Marc Züfle ist seit September alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer bei Help-Tech in Nordstetten. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Hersteller von elektronischen, intelligenten Hilfsmitteln für Blinde und Sehbehinderte aus Nordstetten im Aufwind

Horb. Seit nunmehr eineinhalb Jahren verstärkt Marc Züfle die Geschäftsleitung der Help-Tech in Nordstetten. Seit September ist Züfle auch alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Der Schwarzwälder Bote reflektiert zusammen mit ihm die vergangenen Monate.

Herr Züfle, hält der Aufwind an – wann übernehmen Sie ganz?

Zunächst einmal wird uns allen in den kommenden Jahren nicht langweilig werden. Somit muss nicht über eine Nachfolgeregelung mit Siegfried Kipke nachgedacht werden, sondern über eine Optimierung und Umstrukturierung von Prozessen, um auf den steigenden Umfang an Aufgaben entsprechend reagieren zu können. Keine Frage, in den vergangenen eineinhalb Jahren ist viel passiert. Da haben wir alle im Unternehmen auch alles dafür getan.

Welche Rolle nehmen Sie innerhalb der Firmenspitze ein?

Kipke möchte sich in den kommenden Jahren wieder mehr auf die Produktentwicklung konzentrieren und hat sich entschlossen, den passenden Gegenpart zu suchen, der neue Vertriebsstrukturen definieren und Verwaltungsaufgaben übernehmen kann. Ich bin studierter BWLer und leidenschaftlicher Vertriebler, das konnte ich bereits in mehreren Unternehmen unter Beweis stellen. So klappt das Zusammenspiel zwischen uns beiden am besten. Von einem erfahrenen Manager, der schon viele Entwicklungsprojekte geplant und umgesetzt hat, kann man noch einiges lernen. Im Gegenzug bringe ich etwas mit, das in dieser Branche in vielen Bereichen hilfreich sein kann. Erfahrungen, die ich in große Industrie- und Handelsunternehmen sammeln durfte, und vielleicht die ein oder andere neue Idee, was unser Vertriebsmanagement betrifft.

Ist Ihre neue Rolle eine Last oder eine Herausforderung?

Ganz klar eine Herausforderung, die mir sehr großen Spaß macht. Und eine Aufgabe, bei der ich sehr viel bewegen kann. Da schwingt für mich auch ein sportlicher Aspekt mit, immer besser zu werden. Nicht umsonst ist der Krieger mein Lieblingsfußballer. Es macht mich ehrlich gesagt etwas stolz, dass ein erfahrener Mann wie Kipke mir sein volles Vertrauen schenkt und mir in dieser kurzen Zeit die Vollvertretung zugetraut hat.

Ist es Ihnen schwergefallen, sich in der neuen Branche zurechtzufinden?

Ich komme aus dem harten Vertrieb: hauen und stechen, jagen und töten. Ich musste mich sehr daran gewöhnen, dass es in der Hilfsmittel-Branche so nicht ist. Wir arbeiten immer für Menschen, wir tun jeden Tag etwas Gutes.

Wie befriedigend ist diese Aufgabe für Sie?

Das macht dich sehr zufrieden, abends heimzugehen und zu wissen, du konntest heute jemandem helfen. Und diese Zufriedenheit, muss ich gestehen, die hatte ich in den vergangenen Jahren nicht mehr. Weil es nur noch um Umsatz ging.

Wenn man die Webseite von Handy-Tech und Help-Tech vergleicht, sieht man schon den Einfluss des Vertrieblers – Kundenfreundlichkeit und Service stehen an erster Stelle. Ihr Einfluss?

Das Schöne an Kipke und mir ist –- wir hören uns an. Wir diskutieren unsere Ideen. Das ist ein Geben und Nehmen. Man spürt überall, dass wir in den vergangenen Monaten einiges verändert und optimiert haben. Die Aufteilungen innerhalb unserer Zielgruppe – blinde und sehbehinderte Menschen – hat sich auch geändert. Somit mussten wir auch unser Marketing und den Vertrieb auf diese veränderten Begebenheiten ausrichten und uns mit einem massiven demografischen Wandel in unserem Bereich auseinandersetzen. Es gibt – was natürlich schön ist – aufgrund der guten medizinischen Versorgung immer weniger geburtsblinde Menschen. Wiederum steigt aus demselben Grund unsere Lebenserwartung. Sie werden sicherlich keinen 100-Jährigen finden, der kein Problem mit den Augen hat. Aus diesem Grund haben wir auch unser Portfolio erweitert und sind mit einem Hilfsmittel, der Or-Cam, sehr erfolgreich. Diese Minikamera, die an die Brille geklemmt wird, ist für Blinde und Sehbehinderte geeignet.

Ein neuer Vertrieb. Mit welchem Ergebnis?

Um das grob einzuordnen: Wir haben uns innerhalb von eineinhalb Jahren fast verdoppelt. Zudem wurde der Vertrieb neu organisiert: Aus einer gewachsenen Struktur, mit Filialen in Lüneburg, Köln, Stuttgart und Marburg heraus haben wir die Vertriebsmannschaft erweitert. Und denken bereits über neue Standorte nach. Innerhalb der Filialen liegt der Fokus auf dem Vertrieb von Hilfsmittel, wie unsere eigenen Braille-Zeile, Lupen und Vergrößerungshilfen. Das neu geschaffene Außendienstteam versorgt bundesweit aktuell mehr als 200 Händler mit der Or-Cam. Die Anzahl steigt stetig. Dadurch können wir sehr nahe am Kunden sein. Der Kunde wird geschult, und kann in aller Ruhe erproben, um das für ihn individuell passende Hilfsmittel zu finden. Dieser Full-Service-Gedanke zeichnet uns aus.

Wird Help-Tech jetzt zu einem Handelsunternehmen?

Wenn man den Umsatz auf die Zielgruppen herunterbricht, sind wir bei 50 Prozent Handelsprodukten und 50 Prozent Eigenprodukten. Der Markt für Sehbehinderten-Hilfsmittel ist hierbei stark zunehmend. Zu einem reinen Handelsunternehmen wollen wir jedoch nicht werden. So konzentrieren wir uns weiterhin darauf, unser Unternehmen auf mehrere Pfeiler zu stellen. Hierfür haben wir Projekte für den Dienstleistungssektor am Laufen und ein für uns neues, wegweisendes Projekt – den Activator. Das wird eine neue Generation von Braille-Zeilen. Sie soll jung, dynamisch und sexy sein. Mehr kann ich im Moment noch nicht verraten.

Wie verändert sich die Produktentwicklung von Help-Tech? Intelligente-Sprachsteuerungssysteme wie Alexa, Cortana oder Siri sind ja der große Trend.

Wir werden regelmäßig zu den Entwicklungsmeetings von Amazon, Apple oder Microsoft direkt in die Zentralen eingeladen. Dass wir dort mit den Großen am Tisch sitzen, macht uns natürlich stolz. Wir müssen nur gucken, dass unser blinder Softwareentwickler wieder mit heimkommt, manche zeigen mir hier etwas zu viel Interesse an ihm... Alle Tech-Giganten sind sehr daran interessiert, ihre Geräte barrierefrei zu machen. Die jüngere Generation der Blinden wird auch nicht mehr ohne Smartphone unterwegs sein. Da gehen unsere eigenen Entwicklungen auch hin – zu mehr Mobilität und Flexibilität.

Befürchten Sie nicht, dass die Großen das Know-how von Help-Tech aussaugen?

Ein gewisses Risiko besteht. Das werden wir in Kauf nehmen müssen. Der Slogan von Help-Tech lautet: Helfen heißt verstehen. Uns geht es darum, den Leuten zu helfen. Da setzen wir uns gerne hin und teilen unser Know-how. Weil alle davon profitieren.

  Die Fragen stellte Jürgen Lück.