Stefan Bless: Und der Senf wird abends vor dem Fernseher reingespritzt. . . Foto: Leif Piechowski

Kleine Weißwürste mit integriertem Senf, Chips aus Maultaschen – den jungen Metzgermeister Stefan Bless langweilt es, einfach nur Wurst zu machen. Seinen Ideenreichtum hat die Branche zweimal hintereinander mit dem Innovationspreis des Fleischerhandwerks gewürdigt.

Stuttgart - Es riecht nach Fett, Fleisch und Tier. Es zischt und dampft. In einem Bottich brodelt der Sud. Eine Wurstküche wie viele andere? Von wegen. Stefan Bless kippt Hunderte Knöllchen, die kettengleich aneinander hängen, in eine Wanne. Mit seinen Metzgerpranken wälzt er die Miniwürste durchs Wasserbad. Das sei nötig, weil sich dann die Haut fast wie von selbst von der festen Brätmasse löst, sagt Bless. „Und heute Abend sitze ich mit meiner Freundin vor dem Fernseher, dann injizieren wir mit kleinen Spritzen den Senf in jedes einzelne Würstchen.“ Echt jetzt? Der Metzgermeister grinst: „Sie können es glauben oder auch nicht.“ Bless – ein Metzger, Witzbold und Geschäftsmann in Personalunion. Seine Angestellten mussten in ihren Arbeitsverträgen einen Passus unterschreiben. Der untersagt ihnen, jemals ein Sterbenswörtchen darüber zu verraten, wie die Stuggis, kleine Cocktailweißwürste mit integriertem Balsamico-Honig-Senf, hergestellt werden. Die Wurstkreation hat Bless als Marke eintragen lassen.

Stefan Bless ist 27 Jahre alt, er führt die elterliche Metzgerei in Stuttgart-Möhringen mit seiner Mutter seit sechs Jahren und in fünfter Generation. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters musste er sich ohne viel Erfahrung in einer Branche von Traditionalisten behaupten. Wenn man jung ist, eckt man mit Verrücktheiten an, musste Stefan Bless dabei erfahren. Als er seine Stuggis auf einer Innungsversammlung vorstellte, gab es manchen Spott. Ein argwöhnischer älterer Metzgermeister nahm ihn sich zur Brust und blaffte: „Jongr, isch die Wurscht so schlecht, dass ma da Senf neidoa muaß?“ Unter Metzgern gilt die Regel: Je besser die Wurst, desto weniger Senf braucht es. „Wart ab“, habe er geantwortet, so Bless. Inzwischen ist ihm der Respekt der Kollegen gewiss.

Selbstbewusstsein schlägt schwäbische Bescheidenheit

Stefan Bless wirkt wie ein Hansdampf, den man nur schwer stoppt. Wenn er erzählt, redet er ohne Punkt und Komma. Worte wie cool und Kult gehören zum Standardvokabular. Bless ist auf Facebook und Twitter unterwegs, vertreibt vom Bierkrug bis zum Damentanga via Online-Shop Fan-Artikel mit Stuggi-Aufdruck. Der Metzgermeister möchte mit modernen Variationen traditioneller Produkte „den lokalpatriotischen Nerv der Leute treffen“. Als Insidertipp in Stuttgart-Reiseführern vermerkt zu sein, das wär’s. Bless sagt Sätze wie: „Meine Stuggis sollen einmal in einem Atemzug mit der Maultasche genannt werden.“ Selbstbewusstsein schlägt in diesem Fall die schwäbische Bescheidenheit.

Hinter alldem steckt Strategie. Seine kleine Metzgerei liegt in Möhringen etwas ab vom Schuss, die älteren Stammkunden werden weniger, jüngere kaufen lieber beim Discounter, „also musste ich mir etwas ausdenken, mit dem ich Aufmerksamkeit wecke“. Außerdem wurde ihm das klassische Wurstmachen „irgendwann zu langweilig“.

„Kürzlich kam ein Kunde, der verlangte Schwabenchips“

Beflügelt vom Innovationspreis 2011 der Branche für seine Stuggis, hat Bless jetzt die Schwabenchips kreiert: in dünne Scheiben geschnittene Maultaschen, die – frittiert, gebacken und mittels einem biochemischen Verfahren getrocknet – so knusprig und gewellt sind wie die klassischen Begleiter zum Fernsehabend. Dafür hat er 2012 die gleiche Auszeichnung erhalten – und die Konkurrenz aufgeschreckt. „Kürzlich kam ein Kunde, der verlangte Schwabenchips. Die Verkäuferin hat er bis ins Detail danach ausgefragt“, berichtet Bless. Der Mann, so stellte sich heraus, war Vertriebsleiter beim Maultaschengroßproduzenten Bürger. Auch die Schwabenchips will sich Bless schützen lassen, „das Verfahren läuft“.

Das Geschäft mit dem Ungewöhnlichen treibt zuweilen Blüten, die selbst Stefan Bless staunen lassen. Als jüngst alle Welt über den Pferdefleischskandal debattierte, wurde er gefragt, ob er denn Pferdefleisch für seine Stuggis verwende, da er doch mit dem Rössle, dem Stuttgarter Wappentier, werbe. Und weil der Stuggi-Schriftzug auf der Verpackung grün ist, sah ein anderer darin ein Indiz für Bless’ Nähe zur Öko-Partei. Dabei sei er eher unpolitisch. Stefan Bless, der aus Opposition dem Vater gegenüber eigentlich Bäcker werden wollte, fühlt sich viel wohler in der Rolle des jungen wilden Metzgers, der nicht anders kann, als sich ständig etwas Verrücktes auszudenken. Er tüftelt bereits wieder in seiner Wurstküche „an etwas Neuem mit Maultaschen“. Grinst und schweigt, auch wenn ihm dies sichtlich schwerfällt.

www.metzgerei-bless.de