Prozess: 27-jähriger Rauschgiftdealer zu 21 Monaten Haft verurteilt / Mann steckt im "Teufelskreis der Beschaffungskriminalität"

Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen einen 27-Jährigen, der derzeit in der JVA-Rottweil die U-Haft nutzt, um eine Ersatzfreiheitsstrafe für eine nicht bezahlte Geldstrafe von drei Monaten abzusitzen, ging gestern Vormittag vor dem Schöffengericht weiter.

Horb. E s ging um die Lebensumstände des Angeklagten, der in Stuttgart geboren wurde und mit elf Jahren mit der Mutter und seinen drei Geschwistern in den Kreis Freudenstadt zog. In dieser Zeit verbrachte er auch vier Jahre in einem Kinderheim, da die Mutter mit seinen "Späßchen", wie er es nannte, überfordert war. Damit war auch die häufig von Angeklagten geschilderte "schwere Kindheit" aktenkundig.

Zur Ausbildung zog es ihn zurück in der Stuttgarter Raum. Dies war auch die Zeit, in der seine "Drogenkarriere" begann, die mit einigen Unterbrechungen bis zum heutigen Tag andauert. Dies erklärte er auf Nachfrage einer der Schöffinnen. In Horb sei er mehrfach aus seinen Wohnungen geflogen. Meist, weil er die Miete für andere Dinge brauchte, so ein weiteres Indiz dafür, dass er sich in einer Abwärtsspirale befindet.

"Gras ist teuer und Ihr Vermögensverhältnis mehr als desaströs"

Der psychologische Sachverständige erklärte, dass der Angeklagte aus seiner Sicht zwar stark cannabisabhängig sei, doch keineswegs schuldunfähig. Alle weiteren Ausführungen seinerseits wären jedoch spekulativ, da der Experte anhand der vorhandenen Informationen kein fundiertes Gutachten erstellen könne, betonte er, packte seine Sachen und ging.

Nach der Beweisaufnahme entwickelte sich die Verhandlung in der Phase der Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geradezu zu einer Schlacht der Sichtweisen.

Während Staatsanwalt Achim Ruetz seine Anklageschrift nach der Beweisaufnahme vollumfänglich bestätigt sah, glaubte der Anwalt des 27-Jährigen fest an den guten Willen seines Mandanten und wollte dessen Kooperation vor Gericht belohnt sehen.

Der Staatsanwalt unterstrich in seinem Strafantrag, dass der Beschuldigte, den er mit "sehr geehrter Herr (...)" ansprach, durch den Verkauf von Betäubungsmitteln seinen Lebensunterhalt verdienen und gleichzeitig seine eigene Sucht befriedigen musste. "Wenn das stimmt, was Sie uns geschildert haben, dann brauchten Sie pro Monat mindestens 750 Euro für ihren Eigenbedarf", rechnete Ruetz hoch. "Gras ist teuer und Ihr Vermögensverhältnis mehr als desaströs – Sie sind ein klassischer Fall, der im Teufelskreis der Beschaffungskriminalität steckt." Für den Anklagevertreter war auch klar, dass Beschuldigte mit dem Messer auf seinen früheren Geschäftspartner losging und bereit war, ihm das Messer in den Bauch zu rammen. Sicher war sich Ruetz auch darin, dass die Ecstasy-Tabletten, die man im Treppenhaus des Horber Polizeireviers fand, dazu gedacht waren, sie beim Mini-Rock-Festival, das zur gleichen Zeit stattfand, als kleine Muntermacher unter die Leute zu bringen. "Bloß, die haben Sie halt nach dem Besuch bei ihrem Bewährungshelfer verschusselt – genau wie die fünf ›Füchse‹ im Kaufland." (Wir berichteten).

Erschwerend kam für Staatsanwalt Achim Ruetz hinzu, dass im Vorfeld dieses Prozesses die Zeugen massiv beeinflusst wurden. "Die Leute hier haben Angst vor Ihnen", stellte er fest und wertete die Schutzbehauptung, dass der Tom (Name von der Redaktion geändert) der Kopf des Dealerrings war, als geradezu lächerlich. "Wir erlebten hier im Gerichtssaal zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Der Tom, der mit seiner Drogenkarriere abschließen will, und Sie als sein Gehilfe – das glaubt kein Mensch."

Angeklagter bricht alle bisherigen Bewährungsauflagen

Hier irrte der erfahrene Staatsanwalt. Der Anwalt des Beschuldigten glaubte seinem Mandanten und wollte eben dem Ex-Komplizen Tom den schwarzen Peter zuschieben. Der Antrag von Ruetz – er forderte eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und drei Monaten Haft ohne Bewährung – hätten ihn entsetzt, echauffierte sich der Jurist. "Da gab es bei anderen Prozessen ganz andere Anträge – der hier ist viel zu hoch." Der Anwalt unterstellte, dass Tom bei seiner Aussage "nicht die Hosen herunter gelassen hätte". Dessen gesamte Ausführungen seien unglaubwürdig gewesen. "Ich glaube dem Herrn Tom nix", so sein Fazit. Was die Rauschgiftgeschichte anging, da stellte er seinen Klienten ins beste Licht und erzählte zudem noch etwas von einem vollen Geständnis, dass sein Mandant freiwillig abgegeben habe. Für den Verteidiger kam – wenn überhaupt – höchstens eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten in Betracht, die man seiner Meinung nach unter lockeren Auflagen selbstverständlich zur Bewährung aussetzen könne.

Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick und seine beiden Schöffinnen zogen sich dann zu einer 90-minütigen Beratung zurück und verkündeten, dass der 27-Jährige für insgesamt 21 Monate in Strafhaft muss. "Von einer Bewährung sind Sie Lichtjahre entfernt", so Trick in seiner Urteilsbegründung. Er sah es ähnlich wie die Staatsanwaltschaft und betonte, dass gerade bei der Aussage von Tom keinerlei Belastungstendenzen erkennbar waren. "Im Gegenteil, der hat die Tathergänge noch zu Ihren Gunsten heruntergezoomt." Auch warf Trick dem Täter vor, dass sein sogenanntes Geständnis nichts wert war. "Wenn die SEK zu einer Hausdurchsuchung antritt, 56 Gramm Hasch, weitere Drogen und Geld findet, dann gibt’s da nichts mehr zu leugnen. Nur so etwas zuzugeben, das ist kein Geständnis." Im Endergebnis kam das Gericht zu der tiefen Einsicht, dass nur eine längere Haftstrafe auf den Mann, der bislang all seine Bewährungen brach, einwirken kann.

Der wohnsitzlose Mann, der den Ausführungen des Richters eher gelangweilt folgte, bekommt nun eine wenn auch unfreiwillige Wohnadresse. Und die Drogen- und Obdachlosenszene um den Horber Bahnhof ist vorerst um eine schillernde Figur dezimiert. Es wird dort vielleicht in nächster Zeit etwas ruhiger.