Foto: Hopp

K.I.Z. rumpeln mit heftigen Reimen über die Minirock-Bühne. Kraftklub erobern die Herzen.

Horb - Hinter der Bühne ist was los. Ein paar Mädchen quetschen sich durch den Bauzaun ins Pressezelt. Sie kreischen, kichern und zeigen sich ihre "Trophäen": frische Autogramme auf ihren T-Shirts.

Die jungen Mädchen haben soeben ihre persönliche Widmung von Kraftklub erhalten. Mit ihren roten Hosenträgern scheinen die Shootingstars des deutschen Indierock süß genug zu sein, um Teenager zum Schwärmen zu bringen. Gut denkbar aber auch, dass ihre Beliebtheit gar nichts mit Mode zu tun hat, sondern vielmehr mit ihrer Musik, mit der sich das Quintett ihren Weg in die Charts gebahnt hat. Beim Mini-Rock-Festival waren sie eindeutig eines der Zugpferde. "Ich will nicht nach Berlin", "Zu jung" oder "Songs für Liam" heißen die Hits, die begeisterten, auch wenn der Sound der Kapelle im Vergleich zu anderen Acts auf der Hauptbühne ein wenig schwächer auf der Brust erschien. Das tat der Party vor der Bühne allerdings keinen Abbruch, Sänger Felix hatte sichtlich seinen Spaß und hüpfte wie ein Flummi über die Bühne. In "Eure Mädchen" gelang Kraftklub dann auch die – ungewollte – textliche Überleitung zu den anderen Heroen des Abends, den Hip-Hoppern von K.I.Z., indem sie singend die Fragen stellen: "Darf man das ignorieren? Muss man das ernst nehmen? Will man das diskutieren?"

Genau diese Fragen stellen sich nämlich dem unbedarften Betrachter einer K.I.Z.-Show. Eines ist klar: Die Band macht keinerlei Kompromisse und kümmert sich nicht um Konventionen. Sie legen es darauf an, anzuecken. Das fängt beim martialischen Einlauf an, mit Gesichtsschutzmaske, Tarnanzug und mit einem Gerät auf dem Rücken, das wie ein Feuerwerfer aussah, Gott sei Dank aber nur weißen Nebel aus Kohlendioxid verbreitete. Doch das war noch harmlos.

Diskussionswürdiger sind da schon die Texte und die Ansagen auf der Bühne. Zum Vergleich: Ermahnen die braven Kraftklub noch ihr Publikum dazu, aufeinander aufzupassen, damit im Gedränge keiner zu Schaden kommt, ruft K.I.Z. hingegen dazu auf, sich zu verletzen. Und bemerken, dass deswegen bestimmt niemand angezeigt wird. Provokation geht über alles. Das kennt man auch vom Punk – nichts Neues also. Die Frage ist nur, wie weit man gehen kann, ohne dass man über das Ziel hinausschießt. Die bisweilen derbe Wortakrobatik von K.I.Z. kratzt an der Grenze. Nico, Maxim, Tarek und DJ Craft lassen die Muskeln spielen und geben sich zu fetten Beats als proletische Ghetto-Gangster-Rapper, die aber in ihrem Leben höchstwahrscheinlich nicht einmal aus der Nähe eine brennende Mülltonne gesehen haben. Dafür pöbeln sie auch gerne gegen ihre Fans. Nach vorne Richtung Bühne geschriene Liedwünsche werden beantwortet mit einem "Haltet die Fresse! Wir scheißen auf das, was ihr wollt! Das hier ist keine Demokratie!" Nein, das ist es sicher nicht. Doch das Publikum johlt. Alles halb so schlimm. In solchen Moment bricht die Assi-Fassade auf, zeigt: Es ist doch nicht alles so ernst, wie es scheint. Ebenso dann, wenn Maxim das Publikum vor den Kopf stößt, indem er es fragt, ob es eigentlich zu allem Ja sagt, was er sagt. Dass das Publikum hier zustimmend johlt zeigt auf wie die Befindlichkeiten in der Masse sind: nämlich alles andere als todernst. So weit so gut. Aber die eine oder andere lyrische Kostbarkeit aus dem K.I.Z.-Universum muss man oder soll man einfach nicht verstehen. Oder was sollen die Zeilen "Lass uns aufs Klo gehen, ich will heiraten jetzt – scheiße besetzt" bedeuten? Der musikalische Mittelfinger für die Ehe? Kunstvolle Lyrik klingt anders. Immerhin reimt es sich.

Naja, alles muss man nicht gut finden. Und K.I.Z. machen es da einem relativ einfach, ein Haar in der Suppe zu finden. Aber wer provozieren will, möchte ja genau das. Das Wichtigste ist jedoch eh die Party, und die kam für die Tausenden K.I.Z.-Anhänger vor der Bühne definitiv nicht zu kurz.