Heimatgeschichte: Ein Blechschild erzählt von Feuerschutz-Bestimmungen vergangener Zeiten

Jörg Unsöld übergab den Horber Nachtwächtern, die stets mit ihrem Gesang in der neunten Stunde die Leute ermahnen, das Feuer und das Licht zu wahren, ein Blechschild, das an einem Rexinger Scheunentor angebracht war.

Horb. Das 36 mal 25 Zentimeter g roße Schild warnte einst vor dem allzu sorglosen Umgang mit "unverwahrtem Feuer oder Licht".

Die Angst vor dem Feuer ist tief im Menschen verwurzelt und zählt zu den Urängsten. Sie findet sich in schwacher Ausprägung bei jedem. Ursache für die Pyrophobie ist die potenzielle Gefahr, die vom Feuer ausgehen kann, wenn es unkontrolliert brennt. Das Feuer kann sich nämlich schnell von einem guten Diener in einen schlechten Herrn verwandeln.

Die Gefahr durch offenes Feuer hat sich durch den Einsatz der elektrischen Beleuchtung verringert, weil Kerzen oder Petroleumlampen längst aus der Mode gekommen sind. Das Beheizen von Räumen mittels Holz oder Kohle in Kleinöfen gehört in den meisten Haushalten ebenso der Vergangenheit an, weil zunehmend mit Öl oder Gas betriebene Zentral- oder Elektroheizungen in den Vordergrund getreten sind.

Zu den im wahrsten Sinne des Wortes gebrannten Kindern zählt Horbs großer Sohn Fürstabt Martin II. Gerbert von Hornau. Während des großen Stadtbrandes vom 17. Januar 1725 trug man das viereinhalbjährige kränkliche Kleinkind in der Wiege durch das Nordstetter Tor vor das brennende Horb. Diese traumatische Erfahrung sollte Gerbert sein Leben lang nicht mehr loslassen. Einen 1761 erfolgten Besuch in seinem Geburtsort beschreibt er im Iter Alemannicum: "So schwebte noch in unserer Einbildungskraft die große Flamme ganz lebhaft, welches ein jeder sich leicht vorstellen kann, da in einer dunklen Nacht, als man noch im ersten Schlaf gelegen, mehr als zweyhundert Häuser in wenig Stunden vom Feuer ergriffen worden, und im Rauch aufgegangen sind."

Vier Jahre nach seiner Wahl zum Abt des Benediktinerklosters St. Blasien war Gerbert um die Mittagsstunde des 23. Juli 1768 wie gewöhnlich in einem abgelegenen Büchersaal in seine Studien vertieft, als ein Brand in der Klosterküche ausbrach. Das Stockwerk, über dem sich der Fürstabt gerade befand, stand schon in vollen Flammen. Zum Glück entdeckte man ihn noch, ehe es zu spät war. In kurzer Zeit waren die Kirche, das Kloster sowie die an das Kloster anstoßenden Gebäude von der Feuersbrunst verzehrt. Noch in den Aschenschutt soll Gerbert die Grundlinien für das neue Kloster mit der beeindruckenden Kuppelkirche gezeichnet haben.

Der erste Hinweis auf eine Feuersbrunst in Horb findet sich im 1596 erschienenen zweiten Band der von Martin Crusius verfassten Schwäbischen Chronik: "Die erste Gebäue zu Horb waren nur höltzern und mit Schindeln bedeckt. Und weilen das Städtlein zweymal abgebronnen, so hatten die Leuthe darinnen gar wenig." Die Horber Oberamtsbeschreibung aus dem Jahr 1865 berichtet, dass Horb im Jahr 1556 von einem Brandunglück heimgesucht wurde und fast völlig abgebrannt war. Diese Angabe findet sich auch in dem 1905 herausgegebenen zweiten Band der Beschreibung des Königreichs Württemberg. Seither geistert das Katastrophenjahr 1556 noch manchmal durch die Horber Stadtgeschichte, obgleich es dafür keine Belege gibt.

Der große Horber Stadtbrand des Jahres 1725 ist dagegen im Protokoll des Chorherrenstifts sowie durch amtliche Schadensverzeichnisse belegt. Das Feuer, das in einem Schopf am unteren Markt seinen Ausgang genommen hatte, zerstörte 169 bürgerliche Häuser samt 32 Scheuern und machte etwa die Hälfte der Einwohnerschaft obdachlos. Das Chorherrenstift hatte den Verlust der Stiftskirche, der Propstei, des Kaplanei- und Mesnerhauses sowie von sieben Kanonikatshäusern zu beklagen. Das Dominikanerinnenkloster war zu einem "erbarmungswürdigen Äschenhaufen" verbrannt, während das Franziskanerinnenkloster nur seines Gesindehauses verlustig ging.

Betroffen waren auch die Adelshäuser derer von Attems und von Neuhausen sowie ein Haus, das dem aargauischen Benediktinerstift Muri gehörte. Die Stadt verlor Rat-, Korn-, Schul-, Schlacht- und Wachthaus sowie den Pulverturm und das Bildechinger Tor. Das Feuer zerstörte zunächst die Häuser am unteren Markt bis an den Spital und fraß sich durch die Bildechinger Gasse und die Neckargasse. Es vernichtete vom Burgstall bis hinauf zum Buß mit Ausnahme des Franziskanerinnenklosters fast alle Häuser und zerstörte noch das halbe Tal. Aus diesem Grund besitzt das während der Ritterspiele angeblich so mittelalterliche Horb eher einen barocken Charakter.

Der Horber Zimmerermeister Johann Baptist Hausch staunte in seiner Chronik über eine Statistik des Königreichs Württemberg, nach der im Verlauf von 20 Jahren 4150 Brandfälle registriert wurden, wobei sich die Zahl der jährlichen Brandschäden von 1831 bis 1850 mehr als verdreifacht hatte. Auch das kleine Horb blieb im 19. Jahrhundert vom Roten Hahn nicht verschont, und auffallend viele Wirtshäuser lösten sich in Rauch auf. Das Ritterwirtshaus auf dem Buß fiel infolge einer Brandstiftung 1845 in Schutt und Asche, und das Blumenwirtshaus im Tal brannte 1852 samt Scheuer ab. Das Schattenwirtshaus in der Wintergasse fiel mit weiteren sechs Gebäuden 1887 einem Großbrand zum Opfer, nachdem die Nachtwächter ein Feuer in der Scheuer des Rosenwirts Thomma entdeckt hatten. 1896 setzte ein Flammenmeer dem Dreikönigswirtshaus an der Bildechinger Steige ein Ende.

Als im Januar 1909 die Brauerei zum Ritter ein zweites Mal brannte, befürchtete man in Horb aufgrund des stürmischen Windes nicht nur ein Übergreifen der Flammen auf das damalige Stadtpfarrhaus, die Stiftskirche, das Oberamts- und das Kameralamtsgebäude. Der Brand erinnerte an die Katastrophe von Donaueschingen, wo fünf Monate zuvor ein Großfeuer 125 Wohnhäuser samt 168 Nebengebäuden vernichtet und 221 Familien obdachlos gemacht hatte. Jene Feuersbrunst verhalf der ehemaligen Residenzstadt der Fürstenberger zu ihren heutigen Jugendstilelementen.

Um der erhöhten Brandgefahr vorzubeugen, gebot schon die hohenbergische Landesordnung, die 1514 von der Stadt Horb mitbesiegelt worden war, dass nach 9 Uhr nachts niemand ohne Licht in einer Laterne gehen soll. Auch durfte man mit offenem Licht nicht dreschen oder in Scheunen und Ställe gehen. Ebenso war das Dörren von Flachs- oder Hanfwerg in Häusern verboten. Später wurde noch das "Tabaktrinken" wegen Feuersgefahr mit einer saftigen Geldstrafe belegt.

Eine gewichtige feuerpolizeiliche Aufgabe lastete auf den Schultern der Nachtwächter. Der im Horber Stadtbuch niedergeschriebene Nachtwächtereid aus der Zeit um 1550 führt dazu Folgendes auf: "Wann sie die Wächter inn der statt fewer spüren / das schaden oder nachteil bringen möchte, das sollen sie dem Amptman unnd Burger=Wachtmeister fürderlich anzaigen unnd die Leüt da sie das fewer argwönisch findenn, desgleichen die Nachpurn darumb ufmerkhen / damit schad unnd nachteil sovil müglich verhüet beleib / Wann aber feyers geschray usserhalb der statt Horb, inen anzaiget wirt, sollen sie das dem Amptman unnd Burgermeistern fürderlich anzeigen / unnd sonst kein geschray machen."

Auch nachdem das vorderösterreichische Horb an das Königreich Württemberg übergegangen war, hatte man sich des Nachts nach der 1808 erlassenen "General-Verordnung, die Feuer-Polizei-Geseze betreffend" wohlverwahrter Laternen zu bedienen.

Als die deutsche Reichsgründung nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg erfolgt war, wurden die feuerpolizeilichen Ge- und Verbote im Mai 1871 mit dem Reichsstrafgesetzbuch für das gesamte Deutsche Kaiserreich geregelt. Im Abschnitt Übertretungen hieß es im Paragrafen 368 Absatz 5, dass mit Geldstrafe bis zu zwanzig Thalern oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft wird, "wer Scheunen, Ställe, Böden oder andere Räume, welche zur Aufbewahrung feuerfangender Sachen dienen, mit unverwahrtem Feuer oder Licht betritt, oder sich denselben mit unverwahrtem Feuer oder Licht nähert." Mit der Einführung einer einheitlichen Währung im Januar 1876 wurden aus den 20 Talern dann 60 Mark.

Am althergebrachten Nachtwächtereid sowie am Paragrafen 368 des Reichsstrafgesetzbuches orientierte sich die im August 1874 genehmigte "Dienst=Instruction für die Nachtwächter der Stadt Horb". Dort heißt es im Paragrafen 4: "Bemerkt ein Nachtwächter irgendwo auffallenden Rauch, Brandgeruch oder Helle, so hat er sogleich nach der Ursache zu forschen und wenn er Gefahr vermuthet, alsbald der Polizei Anzeige zu machen. Entdeckt er aber wirklich Feuer, so hat er so schnell als möglich die Hausbewohner und Nachbarn zu wecken und dann sofort der Polizei Meldung zu machen, auch dann, es geglückt ist, daß Feuer im Entstehen zu löschen."

Darüber hinaus hatten die Nachtwächter nach der neuen Dienstinstruktion über die "Beobachtung der Feuerpolizei-Gesetze" zu wachen: "1. über vorsichtige Behandlung von Feuer und Licht, hauptsächlich in Wirtshäusern. 2. über das Gehen mit bloßem Licht oder brennender offener Tabakspfeife in Scheuern, Ställen, Dachböden und dergleichen. 3. über das Strohschneiden oder Dreschen bei Nacht, welches nur nach der Frühglocke stattfinden darf, und wenn eine wohlverwahrte Laterne am Scheuernthor hängt, also nicht sonstwo steht. 4. über das Erwärmen der Stallungen durch Kohlenfeuer. 5. über das Schießen, Raketenwerfen und dergleichen in der Stadt oder auf den Straßen."

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fanden mehr und mehr Petroleumlampen Verwendung, weil sie gegenüber Kerzen den Vorteil größerer Helligkeit und des sehr viel billigeren und längeren Betriebs besaßen. Laut einer Kaiserlichen Polizeiverordnung vom Mai 1882 durften feuergefährdete Räume aber aus sicherheitstechnischen Gründen nur mit geschlossenen Laternen betreten werden, in denen kein Petroleum verbrannt wurde. Im August 1887 vermeldete auch die Horber Chronik bedauerliche Fälle durch explodierende Petroleumlampen. Viele Petroleumsexplosionen entstanden bei der Wiederbenutzung von Lampen, die längere Zeit außer Gebrauch waren, weil sich nach längerem Stehen im Ölbehälter das leichter entzündliche Petroleum-Naphtha bildete. Ein besonderes Risiko bei Petroleumlampen bestand außerdem darin, dass beim Umkippen oder Herunterfallen der Brennstoff verschüttet wurde.

Im Unterschied zum heutigen Strafgesetzbuch enthielt das Reichsstrafgesetzbuch viele Tatbestände, die heutzutage im Ordnungswidrigkeitengesetz zu finden sind und erst im Zuge der Strafrechtsreform der 1970er Jahre aus dem StGB ausgeklammert wurden. Neben der noch heute gebräuchlichen Einteilung der Straftaten in Verbrechen und Vergehen wurde die dritte Kategorie, die Übertretung, sämtlich in das OWiG verlagert. Im Landesgesetz über Ordnungswidrigkeiten vom Februar 1978 handelt laut Paragraf 10 derjenige ordnungswidrig, "der vorsätzlich oder fahrlässig Scheunen oder andere Räume, die zur Aufbewahrung leicht entflammbarer Sachen dienen, mit unverwahrtem Feuer oder Licht betritt".