Der Angeklagte soll einen schwunghaften Handel mit Betäubungsmitteln, meist Marihuana, betrieben haben. (Symbolfoto) Foto: dpa

27-Jähriger soll Handel mit Cannabis betrieben haben. Aggressivität des 27-Jährigen in der Szene bekannt.

Horb - Vor dem Horber Amtsgericht begann am Montag der Prozess gegen einen 27-Jährigen, dem die Staatsanwaltschaft Rottweil, vertreten durch Achim Ruetz, vier Fälle von gewerblichem Drogenhandel und drei Fälle von Bedrohung und Körperverletzung vorwarf.

Staatsanwalt Ruetz – der in Horb noch besten bekannt ist aus seiner Zeit als Richter am hiesigen Amtsgericht, und von dem Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick gleich zu Beginn der Strafsitzung behauptete: "Der Ruetz beißt nicht – zumindest nicht ohne Grund" – listete die Straftaten des in Horb wohnenden Angeklagten akribisch auf.

Im Wesentlichen soll er, vermutlich ab November 2016 bis zu seiner Verhaftung am 22. September, einen schwunghaften Handel mit Betäubungsmitteln – meist Marihuana in guter bis sehr guter Qualität – betrieben haben. Ab und zu half ihm sein damaliger Kumpel, der hier zum besseren Verständnis "Tom" genannt wird. Der eigentliche Angeklagte wurde im März erwischt, wie er zusammen mit Tom in dessen Horber Wohnung 50 Gramm Hasch zu sogenannten "Füchsen" abwog und handelsfertig verpackte. "Der Begriff Fuchs kommt vom früheren Preis, einem ›Fuffi‹ (50 DM) für 2,5 Gramm Hasch", klärte Richter Trick die Anwesenden auf.

Bei einer späteren Hausdurchsuchung, bei der die Kripo Freudenstadt nicht gerade zimperlich vorging und mit einem SEK-Team die untere Wohnungstür der Unterkunft des Angeklagten aufbrach, wurden weitere Betäubungsmittel, darunter auch 2,5 Gramm Heroin-Base zum Eigenverbrauch, gefunden. Der 27-Jährige, der selbst hochgradig drogenabhängig ist – "ich hab‘ von morgens bis in die Nacht an der Tüte gezogen", wie er auf Nachfrage des Richters lächelnd erklärte – vermutete, dass ihn sein Kumpel Tom verraten hatte, und drohte ihm dafür Prügel an. Er ging sogar mit einem Messer auf offener Straße auf ihn los. "Herr XY nannte den Tom einen 31er-Hurensohn", las Ruetz aus seiner Anklageschrift vor. "31er werden im Fachjargon der Straße die Leute genannt, die ihre Kumpels in Puncto Rauschgiftdelikte an die Polizei verpfeifen", so eine weitere kleine Einweisung in diesen Milieu-Slang.

Dass mit dem Angeklagten in dieser Sache nicht gut Kirschenessen war, das erlebte der Tom dann zweimal. Einmal ist der 27-Jährige tatsächlich auf der Promenade am Neckarufer mit dem Messer auf ihn losgegangen, hat ihn aber nicht getroffen, und bei einem anderen Treffen soll er dem Tom ein blaues Auge per Kopfstoß verpasst haben. Der Beschuldigte selbst erlaubte sich noch zwei weitere Fauxpas, bei denen es um Drogen ging. Einmal verlor er anscheinend ein Päckchen mit Ecstasy-Pillen ausgerechnet im hinteren Treppenhaus der Polizeiwache Horb. Er hatte an diesem Tag seinen Bewährungshelfer, der sein Büro im selben Gebäude hat, aufgesucht. Am Tag seiner Verhaftung übertrieb er es dann vollends. Von einer Einkaufstour aus Stuttgart kommend, verlor er fünf "Füchse" in der Gemüseabteilung des Kauflands. Die Marktleiterin fand das in Alufolie eingewickelte Hasch, dachte, es wäre Müll und schmiss es in den Abfalleimer. Etwas später bemerkte der Angeklagte, dass sein Stoff weg war. Er verdächtigte zwei junge Männer, dass sie sein "Zeugs" gefunden hätten, und attackierte einen der beiden derart, dass sich die zwei nicht mehr anders zu helfen wussten als in das Büro der Marktleiterin zu fliehen. Die rief die Polizei und die verhaftete den für seine Aggressivität polizeibekannten Mann.

Über seinen Verteidiger wies der Beschuldigte alle Tatvorwürfe weit von sich. Er habe nie mit Rauschgift gedealt und die größeren Mengen für seinen Eigengebrauch auf Vorrat gekauft, ließ er seinen Anwalt vortragen. Dazu habe er den Mietzuschuss, den ihm das Arbeitsamt gewährte, verwendet, so seine Erklärung, woher er das Geld für den Ankauf der Drogen hatte.

In Sachen Körperverletzung stellte er fest, dass er sich lediglich gegen die Angriffe vom Tom gewehrt hätte, der ihm zudem einen Schläger auf den Hals hetzen wollte. "Und dass der Tom lügt, ist auch klar", behauptet er und schob nach, dass es gar nicht gehe, dass man Kumpels und unschuldige Personen einer Straftat bezichtigt. "Das musste ich ihm klarmachen", so der selbst ernannte Robin Hood der Horber Klein-Dealer.

Ganz so unschuldig wie er sich gern sieht, kann der Mann, der aus der U-Haft vorgeführt wurde, wohl doch nicht sein. Zeugen wollten erst gar nicht zur Verhandlung antreten, da sie ordentlich Angst vor dem Herrn oder vor dessen Verwandtschaft hatten. Auch die beiden Jungs, die es im Kaufland mit dem Beschuldigten zu tun bekamen, hatten vor Gericht die Hosen voll. Auf die Frage von Richter Trick, wo der andere Zeuge sei, sagte sein Freund, der sich als erster in den Zeugenstand traute: "Der kommt erst, wenn ich ihn anrufe und ihm grünes Licht gebe, dass hier keine Gefahr droht." "Die einzige Gefahr die ihm droht, wenn er nicht kommt, die geht von mir aus", schimpfte der Vorsitzende. Dessen ungeachtet stellte dieser Zeuge für sich fest, dass er den Leuten, die vor und im Gerichtsaal seien, nicht mehr begegnen möchte und er auch in Zukunft beruhigt durch Horbs Straßen laufen möchte. Auch eine junge Frau, die die Geschichte mit der missglückten Messerstecherei beobachtet hatte, war nur mit viel Überzeugungsarbeit in den Zeugenstand zu bekommen. Zwei weitere Zeugen, beides Ex-Kumpels vom Tom, hatten solche Gedächtnisprobleme, dass Armin Ruetz einem der jungen Männer ein Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage – oder besser Nichtaussage – androhte.

Alles in allem verfestigte sich jedoch das Bild vom aggressiven, drogenabhängigen Straftäter, der sein Harz-IV-Geld mit einem schwunghaften Drogenhandel aufbesserte. Dies insbesondere nach der Aussage von Tom, der jedoch solche Erinnerungslücken mit sich rumschleppte, dass man schlicht feststellen kann: "Gras macht dumm." Dies wurde gestern sehr deutlich.

Am Dienstag wird nun noch der Gutachter gehört, der die persönlichen Verhältnisse des mehrfach Vorbestraften beleuchtet. Nach den Plädoyers von Staatsanwalt und dem Verteidiger werden Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick und seine beiden Schöffen das Strafmaß festlegen.