Kabarettist Frederic Hormuth rät allen: "Mensch ärgere Dich" / Dankbarkeit und Zufriedenheit als Reizwörter

Von Peter Morlok

Horb. Was kommt dabei heraus, wenn man sich den Wahnsinn, den man allgemein das Leben nennt, einmal genauer anschaut? Wenn man die Augen aufmacht und nicht wegsieht? Was passiert, wenn man plötzlich feststellt, dass man in einer Welt lebt, in der Demokratie zur Randsportart verkommt, andauernd Helene Fischer singt und Krieg als eine Art "Mensch ärgere Dich nicht mit vollem Körpereinsatz" gespielt wird? Man ärgert sich, dass man dabei als Spielfigur mitmachen muss, ohne wirklich gefragt zu werden, ob einem das Spiel überhaupt gefällt?

Frederic Hormuth, der Mann mit dem Wut-Buzzer, eröffnete im Kloster das Herbst-/Winter-Programm und hatte genau für diese Art der Lebensbetrachtung das passende Rezept dabei. "Mensch ärgere dich" lautet sein Ratschlag. In der praktischen Umsetzung heißt das bei ihm, irgendwann das Spielbrett so vom Tisch zu pfeffern, dass die Figuren in der Gegend herumfliegen, auf der Spielfläche herumtrampeln bis einem fast der Kopf platzt und für diese Befreiungsaktion auch noch einzustehen. Oder anders gesagt: Wählen gehen, etwas tun, immer noch zur Friedensbewegung gehören und halt auch mal das Radio abschalten. "Früher war alles schöner – heute laufen wir der Gegenwart ins Messer", sang er dazu zur eigenhändig gespielten Klavierbegleitung.

"Ich bin darüber zwar nicht happy, aber glücklich"

Der 45-jährige, mehrfach preisgekrönte Kabarettist beobachtet sehr genau. Er seziert das, was um ihn herum passiert, mit der Akribie eines Chirurgen, setzt es mit der Geduld eines Puzzlers wieder kabaretttauglich zusammen, passt es sprachlich an und knallt es seinem hochverehrten Publikum in Höchstgeschwindigkeit mit einem hohen Wiedererkennungswert um die Ohren. Manchmal so schnell, so ironisch und rhetorisch so ausgefuchst, dass sein Zuhörer noch über den Sinn der vorherigen Pointe nachdenken, während er schon wieder ganz wo anders ist. In 90 Minuten Programm alles reinzupacken, über das man sich so richtig schön ärgern kann, das braucht halt ein gewisses Grundtempo.

Obwohl er sich dabei in den Grundzügen auf ein wohleinstudiertes Programm verlässt, ist er zudem ständig tagesaktuell. Und er lässt nichts aus. Weder Politik, Wirtschaft, Kirche, Gesundheitswesen – alles ist wunderbar zum Ärgern geeignet. Auch vor seiner eigenen Gilde macht er nicht Halt. "In Afghanistan kämpfen unsere Jungs unter Lebensgefahr – und dann kommen auch noch Matze Knopp und Xavier Naidoo. Gelegenheit macht halt Geschäft", so sein bissiger Kommentar zu diesem Front-Theater. Beim Thema Tebartz van Elst packt ihn der heilige Zorn und das war ihm dann doch einen Buzzer, einen Ärger-Höhepunkt, wert. Mit einem herzlichen "Grüß Gott" kriegt man einen Atheisten auf die Palme, eine seiner weiteren geistlichen, geistreichen Feststellungen.

"Ich bin darüber zwar nicht happy, aber glücklich", zitierte er den neuen EU-Digitalkommissar Günther Oettinger. "Der Mann ist eine Null und eine Eins in Person und somit die ideale Besetzung für den Job", glaubt Hormuth, der alles sammelt, was Oettinger so von sich gibt. "Das ist Kabarettisten-Gold".

Dankbarkeit und Zufriedenheit, sind zwei Reizwörter, die er ebenfalls genüsslich ausschlachtet. "Dem Hartz-IV-Empfänger kommt langsam vor Dankbarkeit das große Kotzen wenn er sieht, wie ihm ein ehrenamtlicher Tafelladen-Helfer augenzwinkernd noch eine Packung abgelaufenes Toastbrot in die Tüte steckt" oder "Warum ärgern wir uns, dass sie unseren Sozialstaat einmotten – wir sollten stattdessen zufrieden sein, dass die Mottenkugeln einigermaßen gut riechen" – so lauten zwei seiner Gedankenansätze hierzu.

Auch das Spannungsfeld Krankenpflege und Außenhandelsbilanz war Frederic Hormuth eine genauere Betrachtung wert, die er in dem Liedchen "Unsere Oma kommt ins Pflegeheim nach Thailand – wir liefern mit Garantie Senioren made in Germany" zusammenfasste.

Bissig ohne verbiestert zu sein, pointenreich ohne plump zu werden, gescheit, unterhaltsam, ein Programm, gewürzt mit einer großen Prise (Selbst)Ironie, das war das, was Frederic Hormuth im Kloster ablieferte und keiner der Zuhörer hat sich über den Besuch im Horber Kulturhaus geärgert.