Elisa Badenes und das Ensemble bei Proben zu John Crankos „Konzert für Flöte und Harfe“ Foto: Ulrich Beuttenmüller

1966 inszenierte Peter Wright in Stuttgart seine berühmte „Giselle“. Viel zu tun für die Damen des Stuttgarter Balletts. Damit den Herren nicht langweilig war, dachte sich John Cranko für sie etwas Besonderes aus: Am Donnerstag, den 30. April, kehrt sein „Konzert für Flöte und Harfe“ auf die Bühne zurück.

Stuttgart - Nein, Tutus tragen sie keine. Aber sonst machte John Cranko in seinem Ballett „Konzert für Flöte und Harfe“ fast alles so, wie es das Publikum aus den weißen Akten der großen Klassiker „La Bayadère“ oder „Schwanensee“ kannte.

Ein Ballet blanc also, bei dem die in lupenreiner Gleichförmigkeit ausgeführte, klassische Bewegungsfolgen und die technischen Fertigkeiten der Tänzer im Mittelpunkt stehen. Mit dem Unterschied allerdings, dass 1966 keine Damen in weißen Röcken am Werk waren, sondern Herren in weißen Blusen und Hosen.

Die Tänzerinnen des Stuttgarter Balletts waren damals mit Peter Wright und seiner neuen „Giselle“ zu Gange. Den Herren gab John Cranko zu tun. Und wie! Reid Anderson, heute Intendant in Stuttgart, war zwar nicht bei der Entstehung von „Konzert für Flöte und Harfe“ dabei, da er erst 1969 zur Kompanie stieß. Doch das Stück hat er so oft und überall auf der Welt getanzt, dass er noch heute mit den Erinnerungen daran jede Bewegung abrufen kann.

Nach 27 Jahren kommt das Stück zurück auf die Bühne

„Cranko hat die Jungs technisch herausgefordert mit doppelten Drehungen und Arabesken, die sie lange halten mussten.“ Ein Spiegelbild zu „Giselle“ hatte der Choreograf im Sinn, beide Stücke standen lange Zeit gemeinsam auf dem Spielplan.

Das ist an diesem Donnerstag anders, wenn das „Konzert für Flöte und Harfe“ nach 27 Jahren zurück auf die Bühne kommt. Dann ist Crankos einziges Mozart-Ballett neben „Opus 1“, „Aus Holbergs Zeit“ und „Initialen“ teil des Abends „Alles Cranko!“.

Dass es fast zwei Tänzergenerationen lang nicht zu sehen war, hat mit dem großen Probenaufwand zu tun, der in den vollen Kalender des Stuttgarter Balletts integriert werden will. Umso größer scheint der Spaß, den die Tänzer damit haben. „Sie können das zeigen, was sie in der Schule gelernt haben“, sagt Reid Anderson, der sich wiederum darüber freut, seine starke Männerriege ins beste Licht rücken zu können.

Humor, Heiterkeit und Virtuosität

Dafür wurden die Kostüme vereinfacht, die nun von weiten Ärmeln und anderen Details befreit sind. Trotzdem: „Dieses Stück war nicht dafür konzipiert, modern zu sein“, betont Anderson, der den Fokus auf den Tanz legen will.

Der ist klassisch, und doch ist „Konzert für Flöte und Harfe“, das Humor, Heiterkeit und Virtuosität von Mozarts Musik im Tanz spiegelt, in manchen Punkten ein typischer Cranko. Seine Musikalität und sein Wille, das klassische Vokabular neu zu interpretieren, kommen auch hier zum Tragen.

„Ballette wie dieses waren nicht Crankos Markenzeichen“, schränkt Anderson ein. „Es war eher ein Geschenk ans Publikum und aus der Not geboren.“ Weil „Giselle“ das Budget belastete, musste der Hausherr etwas beisteuern, das nichts kosten durfte.

Zwei Damen bringen zusätzliche Spannung

Zwei Damen bringen in drei Pas de deux zusätzliche Spannung in das Ballett, das seine männlichen Solisten einfach aus der 12-köpfigen Gruppe herauslöst. „Es ist das einzige Ballett, das ich kenne“, sagt Anderson, „in dem die Solisten auch alles andere machen müssen.“

Und das 25 Minuten lang auf höchstem Niveau und bei maximaler Konzentration. Denn es gibt Stellen, die Wege der Tänzer so kompliziert miteinander verflechten, dass sie bei den Proben mit Namen wie „Häkeln“ bedacht wurden.

„Wer bei dieser Sequenz einen Fehler macht, hat die Hand eines Kollegen im Gesicht“, sagt Reid Anderson lachend. Und trotzdem: „Mozart, wie wir das Stück kurz nannten, war unser Lieblingsballett. Da stecken so viele Schritte drin, da gab es so viel, an was man denken musste, dass der Spaß immer da war.“

"Klassiker sind wichtig für die Erziehung des Ensembles"

Wieso überhaupt Klassiker? John Cranko hatte noch wenige Monate vor seinem Tod ein „Dornröschen“ angekündigt und erklärte: „Ich inszeniere diesen Klassiker, weil er für die Erziehung des Ensembles ebenso notwendig ist wie für das Publikum, das dadurch eine historische Perspektive gewinnen kann.

Ein Strawinsky ist ohne Bach nicht denkbar, ein Picasso nicht ohne einen Velázquez, ein gegenwärtiger Choreograf nicht ohne Petipa. Um dies bewusst zu machen, muss man die klassischen Werke, soweit sie noch vorhanden sind, dem Publikum immer und immer wieder vorführen.

Auch andere Werke als Verbindungsglieder zur Gegenwart wären wichtig, doch wagt man sie nicht, weil man sich damit dem Vorwurf, man sei altmodisch aussetzt.“ Eine Kritik, die nun aufs Neue überprüft werden darf.