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Kabarett mit Verve: Jens Neutags Botschaft "Klare Haltung, klare Handlung" kommt beim Horber Publikum gut an

Dass politisches Kabarett gleichzeitig mahnend und sehr unterhaltsam sein kann, das bewies der Neusser Kabarettist Jens Neutag im nahezu ausverkauften Kloster. Er versprach "Mit Volldampf – Kabarett zur rechten Zeit" zu machen und hielt Wort.

Horb. Bevor er jedoch auf die Bühne kam, durfte Ewald Loschko "einfach einen schönen Anblick" genießen, wie er sagte. Er sah viele gespannte Gesichter, die sich auf diesen Abend freuten.

Loschko, Chef des Projekts Zukunft, hatte zudem noch einen weiteren Grund sich zu freuen, denn das Wochenende bot mit Kabarett am Freitagabend, mit "dem Clown im Karton" am Samstagnachmittag und einer Matinee am Sonntagvormittag einen Querschnitt durch die bunte, soziokulturelle Programmvielfalt, der sich der Verein auf die Fahne geschrieben hat.

Das Rätsel, ob Jens Neutag schon mal im Kloster auftrat, konnte er zudem lösen. Im Rahmen der Friedenstage 1999 war Neutag als Schauspieler mit einem Stück zur Weißen Rose, der Widerstandsgruppe gegen die Diktatur des Nationalsozialismus, schon mal hier.

Gut, wenn man die alten Gästebücher aufbewahrt, in denen man solche Sachen nachlesen kann. Nach dieser kurzen Einführung hieß es aber dann Bühne frei für Kapitän Neutag, der seinen Kabarett-Dampfer mit Vollgas durchs Kloster steuerte.

Nach einem sehr persönlichen Dank des Künstlers, dafür, dass sich alle Anwesenden an einem Wochentag aufgemacht haben, um ihr Sofa samt Fernsehgerät gegen geistvolle Unterhaltung einzutauschen, ging er auch sofort zu einem wichtigen Thema – dem Wetter – über. "Gestern haben wir noch Schnee geschaufelt, heute war der erste Frühlingstag und der Jahrhundertsommer geht nahtlos weiter." "Was haben wir geschwitzt das letzte Jahr! Und wer war schuld? Mesut Özil." Auch die Frage: "Ab wie viel Personen beginnt eine Hetzjagd?" beschäftigte die Nation. Geht die erst ab 30 stiefeltragenden Glatzen los und ist es mit 29 Personen nur ein unverbindliches Hinterherlaufen? In WhatsApp, das vom Wortstamm "Was ab" abgeleitet ist, kann man’s nachlesen.

"AKK" als Lobbyistin der Autoindustrie?

Neutag liebt es, Dingen, vor allem Wörter, auf den Grund zu gehen. "Jamaika-Koalition" ist jedoch ein Begriff an dem er scheiterte. "Wie kann man bei dem Gedanken an Merkel, Lindner und Hofreiter an Sonne, Strand und Leichtigkeit denken?" Ein Phänomen. "Aber wir haben Glück gehabt, dass uns auch die Schwampel, die schwarze Ampel, erspart blieb", stellte der Protagonist fest. "Angela treibt es gleichzeitig mit zwei Koalitionspartnern – allein die Vorstellung ist im unteren Drittel der Geschmacklosigkeit angesiedelt. Dass die Kanzlerin jedoch recht viel Humor hat, das habe sie mit ihrem neuen Kanzleramtschef bewiesen. Helge Braun war früher Narkosearzt und arbeitet jetzt beim Schlafmittel der Nation. "So viel Sinn für Komik hätte ich der Angela gar nicht zugetraut."

Die Wahl von "AKK" zur neuen Parteivorsitzenden wertete Neutag als den größten Kniefall vor der Automobil-Lobby, der überhaupt möglich war. Da wird jemand Chefin, die Karrenbauer heißt – das sagt schon alles."

Beim Mitbewerber um den CDU-Vorsitz, Jens Spahn, vermutet der Kabarettist, dass dessen Eltern die Schaukel zu nahe an der Hausmauer aufgebaut hatten.

Auch die Erinnerung an den Horror-Clown, einen älteren Herren mit bizarrem Antlitz, wurde geweckt. "Die Amis sind da konsequent – sie haben einen Horror-Clown zu ihrem Präsidenten gemacht."

Doch mehr als der Blick über den großen Teich beschäftigten den Künstler die "nach gestern dürstenden Intelligenz-Gartenzwerge", die eine selten erlebte Hasswelle Richtung Kanzleramt abfeuerten. "Doch anstatt sich gegen diese Gefahr zu wehren, wurde Frau Merkel zur Speichelleckerin des Despoten Erdogan", stellte Neutag fest. Für dieses Statement gab es den ersten Zwischenapplaus von einigen Besuchern.

Gedankenspiele über Demokratie

"Würde ist kein Konjunktiv", fügte er an und betonte, dass Merkel so entscheidungsfreudig sei wie ihr Sitzkissen. Klar hat’s die Frau nicht leicht. Insbesondere macht ihr der bayerische Problembär Seehofer zu schaffen, der überall, wie ein junger Rüde, hinpinkelt und es hinterher nicht mehr weiß wo. Eine große Lektion in Demokratie holte sich der Wahlkämpfer Neutag, der Bürgermeister seiner Heimatgemeinde werden wollte, im Altersheim ab. Genial spielte er, der so gerne Wahlkampf macht, weil man da den Leuten alles versprechen kann, was sie hören wollen, den greisen Senior, der erst mal seine dritten Zähne einsetzten musste um kraftvoll verbal zubeißen zu können. "Demokratie ist keine Serviceleistung, keine Option, die man sich bei einem Anbieter kaufen kann. Demokratie ist wie die Gesundheit. Erst wenn sie fehlt, merkt man, wie wichtig sie ist." "Lasst die Schreihälse nicht an die Macht, denn wer schreit ist im Unrecht", so der Rat des Seniors.

Harter Tobak, doch die Botschaft "Klare Haltung, klare Handlung" wurde vom Horber Publikum jederzeit mitgetragen.

Jens Neutag hielt die Flamme der Demokratie hoch und lieferte Kabarett ab, dass es wert war, an einem kalten Freitagabend ins Kloster zu gehen, um sich zumindest Herz und Verstand erwärmen zu lassen.