Verwirrend geht es gelegentlich vor dem Hechinger Amtsgericht zu. Am Mittwoch wurde intensiv verhandelt, ob ein Zeuge ein Aussageverweigerungsrecht hat. Foto: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Gericht: Vernehmung endet, bevor sie überhaupt begonnen hat / Belastende Aussagen werden nun bezweifelt

Wer dem Rechtsstaat nicht traut, sollte vielleicht mal eine Verhandlung vor dem Hechinger Amtsgericht verfolgen. Ein Termin am Mittwoch zeigte jedenfalls, dass es hier ausgesprochen fair zugeht.

Jungingen. Auf der Anklagebank sitzt ein Mann, dem vorgeworfen wird, er sei mit zwei anderen Männern aus dem ehemaligen Jugoslawien gemeinsam vor etwa sechs Jahren in das Wohnhaus eines Junginger Unternehmers eingebrochen. Wahrscheinlich hatten die Einbrecher einen Tipp erhalten, dass der Unternehmer im Urlaub war und wo der Tresor in seinem Haus steht.

Am zweiten Verhandlungstag nun war ein Mann als Zeuge geladen, bei dem die Möglichkeit bestand, dass er über diese Dinge zumindest gewusst haben könnte. Und der Angeklagte ist der Patenonkel seines Sohns. Allerdings: Vor Gericht darf ein Zeuge die Aussage verweigern, wenn er sich selbst belasten würde. Und auf genau dieses Recht machte ihn Richter Ernst Wührl ausführlichst aufmerksam, hatte es beim Zeugen in diesem Fall allerdings wirklich nicht leicht, die Sachlage zu klären.

Das fing schon damit an, dass der 47-jährige Rentner von einer Polizeistreife ins Gericht gebracht wurde, weil er die Vorladung wohl nicht erhalten hatte, wie er erklärte. Für ihn sei die Aktion extrem belastend, denn er leide unter einer posttraumatischen Störung, habe Angstattacken und schwerste Depressionen. Seine Eltern seien durch das Auftauchen der Polizei auch in helle Aufregung geraten.

Und nun stellte ihm der Richter nachdrücklich die schwierige Frage, ob er aussagen will. Wenn er nichts mit dem Einbruch zu tun habe, sei er dazu gesetzlich verpflichtet, wenn eine seiner Aussage aber Anhaltspunkte ergeben würde, dass er möglicherweise doch irgendwie am Einbruch beteiligt war, dürfe er schweigen.

Für den Zeuge eine Situation, die ihn länger nachdenken ließ, "denn ich kenne mich mit Gerichten überhaupt nicht aus." Dazu kommt, dass es noch einen zweiten Aspekt bei seiner Aussagepflicht zu berücksichtigen gab, denn bereits kurz nach der Tat vor sechs Jahren hatte er bei der Polizei ausgesagt. Nun deutete er aber vor Gericht an, dass vielleicht nicht alle belastenden Aussagen damals gestimmt hätten. "Ich hatte damals nur Panik, ich hatte davor hatte noch nie was mit der Polizei zu tun, ich habe einfach immer nur zugestimmt", erzählte er über die Vernehmung.

Wie sich aus dem Verlauf der Verhandlung ergab, könnten aber genau diese Aussage Hinweise gegeben haben, wer den Einbruch verübt hat. Dann hätte der Zeuge mit bewusst falschen Aussagen jemand anderen belastet. Und das ist strafbar. Allerdings verjährt so etwas nach fünf Jahren, und die Vernehmung durch die Polizei liegt schon länger zurück. Hier also hätte der Zeuge kein Aussageverweigerungsrecht gehabt.

So ging es hin und her, mehrfach wurde die Verhandlung für interne Beratungen kurz unterbrochen, und am Ende sagte der Zeuge nach einer Stunde und zehn Minuten Verhandlung den Satz: "Ich möchte nicht aussagen". Damit war die Sache für ihn erstmal ausgestanden und er durfte auf der Stelle aufstehen und nach Hause gehen.

Für Richter und Staatsanwältin war der Fall damit an diesem Tag erledigt. Angeklagter, sein Verteidiger, der Dolmetscher und zwei Beamte der Justizvollzugsanstalt mussten dagegen noch etwa eine Stunde nachsitzen, weil ein dickes Dokument für den Angeklagten noch in seine Heimatsprache übersetzt werden musste.