Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Tommy Mammel, Walle Sayerund Matthias Bergmann bereichernden Aschermittwoch im Kloster

Während landauf, landab am Aschermittwoch die Narren das Ende der Fasnet bedauern und politischen Parteien diesen Tag nutzen, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und den Gegner in die Pfanne zu hauen, ging es im Horber Kloster besinnlich zu.

Horb. Der Aschermittwoch gehört dort seit Jahren der Musik und dem Wort. In diesem Jahr traf eine kongeniale Kombination, bestehend aus dem Lyriker Walle Sayer und dem Singer/Songwriter Tommy Mammel, der von dem Perkussionisten Matthias Bergmann begleitet wurde, im sehr gut besuchten Klostersaal des Projekt Zukunft auf.

Horbs Haus- und Hoflyriker Walle Sayer allein ist schon für Wort-Gourmets Grund genug, um zu einer seiner Lesungen zu gehen, doch in der Ergänzung mit dem Duo Mammel und Bergmann kannte die Begeisterung kaum Grenzen. Es war dort im Kloster kein Wehklagen zu hören, es wurde auch keine literarischer Backsteinkäs aufgetischt, sondern lyrische Feinkost gereicht.

Selten ist die "Zigarette danach" so poetisch beschrieben worden

Mammel und Bergmann sind keine Unbekannten in Horb und daher wussten viele der Besucher, dass der Stuttgarter Mammel eine großartiger Beobachter und wunderbarer Geschichtenerzähler ist. Er packt seinen Alltag nicht nur in die Songs, sondern baut um jedes seiner Lieder eine Story. Er holt dabei längsvergessen geglaubtes wieder zurück in die Erinnerung. So schwebte plötzlich der betörende Duft der orientalischen Zigarette "Nil" durch den Raum. Diese ovalen Tabakstäbchen wurden in einer aufwendigen, schönen Schachtel verkauft und natürlich waren sie dem Liedermacher einen Song wert. "Liebeslieder müssen besonders gut riechen", so sein eigener Anspruch. Was er damit meinte, kann seine Zuhörerschaft in der Textzeile "Wenn sich der Duft Arabiens mit dem von unserem Bett vereint" erahnen. Selten ist die "Zigarette danach" so poetisch beschrieben worden.

Auch ein leises Liebeslied – Liebeslieder mag Mammel sehr gern – von einem, der sich am Fasnetsdienstag einfach, im Flaschenwald verirrt, sitzen bleibt und den Aschermittwoch gar nicht mitbekommt, hatte der Songpoet im Repertoire. "In den blauen Stunden, so voller Melancholie, leckt man sich seine Wunden, sonst heilen sie nie", sang er voller Inbrunst zu seinem eigenen Spiel auf dem elektrischen Klavier und der genialen Schlagzeugbegleitung des leisesten Drummers, den er kennt. "Laut kann jeder", lobte er seinen Freund Bergmann, der aber bei dem Stück, in dem sie die legendäre "Bar 47" in Luzern in einer jazzig angehauchten Hommage mit Leben füllten, zeigte, dass er natürlich auch laut trommeln kann.

Was die beiden Stuttgarter Musiker boten, das war Alltagsphilosophie, mit einer bunten Schleife aus Moll und Dur verziert. Musik pur und vor allem echt. Musik die mitriss und begeisterte.

Begeistert hat ebenso Sayer, der seine Worte mit der Eleganz des Wissenden setzt, der doch noch immer auf der staunenden Suche nach dem Hintersinn der Dinge ist. Bei einer Sitzung eines Elferrates habe er einmal Protokoll geführt, verriet er. Was dabei herauskam, das waren Sätze wie: "Lasst uns einfach so tun, als würden wir was tun", oder "Hast du begrenzt oder bekränzt gesagt?" Schön auch, dass einer der Räte "Mysterium mit Ministerium verwechselt hat" oder die Frage, ob es "den Schutzheiligen für Ungläubige gibt". Der elfte Rat fasste dann am Schluss der Sitzung das Ganze so zusammen: "Am besten wir lassen alles wie es nie gewesen ist." Aber nicht nur Texte über die Fasnet, zu der auch das "Narrengericht" zählt, bei dem es unter anderem um drei verschrumpelte Zwetschen ging, trug Sayer vor, sondern auch Texte über Liebe, Musik und Vergänglichkeit. Darunter auch bisher unveröffentlichte Arbeiten, die im Herbst unter dem Titel: "Mitbringsel" auf den Markt kommen. Er, der nie ein Instrument lernte und bei dem die bösen Kinder in den Dudelsack kommen, erinnerte sich an die Mutter, die ihn als Bedienung mit auf die Dorffeste nahm und er bei der Musik der "Desperados" und der "Melodie Stars" Erweckungsmomente hatte. "Sie hinterließen großen Eindruck bei mir." In einem seiner Gedichte versetzte er sich daher in einen Leadsänger einer Coverband. Einer Band, an deren Gitarrenriffs der Alltag zerschellte. Der Alltag zerschellte auch an diesem Abend im Kloster. Was blieb, das waren Worte und Töne, die noch lange nachschwangen.