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Kirche St. Michael und Laurentius hat hölzernen Glockenstuhl. Feinabstimmungen im Geläut und Schwingungsmessungen.

Horb-Talheim - Wer ein feines Gehör hat, sollte in Talheim in Zukunft auf das Geläut der Pfarrkirche St. Michael und Laurentius achten. Denn dort erfolgte am Montag eine Feinintonation durch das Amt für Kirchenmusik der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Zudem wurde die Schwingung des Glockenturms gemessen.

Eine Rückbesinnung auf das, was früher schon gut war und funktioniert hat, das erlebt man derzeit in vielen Kirchen. Häufig werden dort die Glockenstühle durch Holzkonstruktionen ersetzt. Die Glockenaufhängungen waren in der Nachkriegszeit oft aus Stahl hergestellt worden. So auch in der Talheimer Kirche St. Michael und Laurentius.

"Wenn das Stahljoch gebrochen wäre, hätte die Glocke sämtliche Decken durchschlagen und auch den Fußboden zerstört", sagt Zimmermannmeister Konrad Faßnacht bei der Begehung im Glockenturm. Erst vor zwei Wochen hat das Handwerksunternehmen den Glockenstuhl aus Holz im Turm eingebaut. Mehr als zwei Tonnen wiegen die beiden großen Glocken jeweils. Vier sind es insgesamt, die 1957 von Friedrich Wilhelm Schilling hergestellt worden waren. Noch dazu kommt jetzt die kleinere Totenglocke, die im Glockenturm angebracht wurde. Diese funktioniert nun auch mechanisch. Zuvor habe man sie mit der Hand läuten müssen, erzählt Mesner Martin Klink. Wie alt die Glocke ist, weiß jedoch niemand so genau.

Dass der Glockenstuhl erneuert wurde hat vor allem sicherheitstechnische Gründe. "Stahl war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Baustoff, der in Mode war. Man dachte, dass es länger halten würde. Bei gewissen Glockenstühlen hat man nun aber festgestellt, dass der Stahl nach 60 bis 70 Jahren ermüdet", erzählt Roman Schmid vom Amt für Kirchenmusik der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Stahljoche, an denen die Glocken aufgehängt sind, können brechen. Das hätte verherende Folgen und könnte im schlimmsten Fall auch Kirchengänger gefährden, berichten die Experten. "Bei den Arbeiten, als die Glocken noch provisorisch befestigt waren, hatte ich sie deshalb immer im Blick", beschreibt Faßnacht sein mulmiges Gefühl. Mit seinen Zimmerleuten arbeitet er schon seit April in der Kirche.

Hinzu kamen noch weitere Sanierungen im Bereich des Turms, die der Sicherheit dienen. Damit ist Faßnachts Zimmergesellin Patricia Flack aus Neustetten derzeit noch beschäftigt. Sie erneuert Geländer im Turmaufgang und passt sie dem ursprünglichen Aussehen an. "Das muss natürlich alles mit dem Amt für Denkmalschutz abgestimmt sein", berichtet Faßnacht und verweist auf einen Balken, im Deckenbereich der Kirche, der zum Teil erneuert wurde. "Es geht darum zu erhalten und Altes zu schützen", erklärt er. Oftmals wäre es für die Zimmerleute einfacher, einen kompletten Balken auszutauschen, aber das sei nicht das Ziel, sondern "es soll so viel wie möglich erhalten bleiben", sagt Faßnacht. Das brauche dann eben auch seine Zeit.

An historischen Gebäuden zu arbeiten habe für die Zimmerer immer einen besonderen Reiz, da die Arbeit nicht alltäglich ist. "Das ist für uns spannend, gerade so ein Glockenstuhl ist etwas ganz Neues", berichtet der Zimmermann aus Talheim.

Der Einbau des Holzglockenstuhls habe neben der Sicherheit einen weiteren positiven Nebeneffekt: Der Klang wird sich verbessern. "Das Läuten klingt jetzt schon runder und wärmer", weiß Kirchenmusikexperte Schmid, der am Montag eine Feinintonation des Geläuts vornahm, die aber noch nicht ganz abgeschlossen ist.

Grund für ein schöneres Läuten sei auch, dass die Glocken im Turm nun auch mehr Platz hätten, berichtet Architekt Timo Raible, der sich um die Koordination der Maßnahme kümmert. Die Glocken waren zuvor auf einer Ebene angeordnet. Das habe zur Folge gehabt, dass sie nicht ausschwingen konnten und teilweise an die Turmwand stießen, erzählt Mesner Klink. Nun sind die Glocken auf zwei Ebenen angeordntet, was es auch leichter mache auf Probleme zu reagieren, so Raible. Denn derzeit muss an der Kirche St. Michael und Laurentius noch eine weitere Maßnahme ausgegführt werden. Im Sommer 2014 hatte Oliver Rösch vom Karlsruher Institut für Technologie bei einer Schwingungsmessung festgestellt, dass der Glockenturm ein außergewöhnliches Schwingverhalten aufweist, wenn die Glocken geläutet werden. "Wenn langfristig die Werte überschritten werden, dann kann es zu Schäden am Gebäude kommen", erklärt Rösch. Eine Abstimmung mit der Glockenbaufirma Hörz aus Biberach wurde deshalb Anfang der Woche unternommen, um die Schwinggeschwindigkeit und die Klöppelanschlagzahlen anzugleichen.

Die Gesamtkosten der Sanierung belaufen sich auf 238.000 Euro.

Info: Kirche St. Michael und Laurentius

Der katholische Pfarrkirche St. Michael und Laurentius in Talheim wurde 1833/34 im Kameralamtsstil erbaut.

Der Kameralamtsstil bezeichnet einen Kirchentyp, der im 19. Jahrhundert im Sinne eines Musterplans von Baubeamten des württembergischen Staates erstellt wurde. Der Baustil hatte seinen Höhepunkt in den 1830er- und 1840er-Jahren. Die Gebäude sind stark auf Funktionalität bedachte, symmetrische, rechteckige Saalbauten oft auch mit auf beiden Längsseiten angebrachten Emporen und einem Mittelgang. Der Turm liegt über dem Haupteingang, die Sakristei gegenüber. Neben der Kirche im vormaligen Untertalheim entsprechen diesem Typus auch die Kirche St. Johannes Baptist in Rexingen (ab 1839) und St. Konrad in Ahldorf (1844) oder auch die Kirchen St. Markus in Geislingen-Binsdorf (1834 bis 37) und die evangelische Johanneskirche in Altensteig-Walddorf (1840).

Die Ausmalung der Kirche erfolgte im Jahr 1916 durch den aus Talheim stammenden Horber Maler-Meister Wilhelm Klink.