Ein Unwetter, das publizistische Spuren hinterließ: In einer Flugschrift (Straßburg 1578) mit der Darstellung von Missgeburten in Norditalien war auch die Hochwasserkatastrophe in Horb Thema. Foto: Zentralbibliothek Zürich

Im 16. Jahrhundert wurde Horb gleich zwei Mal von Überschwemmungen heimgesucht.

Horb - Unwetter haben in Süddeutschland Anfang der Woche für schwere Überschwemmungen gesorgt. Menschen starben, Hauswände wurden eingedrückt, Autos mitgerissen. Holz, Geröll und Schutt bedeckten meterhoch die Straßen. Ähnlich sah es in Horb in den Jahren 1578 und 1584 aus.

An die Unwetterkatastr ophe des Jahres 1578 erinnern in der Neckarstadt noch der Platz- und der Talbrunnen, die ein Jahr darauf im Stil der Renaissance neu erbaut wurden, nachdem sich ein Jahr zuvor im Grabenbachtal eine verheerende Überschwemmung ereignet hatte.

In ihrer Not wandte sich die Horber Bürgerschaft damals an den Landesherren Ferdinand II. von Österreich-Tirol, der zur Beseitigung des gewaltigen Schadens für fünf Jahre auf den Einzug der der Herrschaft zustehenden Hälfte des Umgelds, einer Art Getränkesteuer, verzichtete. Aus Dankbarkeit stellten die Horber ein lebensgroßes Standbild des Erzherzogs auf die Brunnensäule des Platzbrunnens.

Das Wasser brachte sogar die Friedhofsmauer zum Einsturz und spülte die Leichen aus ihren Gräbern

Di e Unwetterkatastrophe notierte der Züricher Archidiakon Johann Jakob Wick in seiner Chronik und versah die Notiz mit zwei Abbildungen, die oben drei Hexen beim Schadenszauber zeigen und darunter die im Hochwasser versunkene Stadt. Der Eintrag lautet: "Von einer grusamen wassergüsi zuo Horw – Am 15. Tag Meyens ist zuo Horw, nütt wyt von Rotwyl vom himmel herab ain wolkenbruch gefallen, darvon ain grusam wassergüsi angang, hatt lüth [Leute] und vyeh [Vieh] mittsampt zehn hüseren [Häusern] hinweg gefürt und ertrenkt."

Die Katastrophe vom 15. Mai 1578 hinterließ noch weitere publizistische Spuren. Ein in Straßburg gedrucktes Flugblatt lieferte neben einem Bericht über zwei in Norditalien ausfindig gemachte Missgeburten eine "Beschreibung des Erbärmlichen Wassergusses jüngst zu Horb".

Um sich der Wassermassen zu erwehren, schloss man die Stadttore, was zur Folge hatte, dass die an das äußere Bildechinger Tor angrenzende Stadtmauer "hinder dem Spital" brach, und "also unversehen, Leut und Viech, Getreyd und frucht verfürt, zwölf Häuser gar hingeflötzt, die andern verderbt, das Wisenthal gantz zerissen, die Bronnen eingeworfen" wurden.

Die Wassermassen sollen sogar die Grabsteine von dem an die unteren Spitalgebäude angrenzenden Friedhof in die Stadt geschwemmt haben, "also das die Toden unter den Lebendigen sint geschwommen, sonderlich hat man unter denselbigen eyner Kindbetterin wargenommen, die man kurtz zuvor begraben hatte".

Die Straßburger Flugschrift vermittelt auch einen Eindruck von der Endzeitstimmung, die angesichts solcher Katastrophen am Beginn der Neuzeit herrschte: "Aber aus erzeltem hat man genug den zorn Gottes zuersehen wie schwärlich es abgange / wann er eynmal entzornnet ist." Solche Unwetter seien als Warnung aufzufassen, Buße zu tun, bevor Schlimmeres geschehe.

In der Wickiana und der Straßburger Flugschrift wurde aber nicht erwähnt, dass infolge dieser Unwetterkatastrophe nur drei Wochen später gleich neun Frauen zum Sündenbock gemacht und als Hexen auf dem Horber Hochgericht beim Galgenfeld exekutiert wurden.

Anlässlich dieser Katastrophe und den sich anschließenden Hexenverbrennungen gab ein gewisser Ambrosius Wetz im fernen Antwerpen eine "Warhafftige und ein erschröckliche Neuwe Zeitung" heraus, die in 30 Strophen aufreißerisch über das Geschehen in Horb berichtete.

Inhaltlich waren solche Hexenzeitungen, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehr und mehr Verbreitung fanden, äußerst dürftig. Keine von ihnen äußerte sich kritisch zu den Ereignissen, alle riefen mehr oder weniger zu weiterer Verfolgung auf. In gewisser Weise stellten diese Zeitungen die Vorläufer moderner Boulevardblätter dar, indem sie dem Leser damals schon eine Mischung aus Ungeheuerlichem, Sex, Unzucht und Verbrechen boten.

Laut Wetz hatten die Hexen während eines Hexensabbats "beym Brunnen kül, getrieben ihr Teuffels spiel". Und als sie ihren mit gebratenen Schlangen und Kröten gefüllten Topf ins Feuer schütteten, "da hat sich angefangen balt, ein grausam prausen mit gewalt, groß stein vom Berg geschossen, etlich dreyssig zentner schwer, haben die Stattmaur eingestossen. Darauff ist ein groß gewässer kommen, hat wol dreyssig heusser weggenommen."

Wetz berichtet in Reimform von einem alten Horber Bürger, der auf dem Dach seines Hauses eine Hexe entdeckte, die das Haus "zerspalten" wollte. Dieses Haus wurde angeblich dann von den Wassermassen weggespült und der Mann soll ertrunken sein. Nach Wetz bot die Stadt nach der Flut ein Bild des Jammers und der Schaden schien unermesslich zu sein.

Diese Horber Hochwasserkatastrophe wurde auch als Inschrift auf der ehemaligen Spitalscheuer, die Mitte der sechziger Jahre dem Altersheim Ita von Toggenburg weichen musste, festgehalten, wobei das Unglücksdatum um zwei Tage nach hinten verlagert wurde: "Anno 1507 die alte abgebrochen Scheuer ist verbrannt worden, Sodann den 17ten May 1578 ist von einem großen, starken Wolkenbruch eine solche Wassernoth entstanden, daß in den spitalischen Stallungen nur noch ein blinder alter Rapp nebst einer großen rotblessenden Kuh mit dem Leben davonkamen, welche beyde Stücke sich selbsten die Stiegen hinauf salviert haben." 1777 wurde die Scheune neu aufgebaut, renoviert wurde sie in den Jahren 1826, 1889 und 1911.

Eine weitere "Erbärmliche und Eschröckenliche Zeittung" aus dem Jahr 1584 belegt, dass man aufgrund dieser Sintflut in Sachen Katastrophenschutz in Horb nicht untätig geblieben ist. Hier berichtet ein gewisser Samuel D., dass starke Mauern gebaut worden seien, damit nicht aus drei "Thalen die wasser zusamen könden".

Doch auch dieser Hochwasserschutz konnte am 23. Juli 1584 den Wassermassen nicht standhalten. Offenbar staute sich das Wasser vor dem Grabenbachtor und stieg so lange in die Höhe, bis es in einem Schwall über die Stadt kam. Das Torwärterhäuschen, in dem sich die Torwächterin samt ihrem Kind befand, wurde hinweggeschwemmt. Das Wasser brachte sogar die Friedhofsmauer zum Einsturz und spülte die Leichen aus ihren Gräbern. Den Leichnam eines "alten und grawen mannes" riss die Strömung bis nach Lustnau mit.

Angesichts dieser zweiten Katastrophe glaubten die Horber, dass der "Jüngste Tag" gekommen sei

A cht gewappnete Dienstleute sollen samt ihren Pferden ersoffen sein. Die herbeigeeilten Reitknechte hätte fast dasselbe Schicksal ereilt, wenn man sie nicht mit starken Seilen aus dem Wasser gezogen hätte. Der Berichterstatter fährt in seiner "Zeittung" fort, das Wasser sei auch rund zehn Pferden sowie Kühen, Kälbern, Gänsen, Hühnern und Schweinen unbekannter Anzahl zum Verhängnis geworden. Bei dieser Katastrophe wurden insgesamt sechs Häuser weggeschwemmt und dreißig Häuser verwüstet.

Der Horber Apotheker wäre wahrscheinlich in seinem Keller ertrunken, wenn man ihn nicht mit einem Strick herausgezogen hätte. In der Vorstadt im Tal wurde einer der frisch aufgerichteten Brunnen "weg genommen auß dem grund". Dies wäre vielleicht eine Erklärung dafür, warum der Talbrunnen bis 1933 über keine Brunnenfigur verfügte.

Alle Stege und Brücken, die über den Grabenbach führten, waren weggerissen worden. Auch die Liebfrauenkapelle hatte das Wasser "gantz verderbt". Ebenso beschädigt wurden die übrigen Kirchen und Kapellen, die am Grabenbach gelegen waren.

Angesichts dieser zweiten Überschwemmungskatastrophe glaubten die Horber, dass der "Jüngste tag" gekommen sei. Mit Blick auf die "von Holtzwerck, kot, sand und auch stein" bedeckten Straßen verzagten sie fast und "meinten nicht, das möglich wär, die Stadt wider zu machen lehr".

Doch dank der Nachbarschaftshilfe und der Unterstützung durch den Landesherren, der dieses Mal der Stadt auf sechs Jahre je 1000 Gulden aus den Steuern der vorderösterreichischen Grafschaft Hohenberg bewilligte, meisterten die Horber auch dieses Unglück. Hilfe kam insbesondere aus dem württembergischen Amt Dornstetten, das 150 Mann samt 30 Karren zu den Aufräumungsarbeiten geschickt hatte. Sogar die "fromme Herren von Rottweil" standen eilends den Horbern bei sowie "andre Herrschaft in dem Land".

Vermutlich machten die Horber nach dieser zweiten Katastrophe jetzt Nägel mit Köpfen und errichteten mit gewaltigen Muschelkalkblöcken draußen im Gewann Faulstett eine stattliche Staumauer, die, von Gestrüpp überwuchert, den wenigsten Horbern bekannt sein dürfte. Des Weiteren wurde vor dem Altheimer Tor wohl eine zweite Staustufe gebaut, auf der heute die Panoramastraße in die Althei mer Straße mündet.