Der Freiburger Pianist Thomas Scheytt begeisterte im Horber Kloster mit Boogie-Woogie-Arrangements der Extraklasse. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Konzert: Freiburger Pianist Thomas Scheytt eröffnet das diesjährige Programm des Projekts Zukunft im Horber Kloster

Horb. Mit dem zweifachen Gewinner des German Blues Award, dem Freiburger Pianisten Thomas Scheytt, eröffnete das Projekt Zukunft sein diesjähriges Programm.

In der Betriebswirtschaftslehre würde man bei so einem Programmauftakt von einer leicht gewagten Mischkalkulation sprechen, denn ob allein der Sound eines flott gespielten Klaviers ausreicht, um den Saal mit Menschen zu füllen, die sich sogar deshalb extra eine Eintrittskarte kaufen würden, das war nicht wirklich voraussehbar.

Scheytt, der bald 30 Jahre mit dem Gitarristen und Sänger Ignaz Netzer zusammengearbeitet hat und europaweit mit seinem Trio "Boogie Connection" tourt, kam allein mit der Kunst seiner Hände, die in atemberaubendem Tempo das PZ-eigene Klavier bearbeiten, an den Neckar. "Piano solo" hieß das Programm.

Doch das Risiko, dass man als Ausrichter solcher, recht speziellen, Veranstaltungen eingeht, hat sich gelohnt. Der Künstler war ganz begeistert vom Horber Publikum. Das galt ebenfalls für alle, die den Weg ins Horber Kloster gefunden hatten, um dem Mann zuzuhören, der von der Fachpresse als einer der besten zeitgenössischen Boogie- und Blues-Pianisten gehandelt wird. Warum das so ist, das bewies er mit jedem Stück, mit jeder Interpretation, mehr als eindrucksvoll, die er dem alten Schimmel-Klavier entlockte.

Er holte seine Zuhörer direkt ab, machte mit ihnen eine musikalische Weltreise, die von Freiburg-Sankt Georgen über New Orleans bis in die Carnegie Hall nach New York führte, in der bei einem Boogie-Konzert im Jahr 1938 die Zuhörer derart in Ekstase versetzt wurden, dass der Geschichte nach, die Türsteher am Ende einige Teilnehmer von den Kronleuchtern herunterbitten mussten. So schlimm war es dann im Kloster nicht, doch bewegte sich eine Dame, ganz beseelt vom Swing der Melodien, in ihrem ganz eigenen Tanzrhythmus. Und das ist im Schwäbischen wirklich sehr, sehr selten. Die meisten der Zuhörer blieben zwar sitzen, wippten jedoch mit unterschiedlichen Gliedmaßen im Takt mit und stießen ab und zu verzückte Jauchzer aus.

Natürlich wurde auch immer wieder im Takt mitgeklatscht, und als der Künstler sie aufforderte, beim bekannten Gospel "Put Your Hand in the Hand" so laut wie möglich mitzusingen, wobei der Text nicht unbedingt im Vordergrund stehen müsse, wie Scheytt extra betonte, da war es doch ganz gut, dass es im Horber Kloster-Saal keine Kronleuchter gibt. Das Publikum ging mit wie eine Eins. Es wurde gesungen und im Takt geklatscht, dass es eine wahre Freude war. Ganz am Schluss des Songs riss es den Pianisten selbst so mit, dass er im Stil von Jerry Lee Lewis ein Bein auf den Tasten hatte.

Ganz so wild ging es aber nicht immer zu. Es gab da auch die meisterhaften Momente, in denen der Breisgauer sein ganzes Können zwischen den Tasten ausspielte. Seine innovative Interpretation des Klassikers "Georgia On My Mind" oder bei seiner eigenen Komposition "Out of the Dark", die von einem Sonnenaufgang erzählt und bei der das Klavier zur Orgel wurde, wurden mit enthusiastischem Applaus belohnt. Dass seine Komposition "Morning Dance" für eine Dame zum täglichen Aufstehritual gehört, wie sie Scheytt schrieb, konnte man am Ende des Stücks gut nachvollziehen. Phasenweise erinnerte das melodische Grundgerüst an die Filmmusik eines Chaplin-Films, um im nächsten Moment nur so von Energie zu sprühen. Doch der Künstler lässt seine Zuhörer in diesem Stück nicht völlig aufgekratzt in den Tag starten, sondern gönnt ihnen auch kleine Aufwachmomente zwischen den beschwingten Boogie-Tönen.

Boogie-Woogie, das ist viel mehr als nur schnell gespielter Blues. Boogie ist Lebensfreude pur. Selbst Beethoven hat, wenn man den Musikwissenschaftlern glauben mag, in seinem letzten Satz vom Opus 32 eine Boogie-Sequenz im Blues-Schema verwendet.

Mit seiner Komposition "Summer Night", zu der ihn Joseph von Eichendorffs wunderbar romantisches Gedicht "Mondnacht" inspirierte, wie Scheytt erklärte, und das er als Geschenk an sein wunderbares Publikum sah, endete dieses ganz besondere Konzert, bei dem der Mann am Klavier die musikalische Messlatte für 2020 recht hoch legte.