Pfarrerin Bettina von Kienle wünscht sich von ihrer Kirche mehr Humor. Foto: www.studio9-photoatelier.de /Gudrun Eckert

Bettina von Kienle hat zahlreiche Projekte ins Leben gerufen. Für ihre Ideen gewann sie bereits Preise.

Sie ist Pfarrerin, Klinikseelsorgerin, Trauerbegleiterin und Humortrainerin. Für Bettina von Kienle hilft Humor durch die Unwägbarkeiten des Lebens. Und Kirche ist für sie ein Ort, der nicht auf die Menschen warten sollte.

„Meine Generation hat Kirche noch als Selbstverständlichkeit erlebt“, sagt Bettina von Kienle. Das habe sich geändert, wie die vielen Kirchenaustritte zeigen, und darauf müsse die Kirche reagieren. Schon 2010 hat sie gemeinsam mit der Gemeinde Weiler ein „Konfi-Camp“ geschaffen, das dritte in Baden. Seite an Seite mit dem Ältestenkreis der Matthäusgemeinde fragt sie ständig: Was ist den Menschen wichtig, was brauchen sie? So entstanden in den vergangenen Jahren ein Trauer-Café, Spiele-, Sing-, Tanz- und Vortragsnachmittage sowie ein Mittagstisch in Gemeinschaft.

Treff der „verlassenen Eltern“ gegründet

Bei ihrer Arbeit als Seelsorgerin erlebt sie immer wieder, wie sehr Menschen am Ende ihres Lebens unter Brüchen innerhalb der Familie leiden. Daraus entstand der 2019 mit dem Sonderpreis für Diakonie und Seelsorge ausgezeichnete Treff der „verlassenen Eltern“, Vätern und Müttern, die keinen Kontakt zu ihren Kindern haben. Das jüngste Projekt spricht Menschen mit Post-Covid an, die erleben müssen, dass ihre Beschwerden von Ärzten und ihrer Umwelt nicht ernst genommen werden. „Da herrscht ein Riesenbedarf“, hat die Pfarrerin festgestellt.

Eine Predigt zu schreiben, gehört eigentlich zu den Routineaufgaben einer Pfarrstelle. Bettina von Kienle hat sich in der Kunst „wie sag’ ich’s“ weitergebildet – eine Maßnahme, die ihre Gottesdienste noch ansprechender für die Gläubigen machen soll. 2016 wurde sie mit einem ihrer Predigten in den Predigtpreisband der Deutschen Wirtschaft aufgenommen. Damals habe sie gerade ihr Humortraining beendet und beschäftigte sich in ihrer Predigt mit der Gelotophobie, der Angst davor, ausgelacht zu werden.

Predigt über einen sterbenskranken Menschen berührt

Im Dezember 2022 reichte sie ohne Angaben ihres Berufes und ihres Titels bei der Männerarbeit der Evangelischen Kirche Deutschlands eine Predigt ein über den wahren Fall eines sterbenskranken Menschen, der seinem Leben ein Ende bereitete. „Koste die Zeit aus“ lautet die Botschaft darin – die Jury war berührt und sprach ihr den dritten Preis zu.

Die Frage, wie man sein Leben mit Haltung beenden kann, beschäftigt Bettina von Kienle seither und sie sagt: „Die Diskussion darüber, ob ein Todkranker sein Leben aus eigenem Entschluss beenden darf, ist noch nicht abgeschlossen.“

Clownschule „Tamala“ in Konstanz besucht

Bei ihrer Ausbildung zur Klinikseelsorgerin entdeckte Bettina von Kienle ihr Talent für Humor. Sie besuchte die Clownschule „Tamala“ in Konstanz. Ihrer Rolle als Pfarrerin blieb sie dabei treu – die rote Nase bleibt stets in der Tasche. In der Humorausbildung ging es vielmehr darum, versteckte gute Gefühle, die jeder Mensch besitzt, bei Bedarf abzurufen. „Lachen befreit, erleichtert und macht Mut“, weiß Bettina von Kienle von ihrem Besuchen an Kranken- und Sterbebetten. Es lohne sich immer zu entdecken, was Freude macht. Das habe sie im Umgang mit ihrer dementen und inzwischen verstorbenen Mutter gelernt. Auch von ihrer Kirche wünscht sich Bettina von Kienle mehr Humor.

Um Humor dreht sich unter anderem auch das aktuelle Projekt der Matthäusgemeinde unter dem Titel „Zelt Gottes“. Vom 25. Juni bis 2. Juli wird auf dem Brigachtaler Festplatz ein Begegnungs- und Zirkuszelt errichtet, um glaubensnahe und -ferne Menschen – aus der Mitte der Gesellschaft und von deren Rand – miteinander ins Gespräch zu bringen. Ganztägig sollen ein Streichelzoo, Workshops, Konzerte, Tanz, Theater, gemeinsame Mahlzeiten und Gottesdienste angeboten werden. „Das Zelt ist ein Symbol für den ständigen Aufbruch im Leben, aber auch dafür, dass Gott mit uns geht“.

Zur Person

Kurzporträt
Bettina von Kienle ist 60 Jahre alt, wurde in Wertheim geboren und wuchs in Karlsruhe auf. Für das Studium der Theologie entschied sie sich als Schülerin nach dem Besuch eines Kirchentages in Nürnberg. Sie studierte in Göttingen und Tübingen und promovierte in Heidelberg. Vor 20 Jahren wurde sie Pfarrerin der evangelischen Matthäusgemeinde in Marbach, die auch die Seelsorgebereiche Brigachtal, Tannheim, Pfaffenweiler, Rietheim und Herzogenweiler umfasst. Die Gemeinde zählt derzeit rund 2400 Gläubige und hat in den vergangenen Jahren im Vergleich zur Region am wenigsten unter Kirchenaustritten gelitten.