Fotos: Synagogenverein Foto: Schwarzwälder Bote

Im jüdischen Betsaal ist ab Sonntagdie Ausstellung "Bet Hachajim" – Häuser des Lebens zu sehen

"Bet Hachajim" – Häuser des Lebens – heißt die neue Ausstellung im Museum Jüdischer Betsaal Horb über die sechs jüdischen Friedhöfe von Horb und den Umgang mit Tod und Trauer im Judentum.

H orb. "Ich kann mich an die Beerdigung meines Vaters gut erinnern. Er starb am Tage vor Simchat Torah (dem Torah Fest), das sind die letzten zwei Tage der Herbst-Feiertage und wurde an Simchat Torah beerdigt. Der Wagen, der von zwei Pferden gezogen wurde, kam zu unserm Haus und der Sarg wurde aufgeladen. Die Gemeinde folgte dem Leichenwagen, erst die Männer und dann die Frauen. Vor dem Eingang zum Friedhof war ein Pult, vor dem der Rabbiner gesprochen hat. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es Lehrer Kahn oder Lehrer Berlinger war. Mein Vater starb im Oktober 1933. Die Lehrer der jüdischen Volksschule amtierten bei allen Beerdigungen ..."

Mehr als 3000 Grabsteine, deren Inschriften und Symbole Geschichten aus drei Jahrhunderten erzählen

So besc hrieb die in Rexingen geborene Johanna Zürndorfer vor zehn Jahren in einem Brief aus New York die Beerdigung ihres Vaters auf dem jüdischen Friedhof und die darauf folgende Trauerwoche im Haus der Familie.

Es gibt nur wenige persönliche Berichte über Todesfälle in den früheren jüdischen Gemeinden von Horb, Rexingen, Mühlen, Mühringen, Nordstetten und Dettensee. Die eindrücklichsten Zeugnisse sind immer noch die sechs Friedhöfe mit mehr als 3000 Grabsteinen, deren Inschriften und Symbole Geschichten aus drei Jahrhunderten erzählen.

Jeder dieser Friedhöfe hat seine Besonderheiten. Der älteste ist in Mühringen, weitab vom Dorf im Wald gelegen, ein magischer Platz, wie viele Besucherinnen und Besucher es empfinden. Der jüngste Friedhof befindet sich in Horb, viel kleiner, viel prosaischer, baumlos und mit schlichten, meist schwarzen Grabsteinen. Der Rexinger Friedhof, ebenfalls im Wald gelegen, ist reich an Grabsymbolen und hat ein großes Kindergräberfeld. In Nordstetten findet man das berühmte und gleichzeitig schlichte Grab des Schriftstellers Berthold Auerbach. Auf dem kleinen Mühlener Friedhof wurden auch einige Tote aus Osteuropa beerdigt, die während eines Kuraufenthalts im Schwarzwald wahrscheinlich ihrem Lungenleiden erlagen. Der Friedhof in Dettensee liegt zwischen Wiesen und Feldern und ist mit einer steinernen Mauer vollständig umschlossen. Der Umgang mit Tod und Trauer ist im religiösen Judentum durch eine Fülle von Vorschriften und Ritualen geregelt, die den Hinterbliebenen helfen sollen, den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten und wieder ins Alltagsleben zurückzufinden. Unterstützung erfahren die Familien dabei von der "Chewra Kaddischa", dem "Verein der Heiligen". Seine Mitglieder verpflichteten sich, Sterbenden und deren Familien beizustehen, Totenwache zu halten, die entsprechenden Gebete und Psalmen zu lesen, die Toten zu waschen und anzukleiden sowie die Begräbnisse zu organisieren. In Rexingen existiert noch das Protokollbuch der Chewra Kaddischa, in dem die 25 Statuten und der Zweck des Vereins aufgeführt sind: "Gegenseitige Wohltätigkeit sowohl für Lebende als auch für Tote."

In den Ortsarchiven liegen noch handschriftliche Grabregister, viele Testamente und sogenannte Inventuren, die im Todesfall zur Verteilung des Vermögens angelegt wurden. Unzählige Stunden haben fleißige Forscherinnen und Forscher damit verbracht, diese Dokumente zu sichten, zu ordnen und in heutige Schrift zu übertragen.

Entwendete und wiedergefundene Grabsteine, Scherben und andere Zeugnisse von Verwüstungen auf den Friedhöfen während der Nazizeit erzählen ihre eigene schmerzliche Geschichte.

In der Ausstellung werden die sechs jüdischen Friedhöfe in Wort und Bild vorgestellt und die Besucher über die Beerdigungs- und Trauerkultur im Judentum informiert. Fotos, Dokumente und originale Exponate erinnern an eine Lebenswelt, in der Kinder, kranke und alte Menschen meist im Kreis der Familie und unter Anteilnahme der gesamten Gemeinde starben.