Besuch im ehemaligen jüdischen Betsaal: Landesrabbiner Netanel Wurmser, seine Mitarbeiterin Angelika Jung-Sattinger (links) und Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft (Mitte) ließen sich von Barbara Staudacher und Heinz Högerle die Sanierung vorstellen Foto: Synagogenverein Foto: Schwarzwälder-Bote

Eine der Gemeinden mit den meisten jüdischen Friedhöfen in Deutschland / Dokumentation für Mühlen angestrebt

Horb. Im Mittelpunkt eines Besuchs von Landesrabbiner Netanel Wurmser standen die Visitation der jüdischen Friedhöfe in Mühlen, Horb und Rexingen und die Besichtigung des jüdischen Betsaals in Horb.

Das geistliche Oberhaupt der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) war vom Träger- und Förderverein Ehemalige Synagoge Rexingen, kurz: Synagogenverein, eingeladen worden. Am Dienstag kam er dann mit Michael Kashi, Vorstandsmitglied der IRGW, und seiner Mitarbeiterin Angelika Jung-Sattinger. Horb gehört zu den Gemeinden in Deutschland mit den meisten jüdischen Friedhöfen: Die Grabfelder in Mühringen, Nordstetten, Dettensee, Rexingen, Mühlen und in der Kernstadt "sind Zeugen der ehemals reichen jüdischen Kultur in der Region", so Heinz Högerle vom Synagogenverein.

Mühringen war Sitz des flächenmäßig größten Rabbinats in Württemberg mit einem Gebiet von Tübingen bis Rottweil. 1913 wechselte der Sitz des Rabbiners nach Horb. Die IRGW mit Sitz in Stuttgart ist Rechtsnachfolgerin der in der Nazizeit zerstörten jüdischen Gemeinden und damit Eigentümerin der jüdischen Friedhöfe. 1957 wurde deren Pflege bundesweit in einem Vertrag zwischen Bund, Ländern und dem Zentralrat der Juden geregelt. Finanziert wird die Pflege hälftig von Bund und Land, die Durchführung übernimmt die jeweilige Gemeinde, die dafür entschädigt wird.

In Horb hat die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit dem Synagogenverein ehrenamtliche Verantwortliche für jeden jüdischen Friedhof benannt. Diese Bürger begutachten regelmäßig den Zustand der Friedhöfe und geben Hinweise auf Arbeiten, etwa die Ausbesserung von Zäunen, das Sichern von abgesunkenen Grabsteinen und die Pflege von Bäumen. Außerdem werden alle Friedhöfe zweimal pro Jahr gemäht, teilweise von Vereinen oder lokalen Initiativen. Auch Schulklassen melden sich immer wieder, um zu helfen. Sie erhalten, wie Högerle erklärte, zuvor eine Einführung in die Geschichte des Friedhofs durch Mitglieder des Vereins.

Als Eigentümerin der jüdischen Friedhöfe sind die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs und ihr geistliches Oberhaupt vor allem bei größeren Veränderungen zu hören. Vor diesem Hintergrund diente der Besuch des Landesrabbiners dem Informationsaustausch. In Mühlen und Horb wurde die IRGW-Delegation von Manfred Steck über Entstehungsgeschichte und Pflege unterrichtet. Steck, pensionierter Gymnasiallehrer, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der jüdischen Geschichte in der Region. Auf seine Initiative hin wurden die jüdischen Friedhöfe in Mühlen und Horb, die in der 1960er- und 70er-Jahren zugewachsen waren, wieder in einen ordentlichen Zustand gebracht.

Schüler der jüdischen Schule Stuttgart wollen Betsaal besuchen

Für Mühlen fehlt noch eine wissenschaftliche Dokumentation. Der Landesrabbiner, Manfred Steck und Heinz Högerle waren sich einig, dass man alle Grabsteine fotografieren und ähnlich wie in Rexingen und Mühringen dokumentieren müsse – einschließlich einer Übersetzung der hebräischen Inschriften.

Auf der Fahrt zum Rexinger Friedhof machten die Besucher Halt beim ehemaligen jüdischen Betsaal Horb. Wurmser und Kashi bedankten sich während der Besichtigung für Initiative des Synagogenvereins, das Haus zu erhalten und den Betsaal als Lern- und Gedenkort zugänglich zu machen. Der Landesrabbiner kündigte an, mit Schülern der jüdischen Schule Stuttgart den Betsaal nach seiner Fertigstellung zu besuchen.

Rexingens Ortsvorsteherin Birgit Sayer war bereits im Betsaal zur Gruppe gestoßen und begleitet den Landesrabbiner anschließend auf den jüdischen Friedhof ihres Heimatorts. Dort sollen einige Grabsteine wieder aufgerichtet und Teile des Zauns am unteren Teil des Areals erneuert werden. Der Friedhof beeindruckte die Stuttgarter Gäste durch seine Vielfalt und Größe. Michael Kashi, aufgewachsen in Israel, freute sich besonders über eine israelische Fahne, die die Nachkommen von Max Fröhlich (1868–1938) bei ihrem Besuch im Frühjahr diesen Jahres an dessen Grab eingesteckt hatte. Heinz Högerle konnte berichten, dass immer wieder Gäste aus aller Welt, besonders aus den USA und Israel Rexingen und den Friedhof besuchen.

Für den Frühherbst wurde der Besuch der Friedhöfe in Mühringen, Nordstetten und Dettensee vereinbart.