Rolf Frankenberger will die Unechte Teilortswahl beibehalten. Foto: Stopper

Rolf Frankenberger ist einer der Initiatoren hinter dem Bürgerentscheid zur Beibehaltung der Unechten Teilortswahl.

Hechingen - Im Interview erklärt er seine Beweggründe.

Herr Frankenberger, warum muss man aus Stetten sein, um als Stadtrat auch Stettener Interessen vertreten zu können?

Dass man das muss, würde ich nicht sagen. Aber zweifellos kennt sich ein Stettener im Ort besser aus als jemand, der dort nicht wohnt, dort nicht in Vereinen ist, die Einwohner dort nicht als Nachbarn hat oder von Veranstaltungen kennt. Deshalb bin ich überzeugt, dass ein Stettener besser für Einwohner von Stetten reden kann. Und eine Weilheimerin für Weilheim.

Dann könnte ein Stettener Gemeinderat aber nicht die Interessen der Boller und Weilheimer vertreten?

Doch. Ich denke, dass es viele Themen gibt, die die Einwohner der Ortsteile verbinden, die sie anders sehen als Kernstadt-Einwohner. Fragen von Neubaugebieten etwa, von der speziellen Infrastruktur, die die Ortsteile brauchen, von der Bedeutung von Schulen und Kindergärten für eine Ortschaft. Ein Gemeinderat aus einer Ortschaft sieht das eventuell anders als einer aus der Kernstadt – und kann dennoch auch das Ganze im Blick behalten

Stehen die Ortschaften nicht eher in Konkurrenz zueinander um die Verteilung städtischer Finanzen?

Im Gegenteil - die gemeinsamen Interessen überwiegen. Denn die Hechinger Teilorte sind alle in der gleichen Lage. Sie sind in der Minderheit. Vielleicht sollten die Stadträte aus den Ortschaften sich künftig auch mehr abstimmen.

Durch Baugebiete leben immer mehr Zugezogene in den Ortschaften. Das verwässert doch den Ortschaftsgedanken.

Auch wer in eine Ortschaft zieht, lebt ja dort, nutzt die dortigen Angebote, lässt die Kinder im örtlichen Kindergarten betreuen oder in der Grundschule, tritt eventuell in einen örtlichen Verein ein oder fühlt sich der Kirche dort verbunden. Dort, wo man lebt, fühlt man sich auch verbunden. Und das sollte bewahrt und gestärkt werden. Auf der politischen Ebene ist es ein wichtiges Symbol, dass die Teilorte "eigene" Gemeinderäte stellen.

Es gibt aber doch die Ortschaftsräte, die alle Themen, die Ortschaften betreffen, vorberaten.

Ja, abstimmen dürfen aber am Ende nur die Gemeinderäte. Und das machen sie dann doch mitunter, ohne auf die Ergebnisse der Vorberatungen zu achten. Zudem gibt es die Ausschüsse, Fraktionen und sonstigen Gremien, in denen wichtige Beratungen stattfinden und Vorentscheidungen getroffen werden. Da hat ein Ortschaftsrat keinen Einblick.

Führt die Unechte Teilortswahl nicht zur Zersplitterung der einer Sadt?

Nein, sie führt meiner Ansicht nach zu einer Einheit in Vielfalt. Sie garantiert, dass die Wohnorte einen garantierten Einfluss im Gemeinderat haben. Und ich bin der festen Überzeugung, dass sie auch das politische Engagement stärkt. Wer eine lebendige Gemeinschaft will, braucht auch lokal engagierte Menschen. Die Unechte Teilortswahl ist ein Symbol dafür, dass das Engagement von Leuten aus den Ortschaften für die Belange der Stadt gewünscht ist.

Für den Gemeinderat kandidiert man auf Parteilisten. Finden Sie die Ortszugehörigkeit wichtiger?

Es sind eben zwei unterschiedliche Herangehensweisen, wie Bürgerinnen und Bürger vertreten werden – einmal bezogen auf den Wohnort und einmal auf die Parteien. Damit die Interessen der Einwohner einer Stadt im Gemeinderat gut abgildet sind, finde ich jedenfalls sehr wichtig, dass alle Wohnorte dort vertreten sind. Eigentlich ist das für mich auf lokaler Ebene wichtiger als Parteizugehörigkeiten.

Das Wohngebiet Stockoch hat mehr Einwohner als die meisten Stadtteile, hat aber keine garantierte Vertreter im Stadtrat.

Meiner Meinung nach könnte man durchaus auch dort garantierte Sitze zuordnen. Warum eigentlich nicht? Das würde vielleicht auch dort und in anderen Stadtteilen zur Gemeinschaftsbildung beitragen. Bei den zahlreichen Gesprächen fanden es jedenfalls die Kernstadtbewohner selbstverständlich, dass die Teilorte auch im Gemeinderat vertreten sein sollen. Und die Idee garantierter Sitze für weitere Wohngebiete wurde da auch immer wieder geäußert. Je näher man die Politik und die Politiker zu den Menschen bringt, desto besser, würde ich sagen.

Die meisten Kommunen gehen den anderen Weg. Balingen und Albstadt haben die Unechte Teilortswahl abgeschafft.

Nur weil jemand anderes etwas macht, muss man das ja nicht nachmachen. Und ich habe gehört, dass dort auch nicht alle mit der Situation glücklich sind. Es gibt im Gegenteil auch Kommunen wie etwa Haigerloch oder Kusterdingen, die bewusst die Teilortswahl beibehalten – weil sie ein Erfolgsmodell ist, das die Interessen aller Teilorte wahrt und damit auch den sozialen Frieden.

Schürt der Bürgerentscheid nicht Zwietracht in der Stadt? Ortsteile gegen Kernstadt – wo führt das hin?

Das ist doch gar nicht der Sinn und Zweck eines Bürgerentscheids. Dieser soll in einer politisch kontroversen Situation Klarheit schaffen. Denn es gab ja doch ganz unterschiedliche Positionen. Der Gemeinderat hat die Abschaffung der Teilortswahl gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Ortschaftsräte und auch der Stadträte aus den Teilorten abgeschafft. Das ist doch der perfekte Anlass, die Bürgerinnen und Bürger selbst zu fragen. Sie sind schließlich diejenigen, die durch den Stadtrat vertreten werden sollen – also sollen sie auch entscheiden, nach welchem Verfahren. Das wäre aus meiner Sicht von vorneherein der richtige Weg gewesen bei dieser Gemengelage.

Wurde die Frage der Abschaffung nicht wichtig genug genommen?

Ich denke, dass einige die Bedeutung der Teilortswahl – sowohl auf politischer als auch auf symbolischer Ebene - unterschätzt haben. Als wir Unterschriften für das Bürgerbegehren gesammelt haben, haben wir vor allem unter älteren Einwohner geradezu eine Verbitterung gespürt, dass hier so über Ortschaftsinteressen hinweg gegangen wurde. Das sind diejenigen, die die Eingemeindung aktiv miterlebt haben und auch für die Interessen der Teilorte aktiv waren. Aber auch die Jüngeren finden die Teilortswahl wichtig für den Zusammenhalt der Stadt. Und sie sind die Zukunft. Sie sollen und wollen sich einbringen – und da ist die Teilortswahl ein wichtiger Bestandteil.