Diakon Ewald Wurster zeigt Besucherinnen das historische jüdische Ritualbad, über das er viel zu berichten weiß.Fotos: Günther Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Das historische jüdische Ritualbad in Mühringen / Ehemaliges Rabbinatshaus ist auch heute noch ein Ort der Bücher

Wer Ewald Wurster in seinem Haus in Mühringen besucht, erlebt einen faszinierenden Nachmittag. Denn in der Graf-Gerold-Straße 18 entführt der Gastgeber seine interessierten Besucher mit Begeisterung, großem Sachverstand und profundem Wissen in die jüdische Geschichte Mühringens.

Horb-Mührigen. Wurster besitzt die Fähigkeit, auf herrlich erfrischende, temperamentvolle Weise in die Grundzüge des jüdischen Glaubens einzuführen. Gekrönt wird der Nachmittag durch die Besichtigung des sich im Untergeschoss des Gebäudes befindlichen jüdischen Ritualbads, einer ungewöhnlich großen Mikwe, die komplett auf eigene Kosten aufwendig renoviert wurde.

Bis zum Jahr 1845 war das heute von den Familien Wurster und Haigis gemeinsam bewohnte stattliche Gebäude eine Wirtschaft; danach wurde des Gasthaus Hirsch an die jüdische Gemeinde Mühringen verkauft.

Über viele Jahrzehnten beherbergte das Gebäude Rabbinat, Lehrerwohnung, die Schule für die mehr als 100 jüdischen Kinder sowie die Mikwe, wie das traditionelle jüdische Tauchbad genannt wird.

Der Besuch des Tauchbads ist für Juden eine religiöse Pflicht

Zum Rabbinat Mühringen gehörten die Gemeinden Wankheim, Rexingen, Baisingen und Nordstetten; Rottweil war eine Filiale. In Mühringen lebten früher rund 500 Juden und 500 Christen friedlich zusammen. Zur jüdischen Gemeinde gehörte auch eine – inzwischen abgerissene – Synagoge. Heute bezeugen nur noch der jüdische Friedhof sowie das Wohnhaus der Familien Wurster und Haigis mit der Mikwe im Untergeschoss, dass Mühringen einst neben Bad Buchau die größte jüdische Gemeinde Württembergs war.

Welch große religiöse Bedeutung eine Mikwe für gläubige Juden hat beschreibt Wurster detailliert, ist doch für Juden der Besuch des Tauchbads eine religiöse Pflicht. Dabei wird die Mikwe nicht aus hygienischen Gründen und oder gar als ein Ort zur körperlichen Reinigung aufgesucht; vielmehr gelangt der Mikwe-Besucher durch das Untertauchen in dem fließenden Wasser zu kultisch-spiritueller Reinheit. Vor dem Besuch der Mikwe ist eine gründliche Körperreinigung vorgeschrieben, erst danach ist es erlaubt, im Wasser der Mikwe unterzutauchen. Wie Wurster beschreibt ist nicht nur die Benutzung, sondern auch die Wasserzufuhr für die Mikwe im Talmud, dem jüdischen Gesetzbuch, streng geregelt: Das Wasser für eine Mikwe muss frisch, fließend, kühl und natürlichen Ursprungs sein, es darf weder herangetragen noch anderweitig zur Mikwe transportiert werden. Alle diese Vorschriften erfüllt die Mühringer Mikwe, denn das 2,80 mal 3,20 Meter große Tauchbad wird von einer kohlensäurehaltigen Grundwasserquelle, einem Sauerbrunnen, gespeist.

Neben der eigentlichen Mikwe befindet sich ein gesondertes kleines Becken, in dem früher das Kochgeschirr rituell gereinigt – gekaschert – wurde. Im Laufe der Jahre hat Ewald Wurster unzähligen Besuchergruppen die Mühringer Mikwe gezeigt. So berichtet er von einer Professorengruppe aus Israel, die eigens anreiste, um die Mühringer Mikwe zu besichtigen, von unzähligen Schulklassen aus der Umgebung, von Firmbewerbern, Konfirmandengruppen und Kulturvereinen, die gespannt seine Ausführungen über die Grundzüge des Judentums verfolgten. Auch eine deutsch-chinesische Forschergruppe der TU Braunschweig mit dem Forschungsauftrag, insgesamt 27 europäische Mikwoat zu untersuchen, gehörte dazu. Allesamt dürften dabei fasziniert gewesen sein von der gut erhaltenen Mikwe, aber auch von der Leidenschaft und Begeisterung, mit der Ewald Wurster von seiner großen Passion berichtet, "die Liebe zum Judentum mit anderen Menschen zu teilen".

Über 3000 Bücher i m ehemaligen Rabbinats- und Schulhaus zu finden

Diese Leidenschaft hat Wurster auch dazu gebracht, als gelernter Betriebswirt auf dem zweiten Bildungsweg Theologie und Philosophie zu studieren. Nach seinem erfolgreichem Studienabschluss ist der 72-Jährige seit drei Jahrzehnten als Diakon tätig. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass das ehemalige Mühringer Rabbinats- und Schulhaus auch heute noch ein Haus der Bücher ist, hat doch der Theologe, der nach eigenen Angaben "…nicht fern schaut sondern mit seinen Büchern lebt", dort über 3000 Exemplare gesammelt.