Nach den Grundstückspreisen und der unechten Teilortswahl sorgt nun die Greensill-Bank für viele Besucher im Gemeinderat. Für reichlich Unmut unter den Bürgern sorgt allerdings, dass die meisten die Sitzung nur aus dem Foyer und vom Gang aus verfolgen können. Foto: Sigwart

Die Sitzung hatte noch nicht einmal angefangen, schon gab es reichlich erzürnte Bürger. Denn unter Corona-Bedingungen wurde es dann doch schwer, alle in der Stadthalle unterzubringen, ohne die Mindestabstände zu verletzen.

Hüfingen - Nur wenige fanden direkt im Saal Platz, der Rest musste im Foyer und auf dem Gang sitzen. Manch einem hat sich während der zweieinhalb Stunden, in denen der Fall Greensill im Gemeinderat thematisiert wurde, nur der Blick auf eine weiße Wand geboten.

Zu sehen gab es eh nicht viel. Den Gemeinderat in üblicher Form und die Verwaltungsbank, wo zwei weit gereiste Gäste Platz genommen hatten. Zum einen Andreas Lang, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Frankfurt am Main, der acht baden-württembergische Kommunen vertritt, die bei der Greensill-Bank Geld angelegt hatten. Und Roland Eller, ein Berater aus Potsdam, der gemeinsam mit der Verwaltung die Anlagerichtlinien der Stadt überarbeitet hat. Sie sollen die Verwaltung in verschiedenen Bereichen nicht nur in der Aufarbeitung des Greensill-Falls unterstützen und Wege aufzeigen, wie so etwas zukünftig vermieden werden soll. Es ruht auch eine gewisse Hoffnung auf Lang, dass er es irgendwie schafft, dass Hüfingen die drei Millionen Euro oder einen Teil davon vielleicht doch noch wiedersieht.

Genauer Prozentsatz ist Kaffeesatzleserei

Laut Anwalt sei es zum jetzigen Zeitpunkt zwar Kaffeesatzleserei, sich auf einen genauen Prozentsatz festzulegen, mit dem die Stadt Hüfingen rechnen könne. Die Historie von Bankeninsolvenzen zeige aber, dass in der Vergangenheit durchaus eine Quote von 30 bis 50 Prozent abgedeckt werden könne. "Vor diesem Hintergrund kann ich die Einschätzung eines Totalverlusts nicht teilen", sagt der Bankenexperte. Und dann gebe es ja auch noch die Eigenschadensversicherung. "Es wurde ja auch von Fehlern gesprochen und genau für solche Fälle wird ja auch eine solche Versicherung abgeschlossen."

Viele Fragen sind allerdings noch offen: "Für den 8. Juni 2021 ist eine erste Gläubigerversammlung angesetzt und wir werden für die Stadt vor Ort sein und ihre Interessen vertreten", sagt Lang und fügt hinzu: "Es ist davon auszugehen, dass Insolvenzverwalter dort einen ersten Überblick über die finanzielle Situation und Gründe für die Insolvenz verkünden." Doch nicht nur im Bezug auf die Greensill-Bank gebe es noch offene Fragen. Die Staatsanwaltschaft ermittle auch wegen Bilanzfälschung. Und daraus stelle sich die Frage: Hätten das die Wirtschaftsprüfer merken müssen, und seit wann und was genau wusste die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über die Finanzmanipulation, und hätte man früher handeln müssen?

Doch Lang arbeitet nicht nur die Greensill-Akte für die Stadt Hüfingen auf, sondern prüft auch die Vorgänge innerhalb der Verwaltung. Die Verwaltung habe das Rating nur unzureichend geprüft und die Bank habe zum Zeitpunkt der Anlage nur noch ein B-Rating gehabt. Laut Geldanlagerichtlinien der Stadt brauche es aber ein A-Rating oder besser. "Somit wäre eine Festgeldanlage nach den Richtlinien der Stadt nicht zulässig gewesen", sagt Lang. Allerdings müsse man auch noch prüfen, ob der Finanzmakler, durch den die Stadt auf die Greensill-Bank aufmerksam wurde, haftbar gemacht werden könne.

Umfassendes Gutachten in Arbeit

Lang hat auch den Auftrag, ein "umfassendes" Gutachten zu erstellen. "Im Laufe des Mai werden wir erste Ergebnisse vorlegen können", sagt der Anwalt. Was wohl schon vorliegt, sind die neuen Richtlinien, die Regeln wann und wie die Stadt Hüfingen ihr Geld anlegen kann. "Wir als Verwaltung haben die Anlagen überarbeitet und wir haben dabei mit externen Beratern zusammengearbeitet", sagt Bürgermeister Michael Kollmeier. Die Rede ist hier von Roland Eller, der allerdings schon einmal die Hoffnung nimmt, dass es eine absolute Sicherheit für Geldanlagen gibt. "Wir müssen uns alle damit abfinden, dass wir mit Negativzinsen konfrontiert werden und dass es nicht mehr die Möglichkeit gibt, durch Geldanlagen Geld zu verdienen", erklärt Eller.

Selbst wenn man alles Geld abhebe und in den Tresor lege, könne man nicht sagen, was dann passiert. Risiken und Ausfallwahrscheinlichkeiten könnten reduziert werden, aber nicht komplett. "Und die besten Anlagerichtlinien helfen nichts gegen Betrug und Finanzmanipulation", sagt Eller.

Und so manchem Stadtrat stand es auf die Stirn geschrieben: Sie helfen auch nicht, wenn man das Rating nicht prüft. Trotzdem sollen die Stadträte nun die überarbeiteten Richtlinien diskutieren und verabschieden – wohl aber hinter verschlossenen Türen. Ein Diskussionspunkt wird dann wohl sein, wer die Verantwortung zukünftig trägt: Muss der Gemeinderat hohe Geldanlagen absegnen oder soll sich die Kämmerei weiterhin als Experte auf diesem Gebiet um die Aufgabe kümmern?

Bürgermeister: Stelle mich hinter Mitarbeiter

Apropos Kämmerei: Auch Michael Binninger hatte vorne auf der Verwaltungsbank Platz genommen. Sichtlich geknickt saß er zwischen den Wortführern, nur einmal – auf Nachfrage – gab er dann Auskunft. Stattdessen wurde eher über ihn und seinen Mitarbeiter gesprochen. Wer die Transaktion Anfang des Jahres gemacht hatte, hatte Bürgermeister Michael Kollmeier am 17. März verkündet und dafür auch viel Kritik eingesteckt. Nun reagiert er: "Ich stelle mich hinter und vor meine Mitarbeiter. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler und wenn ein Fehler passiert, dann benennen wir ihn auch", sagt Kollmeier. Das gehöre zu der von ihm immer geforderten Transparenz auch dazu. Dass sein oberster Dienstherr sich nun in aller Öffentlichkeit "hinter und vor" ihn stellt, hat auch der entsprechende Mitarbeiter der Kämmerei vernommen. Er saß zwar nicht auf der Verwaltungsbank, hatte aber vom Großteil unbemerkt unter den Zuhörern Platz genommen.

Nach zweieinhalb Stunden war zwar das Thema Greensill ausführlich diskutiert, die Sitzung aber noch lange nicht vorbei. Für die Bürger aber kein Grund, noch länger zu bleiben. Sie trafen sich lieber vor der Stadthalle, um ausführlich über die hohen Rücklagen der Stadt, die Grundstückspreise und die Unechte Teilortswahl zu diskutieren.

Der Hüfinger Gemeinderat verabschiedet die überarbeiteten Geldanlagerichtlinien: Diese sehen vor, dass die Stadt ihr Geld nur bei Banken anlegen darf, die ein A-Rating oder besser aufweisen.

Die Kämmerei und ein Finanzmakler kommunizieren miteinander. Der Finanzmakler empfiehlt die Greensill-Bank und teilt mit, diese habe ein A-Rating. "Diese Angabe war schon seit zwei Monaten überholt", sagt der Fachanwalt Andreas Lang.

Es sind bei der Stadt Hüfingen viele Zuschüsse und Hilfsgelder eingetroffen. Doch es drohen Strafzinsen, also wird eine andere Lösung gefunden. "Aus dem Kegel von Anlagen, die geprüft wurden, ist die Greensill-Bank übrig geblieben ist", sagt Bürgermeister Michael Kollmeier. Er sei informiert worden habe das auch positiv zur Kenntnis genommen. Gemäß der Anlagerichtlinien sei er aber nicht der Entscheider. Allerdings habe ein Konto bei der Greensill-Bank eröffnet werden müssen. Dazu habe es seine Unterschrift gebraucht. "Weil der Finanzmakler am 29. Dezember die Abwicklung abgelehnt hat, hat die Stadt Hüfingen direkt mit der Greensill-Bank abgeschlossen", erklärt Lang. Weil der Finanzmakler aber seine Auskunft vom 15. Dezember gezielt auf Anfrage der Stadt Hüfingen erteilt habe, werde nun geprüft, ob er haftbar ist.

Die Stadt Hüfingen tätigt bei der Greensill-Bank zwei Anleihen: 1,5 Millionen Euro mit einer Verzinsung mit null Prozent und nochmals 1,5 Millionen Euro mit einer Verzinsung von 0,05 Prozent. Laut Kämmerer Michael Binninger sei es nicht ungewöhnlich, dass zwischen der Order am 29. Dezember und der Überweisung am 5. Januar ein Delta liege.

Die Stadt Hüfingen erfährt nach eigenen Angaben erst an diesem Tag aus den Medien von der Schieflage der Greensill-Bank.

Der Gemeinderat tagt sowieso. In nicht-öffentlicher Sitzung informieren Bürgermeister und Kämmerer darüber, dass die Stadt Hüfingen bei der Greensill-Bank drei Millionen Euro angelegt wurden. Für erstaunen sorgt allerdings, dass die Stadträte am 2. März eine Liste der Geldanlagen erhalten haben, auf dem die Greensill-Bank nicht aufgeführt ist.

Rechtsanwalt wird beauftragt

Die Stadt Hüfingen meldet den Vorfall bei der Eigenschadenversicherung.

Bei Bürgermeister Michael Kollmeier wird nachgehakt, was an den Informationen dran ist, dass Hüfingen drei Millionen Euro bei der Greensill-Bank angelegt haben soll. Bürgermeister Michael Kollmeier verweist auf die vorbereitete Pressemitteilung, die an diesem Tag verschickt werden soll.

Es findet eine Sondersitzung für die Fraktionssprecher statt, bei der über den Greensill-Fall diskutiert wird.

Betroffene Kommunen wie Bad Dürrheim, Bötzingen, Heidenheim, Mengen, Weissach und Hüfingen schließen sich zusammen. Es wird ein Rechtsanwalt beauftragt.

Der Bürgermeister teilt mit, dass die Aufarbeitung voranschreitet und benennt einen Mitarbeiter der Kämmerei als Schuldigen. Zwar teilt er keinen Namen mit, aber die genaue Funktion.

Der Rechtsanwalt hat die Forderungen der Stadt Hüfingen beim Insolvenzverwalter angemeldet.