Christiane Benner begeistert die Delegierten. Foto: dpa/Arne Dedert

Mit dem besten Wahlergebnis seit 58 Jahren ist Christiane Benner als erste Frau an die Spitze der IG Metall gewählt worden. Die neue Vorsitzende setzt gleich erste Duftmarken, wie sie die Gewerkschaft verändern will.

Wie sich die Zeiten bei der IG Metall doch ändern. Noch 2011 scheiterte die Führung auf dem Gewerkschaftstag in Karlsruhe mit einem zentralen Reformvorstoß: der Verkleinerung des geschäftsführenden Vorstands von sieben auf fünf Angehörige. Seinerzeit mussten rasch noch Kandidaten für die unerwartet vakanten Plätze gefunden werden – Christiane Benner und Jürgen Kerner. „Ich war der Plan B“, sagt Benner heute. Seit diesem Montag führt die 55-Jährige unangefochten die Gewerkschaft an. Sie erhielt als erste Frau in diesem Amt mit 96,4 Prozent (401 Ja-Stimmen, 15 Nein) das beste Wahlergebnis für den Vorsitz seit 58 Jahren – 1965 hatte Otto Brenner fast 99 Prozent eingefahren.

Kurz darauf wurde die Jubelstimmung auf dem Frankfurter Messegelände allerdings jäh unterbrochen: Nach der Vorstellungsrede von Jürgen Kerner wurde im Wahlgang für den zweiten Vorsitz ein Notfalleinsatz notwendig – ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen war in einer der ersten Reihen kollabiert. In der Folge wurde der Kongress für eine längere Zeit unterbrochen, bis der Betroffene im Krankenhaus angekommen war. Dann wurde verkündet, dass Kerner mit 95,6 Prozent (394 Ja- und 18 Nein-Stimmen) gewählt worden war.

Benner will mehr Sichtbarkeit in den Medien

Benner hatte mit einer kämpferischen Rede die mehr als 400 Delegierten begeistert: Im „größten Umbau seit mehr als 100 Jahren“ müsse die Industrie weiterentwickelt und nicht abgewickelt werden. „Wir kämpfen um jede und jeden Beschäftigten.“ Auch konstatierte sie, etwas überraschend, eine mangelnde Sichtbarkeit der größten deutschen Gewerkschaft: „Wir kommen zu wenig vor – vor allem in der Öffentlichkeit und in den Medien.“ Die IG Metall müsse sich da anders aufstellen, sagte Benner. „Ich gehe da gerne voran – ich will, dass wir mehr gesehen und gefragt werden.“

Gemeint ist nach den Ergänzungen von Kerner, dass die IG Metall stärker in die Talkshows, die Lokalmedien und die Onlinemedien der Jugend vordringen wolle. „Wir sind eine der letzten Organisationen, denen die Menschen noch Vertrauen entgegenbringen“, sagte der bisherige Hauptkassierer. „Wir können Stammtisch und Kanzleramt, wir müssen es nur noch transparenter machen.“

Zudem erneuerte die 55-jährige Benner das Versprechen, dass sich die neue Führung als Team präsentieren wolle, zudem in einer „engeren Zusammenarbeit mit den Bezirken“. Die neuen Konzepte sollen „von unten nach oben entstehen“. Die IG Metall sei „stark und quicklebendig“, rief Benner in den Saal. „Wir werden das rocken.“ Zuvor hatte ihr Vorgänger Jörg Hofmann gelobt, dass Benner die Kompetenz und die Strahlkraft habe, die IG Metall nah innen und außen zu repräsentieren.

Bundesweiter Aktionstag am 24. November

Auch beim Brückenstrompreis lässt die IG Metall vor dem Kanzlerbesuch an diesem Dienstag nicht locker: Wenn diese Forderung jetzt nicht durchgesetzt werde, gebe es in zehn Jahren zwar genügend grünen Strom aus Offshore-Windenergie, „aber keine Industrie mehr“, warnte Kerner. Sollte der Brückenstrompreis nicht kommen, werde es am 24. November einen bundesweiten Aktionstag gemeinsam mit der Chemiegewerkschaft geben, um der Politik „Dampf zu machen“.

Im Kampf gegen den Rechtsradikalismus mahnte Kerner mehr Stärke in den Betrieben an – „sonst verlieren wir Stück für Stück unsere Basis“, sagte er. „Wir müssen den Mut aufbringen, noch mehr in Betrieben zu diskutieren, noch mehr Haltung zu zeigen und Lösungsansätze aufzuzeigen.“

87 Prozent für die Stuttgarterin Boguslawski

Die Stuttgarter Bevollmächtigte Nadine Boguslawski erhält im engsten Führungskreis die Verantwortung für die Tarifpolitik und wird neue Hauptkassiererin. 360 Ja-Stimmen (bei 52 Nein) brachten ein Votum von 87,4 Prozent. Mit großer Mehrheit ins Team gewählt wurden auch der erfahrene Sozialpolitiker Hans-Jürgen Urban (397 Ja-Stimmen, 95,2 Prozent) und als neue Kraft Ralf Reinstädtler (380 Ja, 92,2 Prozent), der zuletzt die Geschäftsstelle Homburg-Saarpfalz geleitet hat.

Und noch etwas ist bezeichnend: Kurz vor der Wahl Benners war die schon 2011 beabsichtigte Verkleinerung des geschäftsführenden Vorstands vollendet worden – die Satzungsänderung wurde bei nur wenigen Gegenstimmen und ohne jede Diskussion beschlossen. Niemand wollte dagegen reden, was selbst den Versammlungsleiter, den Heidelberger Mirko Geiger, überraschte. So findet die IG Metall zu einer bisher kaum gekannten Geschlossenheit.