Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen werden viele Kliniken nicht mehr lange durchhalten können, betonen die Landräte in ihrem Schreiben an ihre Abgeordneten im Bundestag. Foto: upixa - stock.adobe.com

Die Kreis-Chefs aus Nordbaden appellieren in Sachen Krankenhaus an ihre Abgeordneten im Bundestag.

Mit einem „leidenschaftlichen Plädoyer, zugleich aber auch einem dringenden Hilferuf“ haben sich die sieben Landräte im Regierungsbezirk Karlsruhe an die örtlichen Bundestagsabgeordneten der Koalitionsfraktionen gewandt. Einer davon ist Helmut Riegger, Landrat aus Calw, und angesichts der Krankenhausdebatte im Landkreis ohnehin ständig mit dem Thema befasst.

Die finanzielle Situation der Krankenhäuser werde von Tag zu Tag prekärer, so die eindringliche Mahnung der Landräte Helmut Riegger, Bastian Rosenau (Enzkreis), Klaus Michael Rückert (Landkreis Freudenstadt), Christoph Schnaudigel (Landkreis Karlsruhe), Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis), Christian Dusch (Landkreis Rastatt) und Stefan Dallinger (Rhein-Neckar-Kreis). Um den „kalten Strukturwandel“ zu beenden, forderten die Kreischefs nach Sprengel-Beratungen in Gernsbach (Landkreis Rastatt) „zeitnah ein mit mindestens fünf Milliarden Euro dotiertes Vorschaltgesetz“ zu der geplanten Krankenhausstrukturreform, heißt es in einer Mitteilung.

Finanzielle Lage

Die noch immer anhaltenden wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, die durch den Ukraine-Krieg befeuerten Kostensteigerungen sowie unter anderem Tariferhöhungen ließen die Defizite der Kliniken durch die Decke schießen, heiße es weiter in dem vierseitigen Schreiben.

Dabei wachse der finanzielle Verlust nach Berechnungen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft jede Stunde um rund 71 000 Euro an – und das obwohl die Kliniken in den Landkreisen schon längst einen grundlegenden Strukturwandel durchgemacht hätten. „Unsere Krankenhäuser und wir als kommunale Träger stehen dadurch inzwischen wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand“, erklären die sieben Landratskollegen.

Auch davon kann Riegger ein Lied singen: Allein die Kreiskliniken Calw gGmbH hat voriges Jahr ein Defizit von etwa 14,8 Millionen Euro erwirtschaftet. Das Unternehmen gehört zum Klinikverbund Südwest, der 2022 im Gesamten Verluste von mehr als 60 Millionen Euro schrieb.

Die Reform

Unterstrichen wird in dem Brief auch, dass man durchaus Hoffnung in die „vielfach angekündigte und im Grunde schon längst überfällige Krankenhausstrukturreform“ und insbesondere in die geplante Refinanzierung der Vorhaltekosten setze: „Patientinnen und Patienten sind nämlich keine Ware, sondern Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und zum Teil lebensbedrohlichen Erkrankungen, denen in unseren Kliniken mit hoher Kompetenz, großer Fachlichkeit, vor allem aber auch nicht zu unterschätzender persönlicher Zuwendung geholfen wird“, so die Grundaussage des Plädoyers.

Zugleich weisen sie darauf hin, dass nicht zuletzt die flächendeckende und wohnortnahe Krankenhausstruktur geholfen hat, besser durch die Pandemie zu kommen als viele europäische Nachbarländer. Das alles stehe auf dem Spiel.

Insolvenzen

Schon jetzt seien bundesweit mindestens 34 Kliniken in Insolvenz. Diese Insolvenzwelle betreffe nicht nur kleine Kliniken im ländlichen Raum und sei auch in Baden-Württemberg angekommen.

Um Insolvenzen zu verhindern, würden zudem die Landkreise als dafür unzuständige Ausfallbürgen in Haftung genommen und müssten mit Millionenbeträgen ein System subventionieren, das sich nach dem Grundgedanken der Sozialversicherung eigentlich selbst tragen müsse. „In unseren Augen ist das ein Armutszeugnis für unser Land.“

Auf dieser Basis fordern Riegger, Rosenau, Rückert, Schnaudigel, Brötel, Dusch und Dallinger schließlich die Abgeordneten dazu auf, in Berlin dafür Sorge zu tragen, dass die Krankenhäuser überhaupt die Chance bekommen, sich in zukunftsfesten Strukturen neu aufzustellen. Ein bloßes Warten auf die angekündigte Reform reiche nicht aus, da es noch Jahre dauere, bis die angestrebten wirtschaftlichen Folgen tatsächlich greifen.

Der Appell

„So lange werden viele Krankenhäuser aber unter den derzeitigen Rahmenbedingungen definitiv nicht mehr durchhalten können“, betonen die Landräte, die deshalb ein Vorschaltgesetz fordern, das es den Krankenhäusern ermögliche, überhaupt an der Reform teilzunehmen. „Eine Reform, die zu spät kommt, weil vorher schon Fakten geschaffen wurden“, verfehle ihren Sinn. „Wir sehen Sie als gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter deshalb da unmittelbar in der Pflicht, auch die Interessen der Menschen zu vertreten“, so der Appell am Ende des Schreibens, das an insgesamt 17 Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und FDP verschickt wurde. Schließlich gehe es bei dieser Frage um wirklich viel.