Das Epitaph von Herzog Ulrich von Württemberg befindet sich im Chor der Tübinger Stiftskirche. Hans Konrad von First war ein entschiedener Parteigänger des verehrten und verhassten Herzogs Ulrich, der nach der Rückeroberung seines Landes 1534 die Reformation einführte. Fotos: Lipp Foto: Schwarzwälder-Bote

Reformation: Teil I: Das Dorf war eines von nur zwei evangelischen Pfarrdörfern im ehemaligen Oberamt Horb

Von Joachim Lipp

Das Lutherjahr 2017 wirft seine Schatten voraus. Im vornehmlich evangelischen Mühlen informierte der Vorsitzende des Kultur-und Museumsvereins Joachim Lipp auf Bitte von Pfarrer Johannes Unz den Mühlener Kirchengemeinderat darüber, wie die Mühlener evangelisch geworden und es vor allem geblieben sind.

Horb-Mühlen. Die evangelische Kirchengemeinde Mühlen am Neckar ist eine Diasporagemeinde. Von den 25 Pfarreien im ehemaligen württembergischen Oberamtsbezirk Horb waren nur die von Hochdorf und Mühlen evangelisch. Während das ursprünglich dem Nagolder Oberamt zugeordnete Hochdorf, das bereits am Abend des Mittelalters württembergisch geworden war, die lutherische Lehre mit dem Landesherren angenommen hatte, nahm die Geschichte der Reformation in der einzigen evangelischen Enklave im neuwürttembergischen Oberamt Horb etwas verschlungenere Wege.

Die für den Bereich um das Neckarknie bei Horb ungewöhnliche Religionszugehörigkeit hat das evangelische Pfarrdorf am Ausgang des Eutinger Tales vor allem Hans Konrad von First und seiner Gemahlin Anna von Neuneck zu verdanken.

Statt der Burg steht heute ein Verteilertank auf dem Schlösslesbuckel

Die Herren von First wurden mit Crafft von First 1288 erstmals urkundlich genannt und gehörten dem niederen Adel an. Ihre Stammburg lag auf dem Firstberg zwischen der Stadt Mössingen und ihrem Ortsteil Öschingen am Rande der Schwäbischen Alb.

Die in württembergischen Besitz übergegangene Höhenburg wurde 1756 auf Betreiben des frommen Pfarrers von Öschingen abgebrochen, weil die heruntergekommenen Baulichkeiten in den Augen der Öschinger Pietisten als "Trinkspelunke" sowie als "Tummelplatz des jungen tanzlustigen Volks" verrufen waren.

Anstelle der abgegangenen Burg steht heute ein riesiger Verteilertank der Bodenseewasserversorgung auf dem sogenannten Schlösslesbuckel.

Das redende Wappen der Herren von First, die zumeist in württembergischen Diensten standen, zeigt einen weißen Dachsparren auf rotem Grund und verweist auf eine Stammesverwandtschaft mit den Herren von Ehingen, die in ihrem Schild den gleichen Sparren auf schwarzen Grund führten.

Der Gutsherr und Ritter Konrad von First war Inhaber des württembergischen Lehens auf Öschinger Markung und von 1464 bis 1472 Burgvogt auf Hohentübingen. Konrads jüngster Sohn Veit von First wurde 1493/1494 als Doktor beider Rechte zum Rektor der noch jungen Universität Tübingen gewählt. Er begab sich 1497 nach Wien und wurde als Rat ein Vertrauensmann von Kaiser Maximilian I., der ihm die burgenländische Herrschaft Eisenstadt verpfändete und ihn 1511 zum Statthalter des Reichslehens Modena machte.

Sein älterer Bruder Wilhelm brachte es ebenso zum kaiserlicher Rat und Kammeradvokaten. Die Familie von First zählte zu den zehn reichsten Adelsgeschlechtern im Neckarviertel.

Konrads ältester Sohn Ernst amtete wie der Vater als Burgvogt auf Hohentübingen. Bei der Prunkhochzeit des Herzogs Ulrich von Württemberg mit Sabina von Bayern, zu der 1511 mehr als 7000 Gäste nach Stuttgart geladen waren, war Ernst von First Oberbefehlshaber einer 800 Mann starken Bürgerwehr. Unter der Hauptmannschaft des Ernst von First sandte die Stadt Tübingen drei Jahre später während der Rebellion des Armen Konrad dem verehrten und verhassten Herzog von Württemberg militärische Hilfe.

Das Heer bestrafte die Aufständischen drakonisch

Das Aufgebot von 500 wohlgeputzten Tübingern und 100 Balingern stellte ein Drittel des gesamten herzoglichen Heeres, das im Remstal den Aufstand der kleinen Leute nahezu widerstandslos beendete und die Aufständischen drakonisch bestrafte. Ernst von First wohnte in seinem "Freyhaus" in der Tübinger Münzgasse.

Das stattliche Tübinger Anwesen befand sich seit dem ausgehenden Mittelalter im Besitz der Herren von First und war von diesen mit Bedacht ausgewählt worden. Von hier aus konnten die Söhne der Familie die 1477 gegründete Universität besuchen und zudem erlaubte die freie Lage den Blickkontakt hinüber zum Familiensitz am Albrand.

Das Untergeschoss des Gebäudes beherbergt heute noch die mittelalterliche Schatzkammer der vermögenden Familie. In der Tübinger Stiftskirche findet sich an der Nordwestseite des Schiffes die First’sche Stifterkapelle. Deren Fenster schließt nach oben mit der Darstellung des Heiligen Georg, über dem rechts oben das Wappen der Familie von First gemalt ist.

Ernst von First kam durch seine Schwester Margarethe, genannt Mergel, in den Besitz der Herrschaft Egelstal-Mühlen. Mergel von First war in erster Ehe mit Wilhelm Böcklin II. von Egelstal verheiratet, dessen gleichnamiger Vater die Herrschaft 1460 von Ludwig von Emershofen käuflich erworben hatte, der mit der Horber Bürgerstochter Elsbeth Stahler verheiratet war, die ihm die Herrschaft als Erbin der erloschenen Linie der Gut von Egelstal zugebracht hatte.

Als Mergels Ehegatte um 1490 verstarb, fiel die Herrschaft an die Witwe, die auch noch ihre beiden nachfolgenden Ehemänner Michael Schütz d. J. von Eutingertal und Hans Bletz von Rothenstein überleben sollte. Seit 1510, dem Todesjahr der Mergel von First, hatte deren Bruder Ernst Besitz in Mühlen und hielt sich wohl zeitweise auch auf der Burg Egelstal auf. Fünf Jahre später beerbte Ernst von First noch seinen verstorbenen Bruder Veit, der 1504 im Burgenland die Herrschaften Hornstein und Seibersdorf käuflich erworben hatte.

Haupterbe des gesamten first’schen Familienbesitzes wurde schließlich der letzte Spross dieses Adelsgeschlechts: Hans Konrad von First. Auch die Söhne des Kleinhans von First, einem weiteren Bruder des Tübinger Burgvogts und der Mergel von First, waren wie ihr Onkel Ernst entschiedene Parteigänger des württembergischen Herzogs Ulrich, der aufgrund der Günstlings- und Misswirtschaft seines Onkels Eberhard II. mit Unterstützung von König Maximilian 1498 im Horber Vertrag als dritter Herzog von Württemberg eingesetzt worden war.

Hans Konrads Bruder Moritz von First hatte sich 1519 bei der Vertreibung des Herzogs Ulrich im Kampf gegen die anrückenden Truppen des Schwäbischen Bundes einen Namen gemacht. Nachdem der im Zuge des Bauernkriegs erfolgte Rückeroberungsversuch von Herzog Ulrich gescheitert war, wandte sich Moritz den burgenländischen Besitzungen seines verstorbenen Onkels Veit zu, wo ihm das Amt des Festungskommandanten von Eisenstadt übertragen wurde.

Moritz von First verteidigte diesen äußersten Vorposten des christlichen Abendlandes gegen die anstürmenden Osmanen während der ersten Wiener Türkenbelagerung im Jahr 1529. Zur Belohnung erhielt er von König Ferdinand als Pfand die gerettete Herrschaft Eisenstadt, wo er 1552 kinderlos verstarb.

Triumph der kaiserlichen Partei über Protestanten war von kurzer Dauer

Auch Hans Konrad von First, der sich um 1538 mit Anna von Neuneck vermählte und sich 1540 "Herr zu Egelstal" nannte, stellte sich als treuer Vasall hinter Herzog Ulrich von Württemberg, der nach der 1534 erfolgten Rückeroberung seines Herzogtums in Württemberg die Reformation einführte und zwei Jahre später als weiterer evangelischer Fürst dem Schmalkaldischen Bund beitrat.

Württemberg wurde gleich zu Beginn des Schmalkaldischen Kriegs im Sommer 1546 zum Kriegsschaupatz, auf dem sich die Truppen des katholischen Kaisers und die der evangelischen Fürsten gegenüberstanden. Hans Konrad von First erschien mit drei Pferden bei dem württembergischen Heer, das sich in Göppingen sammelte. Die kaiserlichen Truppen waren aber denen der Schmalkaldener weit überlegen, sodass sie das Herzogtum ohne hinhaltenden Widerstand bis zum Jahresende vollständig besetzen konnten.

Auch die Lehensleute des württembergischen Herzogs bekamen nun das Missfallen von Kaiser Karl V. zu spüren. Im April 1547 wurde Egelstal und Mühlen von kaiserlichen Truppen besetzt und die dortigen Einkünfte des Hans Konrad beschlagnahmt. Während der Besatzungszeit lebte Hans Konrad mit seiner Frau Anna in Tübingen. Davon zeugt das Portal des Freihauses in der Münzgasse mit der Jahreszahl 1548 und den beiden Adelswappen derer von First und von Neuneck.

Der Triumph der kaiserlichen Partei über die Protestanten war allerdings nur von kurzer Dauer und Kaiser Karl V. musste vier Jahre später im Passauer Vertrag den evangelischen Fürsten ihre vollen Rechte zugestehen, was schließlich im Augsburger Religionsfrieden 1555 besiegelt wurde. Hans Konrad von First erhielt seinen Besitz in Egelstal und Mühlen wieder zurück und nannte sich jetzt aufgrund der burgendländischen Erbschaft "Hans Konrad zu First und Egelstal, Herr zu Hornstein und Seibersdorf".

Hans Konrad von First verstarb im November 1561

Dank des stattlichen Erbes konnte er die Burg Egelstal zu einer modernen Wehranlage ausbauen. Von diesem Umbau zeugt im Gut Egelstal heute noch eine Wappentafel aus dem Jahr 1557. Im selben Jahr erwarb Hans Konrad von First von seinem angehenden Schwager Hans von Ow noch das übrige Drittel am Mühlener Kirchsatz, das als Werdenberg-Heiligenberger Lehen zu Beginn des 15. Jahrhunderts durch Heirat an die Herren von Ow gekommen war. Als alleiniger Inhaber der Herrschaft Egelstal-Mühlen ließ er seinen Herrschaftsbezirk mit Steinen vermarken, in die der First’sche Sparren und der sechsstrahlige Neunecker Stern gemeißelt wurden.

Die Ehe des Hans Konrad und der Anna war kinderlos geblieben. Das Ehepaar hatte eine Tochter von Annas Schwester Katharina adoptiert, die mit dem Tübinger Obervogt Hans Kaspar von Anweil verheiratet war. Hans Konrad von First verstarb im November 1561. Sein Epitaph befindet sich in der Vorhalle der Tübinger Stiftskirche. Es zeigt einen gewappneten Ritter mit der linken Hand am Schwert und mit der rechten den gestürzten Wappenschild fassend als Zeichen dafür, dass er der letzte Spross dieses Geschlechts war.