Die Klosterruine Hirsau war einst Schauplatz des Turnens. Friedrich Wilhelm Klumpp ist dies zu verdanken. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Heimatgeschichte: Im Kloster gründete sich einst der erste Ertüchtigungsverein Württembergs

Das Kloster Hirsau war einst im wahrsten Sinne des Wortes Vorturner. Denn dort gründete Friedrich Wilhelm Klumpp im Jahr 1816 den ersten Turnverein in ganz Württemberg. Die Spuren sind bis heute, 205 Jahre später, zu finden.

Calw. Turnen sollte mehr als nur Sport sein, es war eine "Sache des Vaterlands" – so sah es der legendäre "Turnvater Jahn". Die Turnbewegung verbreitete sich im frühen 19. Jahrhundert in ganz Deutschland. Der kleine Ort Hirsau war dabei Vorreiter: In der Wagenremise des Klosters wurde vor ziemlich genau 205 Jahren, im Oktober 1816, der erste Turnverein Württembergs gegründet – sogar als einer der ersten deutschlandweit. Das geht aus einer Pressemitteilung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg hervor.

Die Ideen von Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn, besser bekannt als "Turnvater Jahn", elektrisierten seiner Zeit die Gesellschaft. Die von ihm angestoßene Turnbewegung verbreitete sich rasch in ganz Deutschland. Turnen war für Jahn mehr als nur Sport – es war eine "Sache des Vaterlands", wie er betonte.

Zu dieser Zeit herrschte noch Napoleon über Europa

Als er dies um 1810 formulierte, befanden sich weite Teile Europas und auch Deutschlands unter der Vorherrschaft Napoleons. Das Turnen sollte sowohl körperlich auf den Freiheitskampf gegen Frankreich vorbereiten, als auch den Patriotismus fördern. Nach dem Sieg über Napoleon 1815 verlor der Gedanke Jahns nichts von seiner Anziehung. Der kleine Ort Hirsau steht beispielhaft dafür, denn in der Wagenremise des Klosters wurde der erste Turnverein in Württemberg gegründet. Was hier geschah, war bemerkenswert: Hirsau wurde zum Vorreiter. In der Hauptstadt Stuttgart wurde erst ein Jahr später ein Turnverein gegründet. Friedrich Wilhelm Klumpp war für den historischen Meilenstein verantwortlich. Der gebürtige Württemberger studierte evangelische Theologie und lernte um 1811 "Turnvater Jahn" persönlich in Berlin kennen. Dort nahm er auch an Turnübungen teil. Klumpp trug die Idee Jahns anschließend in seine Schwarzwälder Heimat – und wurde so zum "schwäbischen Turnvater".

Im Hirsauer Turntagebuch von 1816/1817 notierten die jungen Männer um Klumpp ihre Gedanken und Motive: Sie gründeten den Turnverein, "nicht bloß, um die Bildung des Körpers mit der des Geistes ins Gleichgewicht zu bringen, und dadurch auch am Geiste immermehr zu gesunden, sondern zugleich auch, weil ihnen die Sache des Vaterlands am Herzen liegt, weil sie überzeugt sind, dass die echte Turnkunst im engsten Zusammenhang steht mit vaterländischem Geist und Kraft".

Heute wird in den alten Turnräumen kein Sport mehr betrieben

Die "Turn Gemeinde" im idyllischen Hirsau bestand jedoch nicht lange. Bereits im Sommer 1817 wurde sie wieder aufgegeben. Über die Ursachen herrscht Unklarheit: In seiner Autobiografie nennt Friedrich Wilhelm Klumpp keine Gründe. Das ehemalige Gebäude der ersten württembergischen "Turn Gemeinde" steht noch immer mitten in der Klosteranlage. Doch heute wird hier kein Sport mehr getrieben. Stattdessen versüßt das "Café im Kloster" den Besuch des berühmten ehemaligen Benediktinerklosters.

Das weitläufige Kloster Hirsau im Tal der Nagold präsentiert neben der Turnhistorie auch rund 1000 Jahre Geschichte Südwestdeutschlands: Einst spielte die Abtei im Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser eine herausragende Rolle. Im 16. Jahrhundert wurde Kloster Hirsau säkularisiert. Herzog Christoph von Württemberg gründete eine evangelische Schule in den Klostergebäuden.

Ende des 17. Jahrhunderts verwüstete der Pfälzische Erbfolgekrieg das Land – Kloster Hirsau wurde zerstört. Im 18. Jahrhundert begann man, die Schönheit des Ortes zu entdecken.

Bis heute ziehen die romantischen Ruinen des einstigen geistlichen Zentrums mitten im Schwarzwald die Gäste in ihren Bann.