Merkle vom Arbeitskreis Asyl: "Bevölkerung persönlich von Einwanderung überfordert"

Horb-Talheim. Stefan Merkle, Mitglied des Arbeitskreises Asyl aus Talheim, sieht die "tatsächlichen und potenziellen Probleme" durch die in Talheim Hilfe suchenden Asylbewerber als "relativ unbegründet" an. Der Kreis habe es bisher überwiegend mit Familien mit Kindern zu tun.

Ein mutmaßliches "Gefährdungspotenzial", von dieser Zielgruppe ausgehend, schätzt er als verhältnismäßig gering ein. Merkle: "Die Familien, die in Talheim eine vorübergehende Bleibe gefunden haben, kommen überwiegend aus den Balkanstaaten. Hier mag dann wahrscheinlich auch der erste Kritikpunkt der ortsansässigen Bevölkerungsteile liegen. Es ist ja nicht unbekannt, dass der Großteil der Asylanträge aus diesem Teil Europas meist abschlägig entschieden wird. Und schon stellt sich der eine oder andere Mitbürger dann die Frage, ob ›eine überhaupt notwendige Integration‹ und ›vorübergehende Gastfreundschaft‹ in Bezug auf diese Flüchtlinge sinnvoll erscheint. Und zudem ist ja dort sowieso gar kein Krieg mehr wie in Syrien! Verfolgung? Wird schon nicht so schlimm sein."

"Bürger haben ihre Meinung kund getan"

Diese und ähnliche Fragen müsse aber jeder vor sich und seinem Gewissen selbst beantworten. Merkle hat seine Antwort gefunden: "Hier sind Menschen, die Strapazen auf sich genommen und ihre Heimat verlassen haben sowie Schutz und für sich und ihre Kinder ein besseres Leben suchen. "

Was Merkle besonders wichtig ist: Das Thema Asylbewerberunterkunft führe keinesfalls zu einer "Spaltung" in Talheim. "Hier haben halt Mitbürger ihre Meinung kundgetan. Und das ist erlaubt und legitim und gehört eben auch zu unserem demokratischen Grundverständnis. Der Standort der Unterkunft dürfte in dieser Diskussion sicherlich eine untergeordnete Rolle spielen, die Grundeinstellungen einiger Mitbürger werden aber deutlich."

Merkle vermutet, dass viele Menschen mit dem Thema Einwanderung momentan persönlich überfordert sind. "Solch eine, vom Einzelnen oft vielleicht nur gefühlte, aber gegenwärtig in allen Medien präsente ›Einwanderungswelle‹ ist und war man einfach bisher nicht gewöhnt. Und Ungewohntes verunsichert. So auch in Talheim."

Die Lage in den Balkanländern, weiß Merkle, sei zum Teil schlimm. Er berichtet aus seiner Erfahrung: "Wer zum Beispiel einmal vor den zerschossenen und heute (20 Jahre später) immer noch zerbombten Dörfern und Häusern – im Übrigen aller ethnischen Volksgruppen – in Bosnien oder Kroatien gestanden hat, der kann die meisten der Menschen aus dieser Region verstehen, warum sie ihre Heimat verlassen haben und sich einen ›schöneren‹ Lebensmittelpunkt suchen."

Im Lenkungsausschuss Asyl werde Merkle weiter anregen, Wege zu finden, um noch mehr Verständnis bei den Bürgern für die Ursachen der Notsituation der Asylbewerber zu bewirken. "Aber auch Wege zu finden, die in allen Teilen der Bevölkerung das Selbstverständnis erzeugen, das unsere Verantwortung gegenüber diesen Menschen – aber auch anderen Hilfesuchenden – widerspiegelt."

Er selbst werde bei jeder Gelegenheit um Verständnis werben. "Mit dem Ziel, dem ›Fremden‹ das ›Gschmäckle‹ zu nehmen, stelle ich mich gerne auch dem einen oder anderen kritischen Dialog."