Malaria-Überträger: die Anopheles-Mücke Foto: dpa/James Gathany

Schon seit vielen Jahren arbeiten Forschende an Vakzinen gegen die tückische Krankheit. Nun hat die weltweit erste Impfkampagne begonnen. Der Tübinger Tropenmediziner Peter Kremsner erklärt, was die Malaria-Impfstoffentwicklung so kompliziert macht.

In Kamerun werden seit dieser Woche Kinder gegen Malaria geimpft. Für Touristen gebe es diese Möglichkeit bislang nicht, sagt Peter Kremsner vom Institut für Tropenmedizin der Universität Tübingen.

 

Herr Kremsner, jedes Jahr sterben eine halbe Million Kinder an Malaria. Jetzt startet Kamerun die weltweit erste Impfkampagne. Sind Sie froh?

Das ist auf jeden Fall eine gute Nachricht. Der Impfstoff des Herstellers Glaxo Smith Kline (GSK), bei dem wir in der klinischen Entwicklung beteiligt waren, schützt zwar nicht zu hundert Prozent, doch eine Wirksamkeit von anfangs 60 bis 70 Prozent senkt das Krankheitsrisiko spürbar. Ergänzend sind aber nach wie vor die traditionellen Schutzmaßnahmen erforderlich.

Zum Beispiel?

Mückennetze und Insektizide zur Mückenabwehr sind weiterhin sinnvoll. Auch Medikamente zur Vorbeugung, die nur zeitweise gegeben werden – etwa in der Schwangerschaft oder bei Kleinkindern – haben weiter ihren Platz in der Malariabekämpfung in Afrika. Es gibt auch Ansätze, solche prophylaktischen Therapien in Kombination mit der Impfung einzusetzen. Wenn man das vor der großen Malariasaison in der Sahelzone macht, bringt das viel. Sehr wichtig bleibt aber auch die schnelle Diagnose und prompte Behandlung von Malaria.

Was ist die größte Schwierigkeit bei der Entwicklung von Malaria-Impfstoffen?

Malaria ist eine parasitäre Infektionskrankheit. Parasiten sind wesentlich komplexer als Bakterien oder Viren. Bei einem Virus gibt es oft nur zwei oder drei Proteine, gegen die man einen Impfstoff machen kann. Bei parasitären Erregern hat man es dagegen oft mit ein paar Tausend potenziellen Zielen zu tun, die untersucht werden müssen. Deshalb gibt es außer RTS,S (Handelsname Mosquirix) von GSK und der RTS,S-Kopie R21 von der Universität Oxford bisher keine weiteren Malariaimpfstoffe.

Wir wirken diese Impfungen?

Sie richten sich gegen das Circumsporozoitenprotein (CSP). Dieses Eiweißmolekül ist das wichtigste Oberflächenprotein der Sporozoiten – also jenes Erregerstadiums, das beim Stich einer infizierten Mücke in die menschliche Blutbahn gelangt. RTS,S wie auch der später hinzu gekommene Impfstoff R 21 zielen auf dieses Protein. Die Entwickler aus Oxford haben die identische Gensequenz verwendet und nur das Adjuvans – also den Wirkverstärker – etwas verändert.

Ihre Arbeitsgruppe arbeitet an einem Lebendimpfstoff auf Basis vollständiger Sporozoiten.

Genau. Damit dadurch niemand Malaria bekommt, müssen die Sporozoiten abgeschwächt werden. Das geht zum Beispiel mit radioaktiver Bestrahlung. Sie können dann zwar noch in Leberzellen eindringen, sind da aber nur noch etwa zwei Tage aktiv, bevor sie absterben. Das reicht, um die Produktion von Antikörpern und Immunzellen in Gang zu setzen. Leider braucht man dazu sehr viele Sporozoiten, die aufwendig hergestellt werden müssen.

Gibt es auch andere Möglichkeiten?

Ja. Eine nennt sich chemische Attenuierung. Dabei werden infektiöse Malariaerreger zusammen mit einem Antimalariamittel injiziert, das die Parasiten abtötet, bevor die Krankheit ausbrechen kann. Diese Zeit reicht für die Immunisierung aus. Bisherige Daten sprechen dafür, dass man dafür wesentlich weniger Sporozoiten braucht und die Herstellung dadurch billiger wird. Ein weiterer Weg ist die genetische Modifizierung der Parasiten. Dabei wird ihr Erbgut so verändert, dass sie aus der Leber nicht mehr ins Blut kommen. Das ist vielleicht die eleganteste Lösung, bei der es aber noch den größten Forschungsbedarf gibt.

Wann könnte ein Lebendimpfstoff verfügbar sein?

Wenn es gut läuft, könnten wir auf Basis der chemischen Attenuierung in zwei Jahren einen einsetzbaren Impfstoff haben.

Die Schutzwirkung von RTS,S ist nicht sehr hoch. Könnte ein Lebendimpfstoff, der zur Bildung eines breiteren Antikörperspektrums führt, besser wirken?

Ich halte das für sehr wahrscheinlich. Aber es gibt dazu noch keine Vergleichsstudien – genauso wie zur Dauer der Schutzwirkung. RTS,S verringert das Infektionsrisiko für sechs bis zwölf Monate um rund 60 bis 70 Prozent, danach schwächt sich die Wirkung ab und kann bis auf 30 Prozent nach vier Jahren zurückgehen. Für einen länger anhaltenden Schutz werden höchstwahrscheinlich Auffrischungsimpfungen nötig sein.

Malaria spielt in Industrieländern kaum eine Rolle. Hat die Impfstoffentwicklung auch deshalb so lange gedauert?

Auf jeden Fall. Malaria ist eine Erkrankung der Tropen und dort vor allem der armen Bevölkerungsschichten. Deshalb kann man damit nicht viel verdienen, allenfalls in der Reisemedizin. Hier besteht auch eine große Nachfrage nach einer Malariaimpfung. Doch bisher gibt es zum Schutz für Reisende, abgesehen vom Mückenschutz, nur die Chemoprophylaxe mit Antimalariamitteln, die man vor, während und nach jeder Tropenreise einnehmen muss.

Obwohl sich in Kamerun nicht viel verdienen lässt, liefert der Pharmakonzern GSK bis 2025 rund 18 Millionen Impfdosen dorthin. Ist das eine PR-Aktion?

So kann man es sehen. Die stehen in der Verantwortung und auch in der Schuld der Gates-Stiftung, die einen großen Teil der Impfstoffentwicklung finanziert hat. Aber die bisher geplanten Produktionsmengen werden nicht reichen. Deshalb ist es gut, dass auch die Impfstoff-Kopie aus Oxford zugelassen wurde. Eine indische Firma hat angekündigt, dass sie den in deutlich größeren Mengen herstellen könnte. Man muss sehen, ob das dann tatsächlich so kommt.

Ist es ein Vorteil, wenn ein Impfstoff gegen eine Tropenkrankheit in einem tropischen Land hergestellt wird?

Ich sehe keinen Vorteil. Die Marktmechanismen sind letztlich überall gleich. Die Unternehmen, die so ein Präparat herstellen, müssen einen enormen Aufwand betreiben und wollen logischerweise auch etwas verdienen. Das ist in Indien, Gabun oder Kenia nicht anders als in Deutschland oder den USA.

Experte für Tropenkrankheiten

Position
Peter Kremsner (Jahrgang 1961) leitet das Institut für Tropenmedizin an der Tübinger Uniklinik. Zudem ist er Wissenschaftlicher Direktor des Albert-Schweitzer-Kranken-hauses in Lambaréné (Gabun).