Stuttgart - Eric Gauthier und Erik Reisinger verbindet mehr als nur der selbe Vorname. Beide sind Tänzer von Beruf, Sänger aus Leidenschaft. Während Eric Gauthier schon lange eine feste Institution der Stuttgarter Kultursezene ist, steht der junge Künstler Erik Reisinger noch relativ am Anfang seiner Karriere. Zum 25-Jahr-Jubiläum des Waiblinger Bürgerzentrums steht am Wochenende nicht nur die junge Kompanie von Gauthier Dance auf der Bühne - am Samstag tritt Gauthier selbst mit seiner Band auf. Als Opener: Erik Reisinger. Wir haben vorab mit den beiden gesprochen.

Eric Gauthier, ganz spontan: Sind Sie eher Sänger oder Tänzer?

Eric Gauthier: Das ist eine gute Frage: Mein Job ist ganz klar Tänzer, aber Musik macht mehr Spaß insofern, dass sie spontaner ist. Beim Tanz muss alles auf den Punkt vorgeplant sein, alles muss perfekt aussehen. Bei der Musik ist man da freier: Auf der Bühne kann ich machen, was ich will. Wenn ich mir Wasser über den Kopf schütten will, dann schütte ich eben.

Und Sie, Erik?

Erik Reisinger: Das ist schwierig zu beantworten. Ich habe so lang dafür gearbeitet und gekämpft, Tänzer zu sein. Trotzdem würde ich sagen, dass ich mich mehr als Sänger sehe. Es fühlt sich runder und richtiger an, wenn ich als Sänger auf der Bühne stehe. Beim Tanzen gibt es diese Momente auch, aber sie sind spärlicher gesät. Tanzen ist für mich Arbeit, Kampf - und trotz allem - Leidenschaft.

Sie kennen sich schon länger - wie kam es jetzt zu dieser Zusammenarbeit?

Erik Reisinger: Ich bin freier Tänzer und trainiere schon seit einiger Zeit fast täglich bei Erics Kompanie mit, um mich in Form zu halten. So haben wir uns kennengelernt.

Eric Gauthier: Eines Tages hat Erik mir erzählt, dass er auch singt und hat mir etwas vorgespielt. Das fand ich gleich toll und fragte ihn im vorletzten Sommer spontan, ob er Lust hätte, beim Klinke-Festival im Café Merlin meine Vorband zu sein. Ich spiele auf dem Festival schon seit acht Jahren und nehme jedes Jahr ein anderes junges Talent als Vorband. Erik war damals sehr gut. Also habe ich mir gedacht, frage ich ihn für Waiblingen doch gleich noch ein zweites Mal.

Eric, Sie haben als Solist am Staatstheater alles erreicht, was man sich als Tänzer wünschen kann, mit Gauthier Dance feiern Sie Erfolge. Wo liegt der Reiz, mit der Gitarre bei vergleichsweise kleinen Veranstaltungen aufzutreten?

Eric Gauthier: Ob große oder kleine Bühne - die Performance muss immer gut sein. Mit der Musik habe ich natürlich nicht das erreicht, was ich als Tänzer erreicht habe. In Waiblingen trete ich sowohl mit Gauthier Dance als auch als Musiker auf - zum Tanz kommen an beiden Tagen jeweils rund 800 Zuschauer, zum Konzert am Samstag nur 200. Das ist natürlich viel weniger, aber auch persönlicher: Ich kann locker sein, den ein oder anderen Witz reißen. Die Musik ist mehr oder weniger ein schönes Hobby - und das ist auch gut so.

Erik, schüchtert es Sie ein, dass Eric so viel Erfahrung hat?

Erik Reisinger: Darüber habe ich mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht. Aber jeder von uns macht sein eigenes Ding, seine eigene Musik. Ich versuche mich davon freizumachen zu vergleichen. Das ist auch der Unterschied von meinem Tanz und meiner Musik: Beim Tanzen vergleiche ich viel und übe viel Kritik an mir selbst - bei meiner Musik habe ich mehr das Gefühl: Das bin ich. Aber natürlich kann ich auch da noch viel an mir arbeiten und verbessern. Aber insgesamt freue ich mich einfach nur sehr auf den Auftritt. Ich hoffe, wir werden Waiblingen rocken!

Seite 2: "Ein Programm von Jungen für Junge"

Eric, auch wenn Sie aus Ihrem Alter ein kleines Geheimnis machen: Ein Jungspund sind Sie nicht mehr. Sehen Sie sich als Lehrer und Förderer der Jugend? Als Papa im Geiste sozusagen?

Eric Gauthier: In meinem Tanzkompanie bin ich Ballettdirektor - und damit raus aus der Phase der "jungen Wilden". Ich bin immer noch fit genug fürs Tanzen, aber in ein paar Jahren kann sich das auch ändern. Ich bin auf jeden Fall jemand, der an die junge Generation zurückgibt. Bei Gauthier Dance mache ich das ja schon. Wir machen ein Programm von Jungen für Junge. Damit bekommen wir auch ein ganz anderes Publikum ins Theaterhaus - eine neue Generation von Zuschauern.

Gibt es einen Rat des alten Hasen, den Sie Erik geben können?

Eric Gauthier:
Erik hat eine tolle Stimme und viel Talent. Ich glaube, er hätte das Zeug dazu, sich Leute dazuzuholen, eine Band zu gründen und eine Platte aufzunehmen. Er sollte auf jeden Fall nicht aufgeben, sondern weiterkämpfen.

Was sagen Sie dazu, Erik?

Erik Reisinger: Momentan läuft bei mir Tanzen und Singen parallel. Aber ich merke immer mehr, dass ich mich für eins von beidem entscheiden muss, denn gerade habe ich für keines richtig Zeit. Daher gebe ich Eric absolut Recht: Eine Band ist mein nächstes Ziel. Momentan trete ich aber noch mit Ben Flumm auf, der mich mit Gitarre und Klavier begleitet. Für den Moment ist das fantastisch. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, eher von der Musik zu leben als vom Tanz.

Ist Eric ein Vorbild für Sie?

Erik Reisinger: Für ein Vorbild sind die Richtungen, die wir einschlagen, doch zu unterschiedlich. Ich möchte meinen eigenen Weg gehen. Aber ich achte und bewundere Eric sehr für das, was er sowohl mit seiner Band, als auch mit seiner Kompanie und als Tänzer erreicht hat und bin sehr dankbar für die Chance, die er mir gibt.

Eric, seit Kurzem sind Sie Vater. Ändert sich damit auch der Blick auf die Kunst und die Karriere?

Eric Gauthier: Eigentlich nicht. Ich bin immer noch auf dem selben Weg - nur mit mehr Augenringen (lacht).

Wäre es da nicht manchmal verlockender, sich abends auf die Couch zu legen, als auf die Bühne zu gehen?

Eric Gauthier: Jetzt ist nicht der Moment, einen Gang runterzuschalten. Die Frührente kommt schon noch (lacht).

Eric Gauthier wurde 1977 im kanadischen Montreal geboren. Seine Tanzausbildung machte er an der National Ballett School in Toronto. Als Eleve lernte er beim National Ballett of Canada den Ballettdirektor Reid Anderson kennen, der ihn 1996 nach Stuttgart holte. Bis 2007 tanzte Gauthier am Staatstheater, 2008 gründete er seine eigene Kompanie "Gauthier Dance". Im Juli 2010 hatte das abendfüllende Stück "POPPEA//POPPEA" Premiere. 2004 gewann Gauthier den Preis "Best Songwriter of Baden-Württemberg". 2007 erschien die CD "Weak too Strong too Weak".

Erik Reisinger wurde 1981 in Stuttgart geboren. Nach dem Abitur am Evangelischen Mörike-Gymnasium in Stuttgart-Süd begann Reisinger 2001 sein Studium des Bühnentanzes an Hochschulen in Holland und Frankfurt. Danach hatte er Engagements am Stadttheater Gießen bei Tarek Assam und am Staatstheater Saarbrücken bei Marguerite Donlon. Seit 2009 ist Reisinger freier Tänzer und Sänger.