sollten auch internationale Künstler auftreten. Dennoch sei jetzt, so Becker, "ein farbiges Programm, das unseren Ansprüchen gerecht wird", herausgekommen.

Nur drei von sieben Konzerte konnten im vergangenen Jahr stattfinden – eines davon im Rahmen des Kinderferienprogramms. Becker hält das für wichtig: "Die Kinder sind toll mitgezogen, viele würden gerne ein Instrument lernen." 2021 soll es deshalb eine Wiederholung davon geben. Das restliche Programm biete "Einiges an Klavier", aber auch Streicher und Celli seien mit von der Partie.

Die vielen ausfallenden Konzerte – für Becker sind sie ein schmerzlicher Verlust. "Den Raum mit dem Publikum zu teilen, das fehlt total", sagt er. "Es gibt viele Dinge, die nur zu einem großen Erlebnis werden, wenn man direkt dabei ist." Die Musik über einen Livestream zu hören sei nicht dasselbe.

Für Becker hat Musik etwas Heilsames, denn diese, davon ist er überzeugt, beanspruche den ganzen Menschen. "Es gibt nirgends eine so große Einheit zwischen Geist, Seele und Körper, als wenn jemand Musik macht." Musik sei "eine Art Meditation", bei der man Welt und Sorgen vergessen könne.

Viele Konzerte müssen ausfallen

Auch therapeutisch könne sie wirken: Ihm seien Fälle bekannt, bei der körperliche Gebrechen durch die Zuwendung zur Musik zurückgingen. "Musik fängt da an, wo das Wort aufhört", ist er überzeugt. Und: Die Kultur brauche es, "um eine bessere Gesellschaft zu formen", zitiert er den Dirigenten der Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti.

Die "drakonischen" Maßnahmen der Regierung kann Becker nicht nachvollziehen: "Man kann natürlich alles abwürgen. Aber ob das gesünder macht, ist fraglich." Und: "Wenn man schon die Gesundheit als höchstes Gut sieht, dann doch bitte auch die geistige und seelische."

"Wir haben gute Hygienekonzepte"

Der Leiter der Geistigen Nothilfe hofft, dass bald wieder Konzerte stattfinden können. "Wir haben ein diszipliniertes Publikum und gute Hygienekonzepte." Dass Konzerte derzeit untersagt ist, kann Becker nicht verstehen, denn: "Es können ja auch Leute acht Stunden im Flieger sitzen und Spielfilme schauen."

"Schrecklich" sei die Situation für die Künstler, insbesondere für die freien. "Sie werden von der Politik komplett alleingelassen. Es ist der wirtschaftliche Ruin für sie." Viele Corona-Hilfen seien kaum oder gar nicht angekommen, sagt Becker. Auch eine seiner Töchter, die in Oslo lebt, sei betroffen. Den Künstlern unter die Arme zu greifen gestalte sich als schwierig. "Wir haben als Verein nur einen begrenzten Etat und keine Reserven", erklärt Becker, der findet: "Man macht sehr viel kaputt dabei."

Für den Leiter der Geistigen Nothilfe steht fest: "Die Angelegenheit gehört mehr in Medizinerhände denn in die der Politik." Auch seien in die politischen Beratungen weder Menschen aus der Wirtschafts-, noch aus der Kulturbranche miteinbezogen worden. "Das ist verbesserungswürdig", befindet er.

Aktuelle Maßnahmen nur kurzfristig möglich

Derweil hofft Becker, dass das soziale und kulturelle wieder in Gang kommen kann und darf. Er findet: "Man kann uns nicht die Lebensgefahr nehmen – das ist unsere eigene Aufgabe." Die aktuellen politischen Maßnahmen kämen einer Entmündigung gleich, sagt er und fügt hinzu. "Das kann – wenn überhaupt – nur eine kurze Zeit gerechtfertigt sein."