Sie ist die Frechste: Kabarettistin Patrizia Moresco. Foto: /Szymanski

66 Jahre und kein bisschen weise. Und leise schon gar nicht: Heidenei – diese Patrizia Moresco ist die frechste der frechen Kabarettistinnen dieses Landes. Italienerin zumal – mit der entsprechenden Choreographie der Hände und des Körpers beim Erzählen und Singen.

Verschärfend kommt hinzu, dass sie nun in Berlin lebt. Der Stadt, in der die Schnoddrigkeit nahezu kultiviert wird. Will diese gestandene Frau mit Riesenstimme beim Sprechen und Singen uns unser Weihnachten vergällen? Jetzt, „wo süßer die Kassen nicht klingen“?

Aber nein. Wir wissen doch um die Absonderlichkeiten, die mit diesem Fest aller Feste einher gehen können. Das Gejingle und Gejangle aus allen Rohren in Geschäften. Der Glühwein, der eigentlich gar nicht gut schmeckt. Die Fressorgien, die Rudelbildung der Familie oder die Panik der Männer: Was schenke ich „ihr“?

Das ganze Jahr gibt nicht nur die Moresco viele Hinweise und befürchtet dennoch, dass eventuell ein Stringtanga mit Glitzerperlchen und Gedöns unter dem Weihnachtsbaum lauert, und von dem sich „er“ einen ordentlichen Schub in Richtung… Sie wissen schon. „Hoi“ tönt’s aus dem Publikum. Aber die Komikerin, die diese Bezeichnung nun wirklich verdient, brüllt: „Bitte – zehn Zentimeter mehr Stoff beim Schlüpper.“

Wenn es also so richtig schlüpfrig wird – und das kommt nicht selten vor an diesem Abend im kleinen Saal der Stadthalle – muss sie selber lachen. Und manche im Publikum reißt es nahezu von Sitz. Über die starke Szene im Bioladen oder dem veganen Wein. „Ja, isser denn bis jetzt in einer Schweinsblase verkauft worden?“

Man lacht über aufgespritzte Lippen, den Barbie-Wahn, die Figuren wie Röntgenbilder oder die Szene über Weihnachten, wie es wohl nur in italienischen Familien gefeiert wird: Essen, essen und essen und alle reden sehr laut und durcheinander. Keiner hört zu und doch sind alle informiert.

Schlapplachen kann man sich wirklich, wenn sie schildert, dass mit Tabledance wieder Schwung in die Bude komme, wie man ihr riet. Aber das ging bei der Moresco nicht gut aus – das akrobatische Winden um den rauen Katzenbaum. Die Frage Hund oder Mann ist schnell entschieden: „Der Hund versaut den Teppich, der Mann eventuell das ganze Leben.“

Wacker tobt Patrizia Moresco alle Themen ab, die quasi auf der Straße rumliegen. Wie die Influenzerei als Traumberuf von jungen Mädchen. Dazu ihr Rat: „Sei schlau, bleib dumm.“ Und warum alle am Heiligen Abend in die Kirche rennen, die sie sonst meiden wie der Teufel das Weihwasser. Das kann sie sich nicht erklären. „Dann ist die Hütte voll, und der Priester fühlt sich wie in Wacken.“

Aber unvermittelt hält sie inne. Der Rechtsruck in Europa mache nicht nur ihr Angst. Sie wolle doch nur in Frieden leben. 140 000 Rechtsradikale, wohin solle das führen. Sie kassiert dafür genauso kräftigen Applaus wie für diesen schnoddrigen, bunten Abend. „Frohe Weihnachten ihr Lieben“ wünscht die umtriebige 66-Jährige versöhnlich.