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Arbeiterwohlfahrt feiert 100. Geburtstag / Kreisverband Freudenstadt besteht seit 1947

Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Noch nicht ganz so lange, seit 1947, gibt es den Kreisverband Freudenstadt. Doch in diesen 72 Jahren gab es nicht nur rosige Zeiten. Im Jahr 2002 wäre die Awo fast Pleite gegangen.

Horb /F reu denstadt . "Es gab früher noch mehr Ortsvereine als jetzt", weiß Kreisvorsitzender Ulrich Hoffmann. Über die Jahre hätten sich viele aufgelöst, weil sich keine Mitglieder gefunden haben. Zudem sind die Mitglieder oft schon älter und junge Leute würden nicht so viele nachkommen, weil sie mit dem Job beschäftigt sind und dann für ehrenamtliches Engagement keine Zeit mehr bleibt.

Der Kreisverband Freudenstadt besteht heute aus den drei Ortsvereinen Mühlen, Horb und Altensteig und etwa 280 Mitgliedern. Seit 2016 ist Altensteig teil des Freudenstädter Kreisverbandes, weil sich der Kreisverband Calw aufgelöst hat. Trotz der Entfernung habe der Ortsverband bereits gut Anschluss gefunden. "Wir sind gut aufgenommen worden, und die Zusammenarbeit funktioniert einwandfrei", sagt Ewald Frey, Vorsitzender des Ortsverbands Altensteig. Diese Einschätzung teilt auch Kreisvorsitzender Hoffmann. "Natürlich könnten wir noch näher zusammenwachsen, das ist aber auch wegen der Entfernung schwierig", erklärte Hoffmann.

Grundsätzlich sei der Markt vorhanden, weitere Ortsverbände zu gründen und mehr Projekte anzubieten. Es würden aber schlichtweg die Leute fehlen. Ortsvorsitzender von Horb, Leif Brackelmann, überschlägt, wie viele Leute es bräuchte, um einen neuen Ortsverband zu gründen: "Mit Vorstand, Schriftführer und Kassierer sind wir schon bei mindestens vier Personen und dann will ja auch nicht jeder ein Amt übernehmen, also sollte man mindestens doppelt so viele Mitglieder finden." Und dann müssen Mitglieder erst einmal Beiträge zahlen. Brackelmann: "Was haben einzelne Mitglieder dann davon, außer ein besseres soziales Gewissen"?

2002 war ein Wendepunkt für den Kreisverband. Ein Mangel an Mitgliedern und zu viele Projekte führten dazu, dass die Awo fast Pleite ging. "Aus dem Büro in Freudenstadt mussten wird dann ausziehen", erinnert sich Ulrich Hoffmann. Vier weitere Umzüge folgten. Kurze Zeit war das Awo Büro sogar bei Hoffmann zu Hause. Seit 2013 ist die Awo nun in der Neckarstraße 51 in Horb. "Wäre Hoffmann damals nicht gewesen, hätte sich der Kreisverband vielleicht aufgelöst", bedankt sich Brackelmann für sein Engagement. Mittlerweile seien die Finanzen wieder in trockenen Tüchern, führt der Kreisvorsitzende aus.

Als im Jahr 2011 der Zivildienst und die Wehrpflicht wegfielen, veränderte sich auch die Arbeit der Awo. Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) könne den Zivildienst nicht ersetzten. "Ich bin für die Wiedereinführung des Zivildiensts. Der Staat kann dieses soziales Engagement verlangen. Mir hat diese Erfahrung nicht geschadet", sagt Brackelmann. Momentan hat die Awo keine FSJ-Stelle ausgeschrieben, auch für kommendes Jahr sei das nicht geplant. "Ein Jahr ist zu kurz, um die Jugendlichen einzuarbeiten. Und da es auf freiwilliger Basis ist, könnten die FSJ-ler auch spontan aufhören", erklärt Brackelmann. Und das sei zum Beispiel hinsichtlich der Schulbetreuung, die die Awo anbietet kontraproduktiv, weil sich die Schüler oft auf die Betreuer versteifen.

Eine Besonderheit des Kreisverbands ist der Ortsverband Mühlen. Dass innerhalb eines Ortsverbands ein weiterer gegründet wird, ist laut Jochen Renk, Vorsitzender von Mühlen, nicht die Regel. Die Awo Mühlen gibt es seit 1955. Und obwohl der Ortsteil Mühlen im Vergleich zu Horb weniger Einwohner hat, sind es 85 Mitglieder. In Horb sind es etwa 95. "Der Ortsverband Mühlen kann auf eine lange Tradition zurückblicken", sagt Renk. Er selbst sei mit 18 Jahren zur Awo gekommen, jetzt ist Renk 42. "Wer einmal zu uns kommt, bleibt in der Regel dabei", erklärt der Vorsitzende. Und die Feier zum 100. Jubiläum findet, wie vor 50 Jahren, auch in Mühlen statt, das freue Renk.

Für die Zukunft will die Awo vorhandene Projekte weiterführen. "Es ist natürlich immer eine finanzielle Frage, aber lieber bieten wir weniger Projekte an und die dafür richtig", erklärt Leif Brackelmann. Man wolle den Bedarf herausarbeiten und darauf reagieren. Wie das die Awo mit der Familienhilfe gemacht hat. Mit den Jugendämtern Freudenstadt und Rottweil sei man bereits im Gespräch. Oder wie in Weitingen die Ganztagsbetreuung von Schülern, die im September startete. "Wir so gefragt, dass Kinder auf der Warteliste stehen", sagt Hoffmann.

Doch die Arbeiterwohlfahrt müsse künftig noch präsenter werden – auch in den sozialen Medien. "Wenn Parteien ihre Stimme für soziales Engagement nicht mehr erheben, dann müssen wir es tun", meint Brackelmann. Denn das Ziel der Awo hat sich auch in den vergangenen 100 Jahren nicht geändert – Menschen aller Einkommensschichten zusammenzuführen und für eine sozial gerechte Gesellschaft zu kämpfen.