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Handelsexperte Funder sieht positive Effekte des Deals, hält ihn aber für einen heißen Ritt.

Stuttgart - Auch nach dem Zuschlag für den Investor Nicolas Berggruen steht die insolvente Warenhauskette Karstadt noch auf wackeligen Beinen. Im Interview spricht Handelsexperte Jörg Funder vom Institut für Internationales Handelsmanagement an der Fachhochschule Worms über Chancen und Risiken.

Herr Professor Funder, ist Herr Berggruen als Investor eine gute Lösung für Karstadt?

Erst mal muss ich sagen, dass mich die Entscheidung positiv überrascht hat. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Alternative zum Tragen kommt. Sein Konzept ist noch relativ undurchsichtig, und deshalb schwer zu bewerten.

Herr Berggruen ist vor allem Kunst- und Immobilienhändler und hat geringe Erfahrung im Handel. Da fragt man sich natürlich, was er besser machen kann als das alte Management?

Aus den Eckpfeilern seines Konzepts, die bisher kommuniziert wurden, lassen sich drei positive Effekte ablesen: Erst mal die Kooperation mit dem Modeunternehmen BCBG (Anmerk. der Red.: bon chic bon genere, was übersetzt in etwa guter Stil, gute Klasse heißt) - eine US-Marke mit italienischem Designer - lässt erwarten, dass man das Textilsortiment stärken wird. Das ist positiv und passt auch zu einem Warenhaus. International machen Warenhäuser circa 60 Prozent des Umsatzes mit Textilien, bei Karstadt sind es etwa 40 Prozent. Deshalb liegt hier noch ein gewaltiges Potenzial. Zweitens soll BCBG, das selbst Marke ist, wohl als Marke ins Warenhaus gebracht werden, was das Angebot aufwerten würde. Ansonsten wäre es sehr schwer, eine Marke für die derzeitigen Warenhäuser zu gewinnen. Viele große Markenhersteller sehen das Warenhaus als etwas, das nicht ihrer Markenwelt entspricht. Eine Marke wie BCBG könnte da Signalwirkung haben.

Und der dritte positive Effekt?

Es sind höhere Rohertragsmargen zu erwarten, weil BCBG selbst Produzent ist und nun in den Verkauf geht. Da sind größere Spannen zu erwirtschaften, als wenn man über den traditionellen Einkauf gehen muss.

Wo sehen Sie die Risiken?

Das Risiko ist nach wie vor die Übernahme aller Häuser - es sind zu viele. Eigentlich passt BCBG nicht in jedes der Karstadt-Häuser. Zudem dürfte der Investitionsstau bei vielen der Immobilien immens sein. Es müssen auch neue Warenwirtschaftssysteme und Ähnliches etabliert werden. Auch ist die Marke Karstadt einigermaßen stark beschädigt. Das wird ein sehr heißer Ritt, weil so ein Konzept nicht leicht umzusetzen ist. Ich glaube, Herr Berggruen ist bereit, in ein großes Risiko zu gehen.

Wäre eine Lösung mit Metro der bessere Weg gewesen?


Metro-Chef Eckhard Cordes hat mehr oder weniger auf eine Zerschlagung von Karstadt gelauert, um sich die Rosinen unter den Warenhäusern herauszupicken und sie mit Kaufhof in eine Warenhaus-AG einzubringen. Wäre eine Lösung mit Metro der bessere Weg gewesen?

Es wäre die finalere Lösung gewesen, hätte aber bedeutet, dass irgendjemand knietief im Blut stehen müsste. Das Warenhausformat Kaufhof mit Karstadt hat einfach nicht so viel Potenzial, um alle diese Warenhäuser aufrechtzuerhalten. Karstadt hat 120 Häuser, Kaufhof 130, zusammen sind das 250. Von diesen hätten etwa 60 bis 70 langfristig das Potenzial zum Überleben.

Herr Berggruen will keine Zugeständnisse mehr von den Arbeitnehmern, sondern von den Vermietern. Aber Vermieter Highstreet hat schon mal abgewinkt. Wie erfolgreich können da Verhandlungen sein?

Das bleibt abzuwarten. Herr Berggruen ist natürlich in der guten Lage und kann argumentieren, wenn Karstadt dichtmacht, hat Highstreet keinen Mieter mehr. Die jüngere Historie zeigt, dass nicht alle diese Investoren - also auch Highstreet - bereit sind, Zugeständnisse zu machen. Bei Hertie hat Finanzinvestor Dawnay Day keine Zugeständnisse gemacht und damit die Abwicklung herbeigeführt.

Viele sagen, das Warenhaus ist ein Auslaufmodell, weil es zerrissen ist zwischen Spezialisten und Discountern. Wie muss ein Warenhaus der Zukunft aussehen, um zusätzliche Käufer für sich zu gewinnen?

Ich teile diese Meinung übrigens nicht. Es wird auch in Jahrzehnten noch Warenhäuser geben. Richtig ist, dass das Warenhaus ein Formatproblem hat mit der Zerrissenheit zwischen Spezialanbietern und Discount. International haben wir das Phänomen auch, und wir haben trotzdem äußerst erfolgreiche Warenhäuser. Das erfolgreiche Warenhaus in Deutschland müssen Sie entsprechend positionieren - und das ist die große Schwäche der bestehenden Warenhäuser. Sie decken die klassische tradierte Mitte ab, die es zunehmend nicht mehr gibt. Konsumentensegmente differenzieren, will heißen, es gibt immer spezifischere Bedürfnisse, die das Warenhaus nicht abdecken kann. Das bedeutet, das Warenhaus muss neue Zielkunden für sich definieren und sich entsprechend bei Sortiment, Preis und Bedürfnissen neu ausrichten.

Geht das so einfach?

Eigentlich ja, weil das nur die Notwendigkeit zur Entscheidung impliziert. Genau das ist das Problem. Sie sind gezwungen, sich zu entscheiden, und das ist das Schwierige - eben nicht mehr für alle da zu sein, sondern nur noch für bestimmte Gruppen.

Schafft es Karstadt allein bzw. ist das Unternehmen allein überlebensfähig?

Das ist schwierig zu bewerten, denn die Frage ist, wie das Konzept von Herrn Berggruen aussieht. Wird es ein Warenhaus weiter bleiben? Dann ist Karstadt alleine zu klein. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Herr Berggruen mit BCBG nur die Premiumhäuser betreibt - also Alsterhaus, Oberpollinger, KaDeWe - und die restlichen Häuser in eine andere Gesellschaft einbringt und vielleicht sogar weiter die Warenhaus-AG anstrebt. Das könnte eine Option sein. Aber das Ganze ist bisher noch undurchsichtig, weil bisher zu wenig vom Konzept bekannt ist. Das ist eine Mutmaßung.