Jürgen Schmid ging den Jakobsweg – 9,1 Kilo Gepäck hatte er dabei.Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Jakobsweg: Weit über 100 Stempel hat der Horber Jürgen Schmid in seinem Pilgerpass / Weiterer Vortrag am 13. November

Am 8. April 2017 machte sich Jürgen Schmid auf den langen Weg von Horb nach Santiago de Compostela. Er ging den langen, den harten Weg von seiner Heimatstadt bis in die Hauptstadt der nordwestspanischen Region Galicien. Bekannt ist die Stadt vor allem als Endpunkt des Jakobswegs, dem Camino de Santiago.

Horb. 2016 war Schmid, der Mitglied der Horber Jakobusfreunde ist und das Wegstück zwischen Rottenburg und Horb betreut, schon einmal dort. Damals zusammen mit seiner Lebenspartnerin Verena Schoch, in Horb besser unter ihrem Mädchennamen Graf bekannt.

Zusammen sind sie mit dem Fahrrad – nicht mit dem E-Bike – die lange Strecke gefahren. "Für mich war diese Tour damals der Auslöser für den Wunsch, die rund 2400 Kilometer auch einmal zu Fuß zu gehen", erklärte er am Freitagabend vor knapp 20 Besuchern im coronagerecht bestuhlten Saal des Katholischen Gemeindezentrums. Dorthin hatte er eingeladen, um seine Erlebnisse auf dem Camino mit Gleichgesinnten zu teilen.

In vielen Bildern hat er seine 93 Tage, die er in vier Etappen bis zum Ziel ging, festgehalten. Bilder, die nur in Ansätzen die Mühe, die Selbstüberwindung, die Eintönigkeit der langen Wanderpassagen und den ständigen Kampf gegen den inneren Schweinehund zeigten, die aber trotzdem voller Emotionen, wunderbarer Landschaft und unglaublichen Begegnungen waren.

Jürgen Schmid nahm seine Zuhörer mit in Herbergen, in denen sich sechs Mann ein 20 Quadratmeter-Zimmer teilten, in Orte, in denen zwar ab 18 Uhr die Gehsteige hochgeklappt werden, doch in denen es für die Pilger mit der Jakobsmuschel trotzdem etwas zum Essen und ein Bett gab.

Er marschierte mit ihnen bei strömendem Regen und gnadenlos brennender Sonne stundenlang scheinbar nie endende Wege entlang und teilte mit ihnen die vielen kleinen Begebenheiten am Weg. Prachtvolle Städte, stille, scheinbar verwunschene Bergdörfer, in denen die Zeit buchstäblich stehen blieb wurden auf dem langen Marsch ebenso besucht wie die berühmt berüchtigten Pilgerorte, die als Hochburgen auf dem Camino die Pilger in Scharen anlocken.

Erstes Teilstück

Der erste Teil seines Weges führte ihn zum Jakobus-Stein bei Ihlingen, von dort aus nach Alpirsbach und von da an bergauf, bergab durch das Gutachtal mit dem Ziel Freiburg. "Bis man dort ankommt, hat man schon einiges an Höhenmetern in den Beinen", schilderte er heute mit lockerem Abstand die Strapazen des ersten Abschnitts.

Neun Tage war er in Deutschland unterwegs. Über den Rhein ging es dann rüber nach Frankreich. Dort wartete auf ihn nicht nur ein großer Teil des Weges, für den er 56 Tage brauchte, sondern auch die Einsamkeit. Stundenlang marschierte er auf Feldwegen in Richtung der Vogesen. Das Kloster Bellemagny war Endstation für die 2017er-Tour und gleichzeitig Ausgangspunkt für die zweite Etappe, die er im März 2018 startete.

Zweites Teilstück

Gleich zu Anfang dieses zweiten Teilstücks wurde seine Leidensfähigkeit auf eine große Probe gestellt. Regen und Kälte machten ihm schwer zu schaffen, wie er seinen Zuhörern erzählte. "Dafür war der Weg durch Burgund etwas ganz Besonderes." Blühende Mohnwiesen, die Weinberge der bekannten Lagen und etwas Sonne waren Belohnung für viele Strapazen auf dem Weg zur Abtei von Cluny, dem Endpunkt der zweiten Etappe.

Drittes Teilstück

Im August 2018 ging es von dort aus weiter. Immer allein. "Wenn du mit der Einsamkeit nicht zurechtkommst, dann hast du ein Problem", so seine Erkenntnis aus diesem Teil der Wegstrecke. Erst nach rund 750 Kilometer traf er den ersten Pilger. Es war ein Mann aus Genf, der bereits in Santiago de Compostela war und sich nun auch noch zu Fuß auf den Rückweg machte. "Der Typ war tiefenentspannt, den konnte nichts mehr belasten", erinnerte sich Schmid und kannte auch den Grund für die Gelassenheit des Schweizers. "Der Weg sorgt für dich – es gibt für alles eine Lösung", wusste er aus eigener Erfahrung.

Relativ schnell hat er festgestellt, dass überall, wo in Frankreich "Col" davorsteht, der Schweiß rinnt und die Beine schwer werden, denn es geht den Berg hoch. "Die Pilgerei geht dann in der Stadt Le Puy-en-Velay, 625 Meter hoch im südlichen Zentralmassiv gelegen, erst richtig los", so eine weitere Erfahrung. Von dort aus sind es noch 1522 Kilometer bis zum Ziel. Conques, eines der beliebtesten Zwischenziele auf dem französischen Jakobsweg, war dann Endpunkt des dritten Tourabschnitts.

Viertes Teilstück

Am 23. April 2019 sagte er seiner Verena wieder Adieu und nahm seinen letzten, den größten Abschnitt unter die Laufschuhe. Mit der Bahn ging es zurück nach Le Puy-en-Velay und mit dem "Compostela-Bussle" zum letzten Ausgangspunkt.

Und wieder wartete auf ihn Regen, Regen, Schnee und Hochwasser. "Du hättest die halbe Strecke schwimmen können", stellte der Gruppenleiter der Horber Jakobus-Brüder, Hans Kneißler aus Salzstetten, am Ende des Vortrages fest.

Doch irgendwann waren die Pyrenäen erreicht und die Grenze nach Spanien überschritten. Folgte man in Frankreich dem grünen Kreuz, so zeigte in Spanien wieder der gelbe Pfeil, den der Pfarrer Elias Valina entwarf, den Weg. War der Weg in Frankreich meist nass, kalt und einsam, so forderten die Sonne Spaniens, die schattenlosen Wege und der Rummel, je näher man dem Ziel kommt, ihren Tribut.

Am Cruz de Ferro, dem höchsten Anstieg mit 1530 Metern, kann der Pilger all seine Sünden ablegen, dafür fordert das hüglige Galizien den Wanderer.

Doch nach 29 Tagen Fußmarsch auf dem spanischen Camino stand der Mann aus Horb vor der großen Kathedrale in Santiago de Compostela. "Schon am Ortseingang überfiel mich eine seltsame Angst, dass nun alles vorbei ist und ich starb noch vier Tage lang den Pilgertod in Santiago de Compostela."

Weit über 100 Stempel hat er in seinem Pilgerpass, er brachte seine zweite Urkunde aus Spanien mit an den Neckar und so viele Erinnerungen, dass sie beim besten Willen nicht in seinen gut neun Kilogramm schweren Rucksack passen, den er die ganze Wegstrecke trug. Es sind Erfahrungen, die ihm niemand mehr nimmt.

Aufgrund der großen Nachfrage nimmt Jürgen Schmid am 13. November ab 19.30 Uhr eine weiter Gruppe mit auf den Weg" nach Santiago de Compostela, wieder im Saal des Katholischen Gemeindezentrums auf dem Horber Hohenberg.