Diese Horber Stadtansicht aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zierte einst die Briefbögen der ehemaligen Lithographischen Anstalt J. Mest, die als Druckerei in der ehemaligen Leonhardskapelle weitergeführt wurde. Die Vedute wurde vom Kultur- und Museumsverein erworben und dem Stadtmuseum als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Kultur- und Museumsverein erwarb einen Briefbogen der Lithographischen Anstalt J. Mest

Horb. Bei einer Auktion konnten die beiden Kultur- und Museumsvereinsvorsitzenden Joachim Lipp und Heinrich Raible jüngst einen Briefbogen der ehemaligen Lithographischen Anstalt J. Mest erwerben, der im Briefkopf eine Horber Stadtansicht von Westen zeigt. Diese Vedute verweist anhand einiger Besonderheiten auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.

An der Einmündung der Bußgasse in die Altheimer Straße befand sich ehemals eine Buchdruckerei, die laut Hausbeschriftung auch Steindruck, also auch lithografische Drucke, anbot. Die Druckerei war in der einstigen Leonhardskapelle untergebracht, die 1806 profaniert worden war.

Die Kapelle wurde 1471 zu Ehren des heiligen Leonhard im Tal errichtet und wegen ihrer größeren Ausmaße meist als Kirche bezeichnet. Nach dem Übergang an das Königreich Württemberg wurde sie geschlossen und zu einem Wohnhaus umgebaut. Der polygonale Chorabschluss an der Ostseite des Hauses weist heute noch auf die ursprüngliche Funktion des Gebäudes hin.

Bei der Säkularisation wurde die Kapelle für 90 Gulden verkauft. Die profanierte Leonhardskapelle wurde zunächst als Futterhaus genutzt und 1833 zu einem Wohnhaus mit Kaufladen umgebaut. Mit diesem Umbau war es eine ganz sonderbare Sache, denn die neuen Holzböden und Türrahmen waren mehrfach in kürzester Zeit abgefault. Man munkelte sogar von einem Poltergeist, der im ehemaligen Talkirchle umgehen soll.

Trotz der zahlreichen Wirtshäuser im Tal eröffnete Karl Schott nach verschiedenen Besitzern 1880 in dem zweistöckigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude das Gasthaus zum Anker. Der Wirtschaftsbetrieb wurde bereits 1890 aber wieder aufgegeben und die lithografische Anstalt und Druckerei Schott zog ein, die 1896 von Buchdrucker Anton Möst übernommen und unter dem Namen seines Vaters Joseph Mest weitergeführt wurde. Dieser Horber Maler und Lithograf war im April 1873 verstorben.

Von Joseph Mest, der nach Josef Schott, Caspar Kaltenmoser und Viktor Steinwand die jüngste Horber Lithografengeneration vertritt, stammt die wohl noch einzig erhaltene Druckplatte mit der Stadtansicht, die für den vom Kultur- und Museumsverein erworbenen Briefbogen verwendet wurde. Alle übrigen Steindruckplatten wurden auf typische Horber Art und Weise als Trittpflaster für Gartenwege verwertet.

Die Horber Vedute, die mit "Lithographische Anstalt von J. Mest in Horb" gekennzeichnet ist, wird links von der römischen Fruchtbarkeitsgöttin Ceres und rechts von dem Götterboten Hermes eingerahmt. Deutlich ist noch der Stadtmauerverlauf der Ihlinger Vorstadt zu erkennen, der vom Gaistor am Neckar bis zur oberen Feste am Fuße des Schüttebergs reichte. Diese Mauer war die bescheidenste Wehranlage, verglichen mit den Vorstädten am Aischbach oder im Tal. Dieser Teil des äußeren Stadtmauerrings verfügte nur über einen einzigen Eckturm, der im 19. Jahrhundert offensichtlich zu einem Gartenhäuschen umfunktioniert worden war. Vom äußeren Ihlinger Tor, das bereits 1812 wegen Baufälligkeit abgerissen und durch ein hölzernes Tor ersetzt wurde, zeugt nur noch das Torwärterhäuschen, und auf dem Erdgeschoss der oberen Horber Burg thront das 1836 erbaute zweigeschossige, mit einem Walmdach versehene Oberamtsgefängnis, das wiederum auf typische Horber Art und Weise 1965 ohne Not der Spitzhacke zum Opfer fiel.

Die steile Marktsteige fällt dem Betrachter ebenso ins Auge wie ein Floß, das gerade den Mühlkanal hinunterfährt. Auf zwei Stützen ruht der eiserne Steg, den der Horber Bärenwirt 1862 extra errichten ließ, um die durstigen und hungrigen Flößer, die immer ein gut verdientes Geld im Sack hatten, in seine Gastwirtschaft zu locken. Dieser Steg, der vom Flößerwasen über den Mühlkanal direkt in die Gaststube im ersten Obergeschoss führte, machte den Bärenwirt zum reichsten Wirt von Horb.

Auf dem Flößerwasen ist der städtische Floßstapelplatz zu erkennen. Die Stadt Horb behielt sich das Recht vor, das ankommende Floßholz am Ausgang des Streichwehrs bei der oberen Mühle auszuschleifen, weshalb sich zwischen dem Ufer des Mühlkanals und des Neckars einst ein bedeutender Holzhandel abspielte.

Über den Neckar führt die alte hölzerne Brücke, die ehemals auf zwei Steinpfeilern ruhte und erst 1904 nach Vollendung der ersten Neckarkorrektion durch eine Eisenkonstruktion ersetzt wurde. Eine Pappelallee geleitete von der Brücke durch die Obere Au zur Nordstetter Steige oder zum Weg, der rechts des Neckars nach Isenburg führte.

An der Abzweigung sind auch noch die Dächer der Walk-, Loh- und Gipsmühlen zu erkennen, die vom Ziegelbach angetrieben wurden, der in einer Klinge bei der alten Nordstetter Steige entspringt.